Beiträge von MetalPirate im Thema „Spiel des Jahres / Kennerspiel des Jahres Orakel 2023“

    Darf ich als derjenige, der vor knapp acht Jahren den allerersten Iki-Spielbericht hier in diesem Forum verfasst hat (Link) auch mal etwas dazu sagen? Ja? Gut. Iki war damals so exotisch (sogar eine Spieleschmiede-Kampagne ist gescheitert!), dass es völlig okay ist, dass es in der auf westlichen Geschmack getrimmten Neuauflage jetzt als quasi neues Spiel behandelt wird. Wer es damals hatte, der hatte entweder in der gescheiterten Schmiede-Kampagne zugestimmt, die normale englisch/japanische Version für relativ teures Geld zu kaufen oder aber es selbst in Essen beim japanischen Autor am Stand erworben. Die Verbreitung des Spiels war damals nahe null.

    Was mich etwas erstaunt, ist die Tatsache, dass die Empfehlungsliste beim KSdJ (erstmalig?) nur zwei Titel umfasst, nämlich Council of Shadows und Mindbug. Sollte man das als Zeichen eines eher schwachen Jahrgangs für die uns Vielspieler werten?

    Die Empfehlungsliste ist normalerweise einen genaueren Blick wert, insbesondere weil da in früheren Jahren traditionell auch die Sachen gelandet sind, die zwar eigentlich sehr empfehlenswert sind, aber für die Allgemeinheit schon einen Tacken zu komplex, um sie auf die Short List zu packen. Da fanden sich in den letzten Jahren unter anderem so Sachen wie Res Arcana, Underwater Cities, Aeon's End, Wasserkraft und Arche Nova. Und manchmal eben auch ein paar etwas unbekanntere Sachen, die ich mir dann maßgeblich wegen der Aufnahme in die KSdJ-Empfehlungsliste erst näher angeschaut und letztendlich auch gekauft habe, wie z.B. zuletzt Witchstone (Empfehlungsliste im letzten Jahr).

    Aber Jury-Mitglied kann doch sowieso nur werden, wer auch in irgendeiner Form journalistisch tätig ist.

    Ja, und früher konnte in die SdJ-Jury nur reinkommen, wer in seinem normalen Beruf als klassischer Journalist für eine Tageszeitung seine Brötchen verdient hat. Mittlerweile ist das auch für moderne Formen wie Youtube geöffnet.

    Diese Entscheidung war wohl alternativlos, aber ich halte sie auch für brandgefährlich. "Echte" Journalisten haben ihren Beruf gelernt und sollten an gewisse Standards gebunden sein. Bei modernen Formen gilt eher: alles, was Klicks und damit Werbegelder bringt, ist richtig und gut. Und wenn sich dann mit Hetze, Verschwörungstheorien oder Ähnlichem Geld verdienen lässt, dann ist das in der modernen Social Media Welt eben auch gut.

    Das stellt man sich so vor, aber ist das wirklich so? Das sind auch nur Ehrenamtliche mit Jobs und Familie. Bin mir nicht sicher, ob die wirklich mehr spielen als Ben vom Brettspielblog. Mehr als die gesamte Freizeit steht denen auch nicht zur Verfügung.

    Ich will gar nicht bestreiten, dass viele Youtuber da auch ganz viel Freizeit reinstecken. Aber da ist auch die Frage, wie viel Zeit davon bei diesen Youtube-Ich-AGs für Videoschnitt, Suchmaschinen-Optimierungen oder andere Dinge draufgeht, während sich die SdJ-Jury-Mitglieder nur auf den Spieletest konzentrieren können.

    Außerdem ist die Menge an reingesteckter Zeit ja noch längst nicht alles. Ein ganz wichtiger Punkt ist der Zugang zu den Spielen, gerade bei munter steigenden Brettspielpreisen. Da kommt dann bei dem einen oder anderen Youtuber auch mal eine gewisse Abhängigkeit durch ("don't bite the hand that feeds you"). Die werden garantiert nicht jedes neu erscheinende Spiel vom eigenen Geld kaufen. Aber auch der Kleinverlag, der nicht unbedingt jeden so medium bekannten Youtuber mit einem kostenlosen oder vergünstigten Rezensionsexemplar versorgen kann oder will, wird trotzdem immer noch die SdJ-Jury versorgen.

    Genau sowas erklärt dann meiner Meinung nach auch, warum immer mal wieder "Überraschungen" auf der Liste auftauchen. Dann sind dann eben oft Spiele von Verlagen, die etwas weniger auf Influencer-Werbung setzen. Denn das muss man in diesem Zusammen immer wieder klar betonen: auch wenn manche Youtuber sich gerne als moderne Form von Journalisten sehen -- unter dem Strich ist's doch oft nur schnöde eingekaufte Werbung, und das oft genug sogar mit eher mieser Bezahlung, jedenfalls wenn man es nicht auf englisch macht. Denn das kostenlose Rezensionsexemplar rechtfertigt normalerweise nicht die Arbeit, die man in gut gemachte Youtube-Videos reinstecken muss.

    Ich würde schon davon ausgehen, dass die SdJ-Jury wesentlich mehr Spiele zu sehen bekommt als die Youtuber-Fraktion. Allein schon aufgrund ihrer besonderen Stellung, größeren Unabhängigkeit (incl. stärkerer Bindung an journalistische Standards) und oft auch intensiverer Beschäftigung mit den Spielen (anstatt in erster Linie das zu machen, was Klicks bringt). Für mich ist eine Expertenjury einer Internet-Massenmeinung mit viel gegenseitigem Kopieren im Prinzip überlegen. Voraussetzung bei sowas ist natürlich, dass es echte und nicht nur selbsternannte Experten sind.

    Letzte Jahr wurde ein Familienspiel zum KdJ (das dann vom Verlag schnell als Kennerspiel umdeklariert wurde).

    Ich habe Living Forest von Anfang an als Kennerspiel angesehen, auch wenn mir der zuständige Redakteur erstmal widersprochen hat: