Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „Wieviel Chancen gebt ihr einem Spiel ?“

    Immer gebe immer mehr als eine Chance. Ich habe zu oft erlebt, das Spiele aufgrund von teils krassen Regelfehlern als schlecht oder broken abgeklatscht wurden. Ich lese nach jeder Partie eines Spiels, dass ich zum ersten Mal erkläre, die Regel ein zweites Mal.

    Das kann mir, da bin ich nahezu völlig sicher, so nicht passieren.


    Ich spiele nur mit meiner Frau, außerhalb Corona-Zeiten mit meiner festen Spielegruppe, oder eben solo, ganz, ganz selten mal mit meinem Sohn. Es kommt praktisch nicht vor, dass ich ein Spiel spiele, dessen Regeln man mir erklärt. Ich bin der Erklärbär und muss die Regeln selber lesen.


    Vor einer ersten Partie lese ich die Spielregel auf meine Weise mindestens ein-, oft auch zweimal. Dabei habe ich das Spielmaterial vor mir liegen und veranschauliche mir alles, was wichtig ist, auch über die Beispiele hinaus.

    Lese ich eine Spielregel, gehe ich da so dran, dass ich das neue Spiel als ein völlig unbekanntes, ganz eigenes Produkt behandele. Nie lese ich etwas oberflächlich, weil ich etwa denke, muss man nicht genauer lesen, den Mechanismus kenne ich ja. Ich lese auch alle Beispielstexte, völlig egal, ob ich denke, die Regel auch ohne Beispiel verstanden zu haben. So oft findet man Regeltext schon in der Materialbeschreibung und erst recht in Beispielen.


    Ich gehe deshalb davon aus, dass ich die geschriebene Spielregel eines Spiels vor der Erstpartie beherrsche, nicht bloß "quergelesen" habe.


    Dass mir bei von mir selbst vorbereiteten Spielen in der Erstpartie krasse Regelfehler unterlaufen, also solche, die ein Spiel gravierend verändern gegenüber dem, wie es sein soll, halte ich für nahezu ausgeschlossen.


    Wenn bei dieser intensiven, oft stundenlangen Vorbereitung (bei manchen Spielen dauert das halt) das Spiel nicht in der Lage ist, mir in der Erstpartie zumindest zu offenbaren, ob es Potential für mich hat, dann bekommt es auch dann keine zweite Chance, wenn ich es, wie fast immer, selbst bezahlt habe.

    Im Laufe der Jahre hat sich das bei mir deutlich verändert. Je älter ich werde, um so weniger Chancen gibt es für ein Spiel.


    Zunächst muss mich das Thema interessieren. Da hat es auch eine Verschiebung gegeben; Fantasy, meist im Spiel eh nur Monsterplätten, rückt in eher weite Ferne. Sachthemen, vor allem historische Themen, aber nicht Krieg, rücken in den Vordergrund.


    Dann erwarte ich Umsetzung des Themas in den Mechaniken.


    Dann die passende Spielerzahl. Spiele, die man nicht zu zweit und möglichst auch solo spielen kann, kaufe ich nahezu gar nicht mehr.


    Und dann, wenn ich ein Spiel in Angriff genommen habe, kann es schon erledigt sein, bevor ich es überhaupt spiele.

    Schlecht geschriebene oder viel zu lange Spielregeln mit "tausend" Ausnahmen empfinde ich heutzutage als abschreckend. Ich sehe den Sinn meines Hobbys nicht im "Erarbeiten" von Spielregeln in dem Sinne, dass ich z.B. im Internet forsche, was ein Satz mir sagen will, den ich auch beim dritten Lesen nicht verstehe. Ich bilde mir ein, ein gutes bis sehr gutes Leseverständnis zu haben. Wenn ich beim Regellesen mehr als einmal das Bedürfnis empfinde, in Foren pp zu forschen, was die Regel wohl will, dann war es das; Lebenszeit ist für solchen Mist zu schade.


    Dann, wenn das überstanden ist, kommt die erste Partie. Spricht die mich nicht an, gibt es keine zweite Chance. Ich lese in einem Buch, nachdem mir die ersten 50 Seiten nicht gefallen haben, auch nicht vorsichtshalber mal die nächsten 50 in der Hoffnung, es könnte besser werden. Mag sein, dass mir dadurch "etwas" entgeht, macht nichts, denn gut in dem Sinne, wie ich das verstehe, kann es nicht werden, sonst hätte ich zumindest das Potential gespürt, das Buch/Spiel für mich haben.


    Quintessenz: Ein Spiel, das noch eine "Chance" bräuchte, bekommt keine.