Für mich dreht sich die Frage KsdJ/SdJ nicht darum welches konkrete Spiel Preiswürdig ist, sondern darum ob sich die beiden Preisträger hinreichend in ihren Kategorien von einander abgrenzen.
Ist das Kennerspiel also hinreichend tiefgründiger als das Spiel des Jahres?
Nun empfinden einige dass dies eben manchmal nicht der Fall zu sein scheint.
Die Kategorie Kennerspiel macht meiner Meinung nach nur dann Sinn, wenn prämierte Spiele einen weiterführenden Einblick in die Spielelandschaft bieten. Eben um spielerische Vielfalt, Kreativität aber meiner Meinung nach auch spielerische Komplexität aufzuzeigen. (Ich behaupte nicht dass das der Jury nicht gelingt)
Die Schwierigkeit in der Abgrenzung liegt nun darin, den Schwierigkeitsgrades eines vermeintlichen Kennerspiels einzuordnen.
Und da fängt es an schwierig zu werden. Was ist der Kategorie Kennerspiel angemessen? Reicht es aus marginal komplexer zu sein als ein Spiel des Jahres? Was möchte man Spielern "zumuten"?
Ich würde mir wünschen dass ein Kennerspiel tatsächlich tiefere Einblicke in das Kulturgut Spiel ermöglicht. Und da stellt sich die Frage wen möchte ich mit dem (Kennerspiel)Preis abholen? Die Argumente "Einstiegshürde", "ist zu schwierig", "die Leute tun sich damit schwer" sorgen dann natürlich dafür dass viele tolle Spiele nicht mehr berücksichtigt werden, weil man mit diesem Preis scheinbar niemandem weh tun möchte.
Vielleicht ist es auch tatsächlich so, dass die Erfahrungen der Jury zeigen dass Menschen schnell mit Spielen überfordert sind?
Dann ist die Frage: Senke ich meine Anforderungen an ein Kennerspiel (oder Spiel des Jahres) deswegen immer weiter ab um mehr Menschen erreichen zu wollen? Oder akzeptiert man dass manche Menschen sich dann sinnvollerweise weiterhin am Spiel des Jahres orientieren. (Was überhaupt nicht negativ ist)
Meine These: "Jemand der wirklich gerne spielt und Lust hat mehr zu entdecken, der will sich auch weiter entwickeln. Menschen die dabei sind eine Leidenschaft fürs Brettspielen zu entwickeln möchten sich mit ihrem Spiel auseinandersetzten. Menschen die wenige Spiele besitzen spielen diese ziemlich oft und lernen ihr Spiel kennen. Man fängt vielleicht auch erstmals an Strategien zu entwickeln eben weil man sich damit auseinandersetzen möchte."
Traut man diesen Menschen, die übrigens Wahrnehmen das es also eine Kategorie "Kennerspiel" überhaupt gibt, nicht zu eine Anleitung zu lesen und zu verstehen? Handlungsanweisungen zu verarbeiten und richtig umzusetzen? Frusttollerant zu sein wenn mal etwas nicht auf Anhieb klappt?
Würde der Ansatz "niemanden überfordern zu wollen" und "möglichst viele Menschen zu erreichen" dann nicht automatisch bei sinkendem gesellschaftlichem Bildungsniveau sinkende Anforderungen mit sich bringen? Wenn also z.b. Leseverständnis, Wissenstransferleistung oder ander Faktoren schlecht ausgebildet sind, passt sich das Kennerspiel solch einer möglichen Entwicklung an?
Sind ein Iki oder Planet unkown tatsächlich schon zu anstrengend für diesen Preis? (Dies soll nicht implizieren dass nur die leichtesten Spiele gewinnen)
Konnte ein Challengers schon nicht mehr "nur" im Pool SdJ sein? Hätte es nicht doch auch noch dort nominiert werden können und mit Dorfromantik in den Wettbewerb gehen dürfen? Muss ja nicht gewinnen, aber hätte auf die Nominiertenliste gekonnt. Wasserkraft stand schließlich auch schon mal auf der Nominiertenliste (Empfehlungsliste)zum KsdJ, obwohl es offensichtlich niemals ernsthaft den grauen Pöppel hätte holen können.
Warum stehen Expertenspiele auf der Nominiertenliste (Empfehlungsliste) des Kennerspiels? Dann könnte doch ein Spiel dass knapp Kennerniveau erreicht doch ebenso auf die erweiterte Liste zum roten Pöppel.
Denn die Zielgruppe des roten Pöppel nimmt die Nominiertenliste meiner Meinung nach nur marginal und nicht in der Masse wahr, da zählt am Ende nur der Preisträger.
Menschen die auf den grauen Pöppel achten könnten da aber schon eher nach Nominiertenlisten schauen. Roter wie grauer. Möchte man denen Wasserkraft empfehlen, gleichzeitig aber sagen Challengers gehöre nicht auf die Nominiertenliste fürs SdJ weil es dafür zu komplex ist?
Kaufe ich mir Challengers mit grauem Pöppel und danach ganz unbedarft und in gutem Gewissen Wasserkraft,(Terraforming Mars/Arche Nova) weil die auf der Liste für grau standen? Ich könnte sehr überrascht werden.
Finde ich problematisch was die Glaubwürdigkeit solch einer Kategorie angeht. Verliert man dadurch nicht sogar Menschen die ins Hobby einsteigen wollen weil sie plötzlich maßlos überfordert werden und eine gewisse Erwartungshaltung derbe enttäuscht wird?
Ich würde es begrüßen wenn das Kennerspiel selbstbewusst genug ist sich vom Spiel des Jahres hinsichtlich Schwierigkeitsgrad klar zu unterscheiden und die Kategorien nicht verwässern bzw. sich zu sehr angleichen. Umgekehrt wäre es wünschenswert wenn Expertenspiele eben nicht mehr beim Kennerspiel berücksichtigt werden einfach nur weil sie z.b. populär sind und der Name gedroppt werden soll.
Die Einführung in die Welt der Expertenspiele werden dann andere Medien übernehmen können. Eben Foren, soziale Medien, YouTube, Spieletreffen, Messen etc.
Insofern sind eine konsequente Linie und ein klares Profil für das Kennerpiel wichtig. Die "Linie möglichst geringe Einstiegshürde für den Preisträger und dann der ganze Rest auf die Longlist" halte ich demnach nicht für Zielführend.
Das Kennerspiel bietet doch eine gute Gelegenheit Menschen abzuholen die Interesse daran haben in unser Hobby einzusteigen und das Kulturgut Spiel tiefer kennen zu lernen. Sprich: sich mit Spielen zu beschäftigen.
Das Spiel des Jahres soll diese Aufgabe dagegen nicht leisten.
Wenn dies mit den zukünftigen Preisträgern gelingen würde wäre ich zufrieden.
Dieses Jahr sehe ich das Niveau für ein Kennerspiel eher am unteren Ende. Da würde ich mir auf Seiten der Jury wieder mehr Mut und Selbstbewusstsein wünschen. Und eben auch den Menschen mehr zutrauen und eben auch zumuten.
Für alles andere gibt es weiterhin das Spiel des Jahres inklusive Nominiertenliste.