Beiträge von Smuntz im Thema „25.04.-01.05.2022“

    Oranienburger Kanal

    Diesen Freitag war Online-Spielen angesagt - und das mache ich bevorzugt dann, wenn das Spiel nicht greifbar (= nicht erschienen) ist. MetalPirate lud zur Erprobung von Uwe Rosenbergs neuem Zwei-Personen-Spiel ein. Das haben wir beide zuletzt ebenfalls bei einem Spielworxx-Titel - Squaring Circleville - getan, von dem wir beide nicht so begeistert waren. Ganz anders bei diesem Spiel nun...

    Jeder Spieler erhält ein Tableau, das Platz für 12 Gebäude (Spielkarten) in 3x4-Anordnung bietet. Rund um jeden Platz - also am Rand und zwischen den Bauplätzen - bleibt Platz für Wegstrecken. Wenige davon sind bereits vorgedruckt. Gebaut werden können einfache Wege (Kostet: 1 Lehm), Straßen (Ziegel), Schienen (Holz und Eisen) und Kanäle (3 Taler). Die Baukosten hatten wir nicht vor Augen, die wollten eben kurz notiert bzw. eingeprägt sein. Die als PDF verfügbare Spielregel listet Spielhilfen auf, die wir in der tabletopia-Implementierung nicht vorfanden die diesen kleinen Mangel aber gewiss im fertigen Produkt beheben werden.

    Die Baukosten der Gebäudekarten sind auf diesen selbst oben angegeben. Während man Schienenstücke und Kanäle angrenzend an vorhandene (eines ist auf dem Plan vorgegeben) bauen muss, gibt es für die anderen Typen und die Gebäude keinerlei Vorgaben - wo frei ist, darf gebaut werden. Einfache Wege dürfen gar überbaut werden, was im Hinblick auf das Wertungssystem wichtig werden kann.

    Ferner kann man noch Brücken (Holz) bauen, die zwei Gebäude verbinden, aber nur, wenn der Weg zwischen ihnen ebenfalls bebaut ist.

    Eine Runde besteht immer aus 5 Zügen, abwechselnd beginnend beim Startspieler. Hierfür besetzt man eines von 7 Aktionsfeldern eines kleinen Planes. Während die unteren drei Felder vor allem Rohstoffe bescheren, sind die oberen für den Bau von Strecken, Brücken und Gebäuden gut. Außerdem sammelt man hier und da Geld ein, was auf den Feldern hinterlegt wird und sich bei längerem Nichtgebrauch der Funktion ansammeln kann. Die in drei getrennten Stapeln vorgehaltenen 24 Gebäudekarten (120 sind im Spiel zu 2 Sets a 60) liegen auf drei der oberen Felder und geben nach Verbrauch weitere Aktionsmöglichkeiten auf diesen Feldern frei.

    Zu Rundenbeginn wird das Angebot verfügbarer Gebäude aufgefrischt (anfangs 4, später mit Verbrauch der drei getrennten Gebäudestapel auch 5 bzw. 6) und Taler auf die Aktionsfelder verteilt - oben immer je 1 Taler, unten nur auf Felder, die in der letzten Runde nicht gewählt wurden. Der Startspieler wechselt. Außerdem erhält jeder einen Produktionsschritt. Hierfür wird buchstäblich am Rad gedreht - das Produktionsrad, das unseren Vorrat an Rohstoffen anzeigt. Das verringert die Anzahl der einfachen Güter (Lehm, Erz, Holz) und erhöht die der höherwertigen (Ziegel, Eisen). Das geht natürlich nur, wenn man auch mindestens je 1 einfaches Gut hat, aber die kann man jederzeit kaufen, so man Taler dafür hat. Ebenso kann man jederzeit für 2 Taler einen solchen Produktionsschritt auslösen.

    Ist der letzte Gebäudekartenkartenstapel aufgebraucht, wird nur noch eine Runde gespielt, dann endet das Spiel. Siegpunkte gibt es für allerlei: was auf den Karten steht, bebaute Strecken (außer Wege), Abzüge für unbebaute Strecken, Geld, höherwertige Güter, während des Spiels gesammelte Prestigemarker und noch ein wenig mehr.

    Soweit der nackte Ablauf des Spiels. Der Pfiff liegt in den Wertungen der Gebäude. Jedes Gebäude kann genau zweimal im Spiel gewertet werden, und zwar genau dann, wenn eine von zwei Bedingungen erfüllt sind (der Zugablauf wird ggf. kurz für die Wertung unterbrochen): Die vier Wegstrecken um das Gebäude sind bebaut oder eine zweite Brücke führt zu dem Gebäude (bei der ersten passiert nichts). Einmal hatte ich den (für planerisches Vorgehen suboptimalen) Fall, ein Gebäude auf einen Platz zu legen, dessen Wege umher bereits fertig bebaut waren und so unmittelbar eine Wertung auslöste.

    Die Wertungen der Gebäude sind individuell und sehr vielfältig. Spätestens hier merkt man, wer sich dieses Spiel ausgedacht hat. Sowohl die Voraussetzungen (an vorhandener Bebauung usw.) als auch die damit verbundenen Erträge (Rohstoffe, Geld, Prestige, ...) sind zahlreich. Diese Wertungen rechtzeitig auslösen und erhaltene Dinge sinnvoll neu investieren - das macht den Reiz aus und das hat mein Mitspieler vom Start weg besser umgesetzt als ich. Hier ein Bild der finalen Bebauung unserer Tableaus, das Spiel endete 129 : 154.

    Mit hat das Spiel außerordentlich gut gefallen. Es will sehr taktisch gespielt werden, muss man doch schauen, was die angebotenen Karten bieten und welche Aktionen dem Mitspieler gerade wichtig sein mögen, die man auch selbst braucht, um hier nicht eine Runde lang das Nachsehen zu haben. Die Überlegungen, die sich im Spiel aufgrund der Gegebenheiten anbieten, sind recht komplex, weshalb dieses Spiel zurecht auf zwei Spieler zugeschnitten ist. Mehr würde den Einfluss beliebiger und die Wartezeiten länger machen - zu zweit aber ist es ein grundsolides Spielerlebnis. Zum Solospiel hat leidensgenosse schon seine positiven Eindrücke geteilt.

    Das Spiel ist aktuell in der Spieleschmiede zu haben, wobei man bei Order von zwei Spielen noch was sparen kann (ich habe meinen Spiele-Order-Buddy bereits gefunden). Ob man die 240 weiteren Gebäudekarten braucht... nein, natürlich nicht, das Spiel ist so schon rund und für viele Partien gut. Aber werde ich mir für einen noch einstelligen Betrag dieses Ideenfüllhorn entgehen lassen? Natürlich nicht. Für den aufgerufenen Preis gibt es ein schnörkelloses gutes Spiel, das unverkennbar die Handschrift seines Autors trägt, der seinem Schaffen ein weiteres Glanzstück hinzufügt.

    Über die Grafik von Harald Lieske gibt es wieder die üblichen (unknowns-typischen) Diskussionen. Wie immer gilt: Geschmackssache. Die Nutzung der üblichen Primärfarben mit Rot-Verzicht und zeitgemäßen Ornamenten finde ich durchaus gelungen. Dass die Vorderseite der Karten keine weitere Illustration ziert, dürfte sowohl an Kosten als auch an funktionalen Erwägungen gelegen haben, sind die mitunter komplexen Deutungen der Gebäudefunktionen doch entsprechend symbolisch darzustellen. Daran gibt es auch nicht viel auszusetzen, nur selten hatte selbst ich als Nichtleser der Regel Bedarf, die Funktion einer Karte mithilfe des Glossars zu klären. Wir haben zwar gelegentlich nachgeschlagen, dabei dann aber festgestellt, dass es sich genau so verhielt, wie wir uns das anhand der Symbole dachten. Entsprechend kann man diese als gelungen bezeichnen, und darauf kommt es im Spiel doch besonders an.

    #OranienburgerKanal