Beiträge von MetalPirate im Thema „Besänftigung von Backern bei Portonachzahlungen oder Verspätungen“

    Im Moment kommen aufgrund der allgemeinen Lage der Welt sehr viele Crowdfunding-Macher auf einmal mit schlechten Nachrichten für ihre Backer um die Ecke, aber eigentlich ist das Problem etwas allgemeiner und auch nicht an Pandemien, Kriege, Containerpreise oder Produktionsketten gebunden. Ob das Problem dann konkret Nachzahlung, Verzögerung oder Qualitätsverlust heißt (oder irgendeine Mischung daraus), das macht auch keinen wesentlichen Unterschied hier. Im Endeffekt alles das Gleiche.

    Durch die Finanzierung eines Produkts zu vorher fest ausgemachten Konditionen sind Crowdfunding-Backer mehr involviert in ein Produkt als beim Kaufen eines Spiels im Fachgeschäft. Ohne sie gäbe es das Produkt normalerweise nicht. Deshalb erwarten Backer völlig zurecht, dass sie vom Macher nicht von oben herab behandelt werden. Der Macher kann nicht einfach nachträglich die Konditionen ändern, nur weil ihm danach ist, und er muss auch belegbar sein Möglichstes tut, um zum Projekterfolg beizutragen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Das gilt zumindest für die vernünftigen Backer. Es gibt immer auch andere mit völlig unrealistischen Erwartungen, schon klar.)

    Das Einzige, was in der aktuellen Lage etwa besonders ist, ist die Tatsache, dass gerade sehr viele Macher auf einmal die Gelegenheit haben zu zeigen, wie sie mit ihren Kunden umgehen. Wenn man mal einen Schritt zurück tritt und das nicht nur aus der eigenen "ich soll Betrag X nachzahlen!!!"-Perspektive sieht, ist das sooo verkehrt doch gar nicht. Denn gerade in solchen Problemsituationen kann man doch wunderbar die Spreu vom Weizen trennen. Dann ist's halt Teil der kommenden Marktbereinigung, wenn diverse Crowdfunding-Verlage völlig zurecht auf der "Nie wieder!"-Liste landen, weil sie allzu viel mit Trickerseien und Doppeldeutigkeiten operiert haben und dann Versprechen gebrochen haben...


    Zum "was kann man zur Besänftigung machen?": Wer in einem Projekt schlechte Nachrichten bringt (was immer mal passieren kann!), der sollte idealerweise sich vorher bereits Vertrauen aufgebaut haben, denn das macht die Sache sofort wesentlich entspannter. Das Vertrauen kommt idealerweise aus vorherigen Projekten, auf jeden Fall aber durch klare, transparente Arbeit im bisherigen Projektverlauf vor dem Auftreten der Probleme. Die rechtzeitige Vorwarnung vor sich möglicherweise abzeichnenden Problemen ist hier besonders wichtig. Essentiell ist dann aber nach dem Verkünden der Probleme, dass es klare Meilensteine für die nähere Zukunft gibt, deren Erfüllung dann auch genau belegt wird. So lässt sich dann Vertrauen auch leicht wieder zurückgewinnen.

    Klassisches Beispiel aus unserem Bereich: Das Foto aus der Fabrik mit der Palette fertig produzierter Spiele schafft Vertrauen, weil es beweist, dass das Produkt wirklich existiert und der Macher sich nicht mit den Projektgeldern auf eine einsame Insel abgesetzt hat. Damit sind alle Diskussionen über Verzögerungen sofort beendet. Die vernünftigen Backer (und das ist immer noch die Masse!) werden immer Verständnis haben für Probleme, die belegbar vorhanden sind, insbesondere wenn sie ihnen in der Position der Macher genauso hätten passieren können.


    PS: Fürs Crowdfunding allgemein unterstreicht die breite Aufregung über die ganzen Nachzahlungen, dass die allermeisten Backer das Abwälzen sämtlicher Risiken auf die Endkunden bisher eben nicht entsprechend einpreist hatten. Ich persönlich habe mein Kickstarter-Engagement deutlich zurückgefahren, seit ich trotz genereller Vorsicht einmal auf ein betrügerisches Projekt hereingefallen bin (Solarius Mission 2nd edition). Spätestens seit für EU-Backer die VAT korrekt zu entrichten ist, halte ich Crowdfunding auch generell für ziemlich unattraktiv. Eben weil da IMHO in den allermeisten Fällen kein attraktiver Preis mehr für das enthaltene Risiko da ist. Vielleicht habe ich auch deshalb Glück und bin von den aktuellen Nachzahlungen im Crowdfunding-Sektor kaum betroffen.