Beiträge von Biberle im Thema „Tag der Brettspielkritik · 17.–19. Juni 2022“

    Erstmal hat Professionalisierung anno 2023 wenig damit zu tun, ob es um Geld geht. In Zeiten von Social Media & Co. geht es ja eher darum, ob und wie man seinen Content monetarisiert bekommt - und dass diese Wege alterhergebrachten Journalisten mit etwas (journalistischer) Ehre im Leib seltsam bis skurril vorkommen mögen - geschenkt. Dass z.B. ein gewisser MrBeast mit seinem infantilen Scheißendreck es schafft, auf YouTube 120 Mio. Abonnenten zu generieren und über 50 Mio. im Jahr verdient - am besten ignorieren.


    Und ein kurzer Seitenhieb: Ich halte weder die Spielbox online noch das Magazin (in das ich aber zugegebenermaßen erst ein paar Mal reingeblättert habe) für professionell bzw. "hochwertig" genug, als dass ausgerechnet ein Andreas Becker solch relativ steile Thesen vom Stapel lassen könnte.


    Aber ja, die Problematik ist immer die gleiche: Qualität vs. Reichweite, journalistischer Aufwand vs. adäquater Ertrag. Es ist beileibe nicht grundsätzlich so, dass "anspruchsvolle" Artikel sich nicht "lohnen", weil es zuviel Aufwand wäre und sich dann niemand dafür interessiert.


    Als ich für die GameStar schrieb (ein PC-Spielemagazin, wem nicht geläufig), verkauften wir im Peak 350.000 Exemplare pro Monat. Damit gehörten wir zu den 10(!) meistverkauften Monatstiteln am Kiosk (ok, der überwiegende Teil erscheint natürlich wöchentlich oder zweiwöchentlich). Das ist über 20 Jahre her - da waren PC-Spiele immer noch eine Art Nische. Die Kritik an uns war die erwartbar-übliche: Nur Mainstream, 08/15-Rezensionen, Leuten nach dem Maul reden, es werden eh nur große Titel gepusht, wir sähen Spiele nur als Konsum- und nicht Kulturgut bis hin zu "eh alles gekauft!" usw. usf. Erstens stimmten viele Vorwürfe nicht - zweitens: na und! Der Erfolg gab uns recht! Die ach so tolle GEE verkaufte teilweise nicht mal ein Zehntel davon. Aber die waren die Guten, weil sie ja das Spiel als Kulturgut entnahmen - überhaupt waren da ja viel mehr "ernsthafte", richtig journalistische Artikel drin. Dabei waren die Redakteure dort auch keinen Deut besser - es war einfach nur eine gewollt andere journalistische Ausrichtung. Und die Verlagsleitung dachte, das würde sich auf Dauer ernsthaft durchsetzen, weil ja "besser". Und letztendlich setzt sich bekanntlich immer der/das Beste durch.


    Tatsächlich waren dabei auch bei uns die aufwändigen Reports teilweise mit die erfolgreichsten Artikel (wir hatten recht genaue Feedback-Tools). Aber es braucht eben die passende Plattform dafür - in dem Fall halt 350.00 Käufer, die das Magazin eh schon daheim haben - und irgendwann halt angefangen haben, auch die Achtseiter ganz ohne eine einzige Wertung durchzulesen. Und immer mehr zu schätzen gelernt haben.


    Ich gebe aber in vielem brettundpad recht. Umgekehrt kann man aber auch fragen: Warum dann so einen aufwändigen, "nischigen" Artikel nicht trotzdem bringen - wenn eh alles nur Hobby ist und es nicht aufs Geld ankommt (oder die Klickzahlen). Zur Not macht man das halt für sich selbst - weil man es machen WILL. Es braucht zeit, dann wird das schon mehr bei der Masse ankommen.


    Ein weiteres Problem ist mMn die fehlende Distanz. Die ganze Szene, so heimelig das auch sein mag, ist zu eng beieinander. Auch von den Speielern und deren Selbstverständnis her. Ohne jemand zu nahe treten zu wollen: aber wer sich täglich mehrere Stunden mit Brettspielen beschäftigt, ein KDM zu Frühstück vernascht und gleichzeitig 27 KS-Pledges am laufen hat, wird sich nur schwer von "Professionellen" was sagen lassen. Er kann sich ja alles selbst zusammensuchen. So schön Kundennähe auch ist - es braucht eben auch diese "kühle" Distanzierung, die den großen Magazinen dann gerne mal als Arroganz oder Überheblichkeit ausgelegt wurde.


    Um eine journalistische Nische zu professionalisieren, braucht es zwischen den Liefernden und den zu Beliefernden immer ein (recht großes) Gefälle, was Informations- und Wissensstand angeht. Der fehlt hier mMn, was nicht zuletzt auch an den Verlagen liegen dürfte. Und es braucht auch ein Gefälle, was die Fähigkeiten angeht. Wie heißt es so schön: Kunst kommt von Können. Und so cool es in diesen Zeiten auch ist, wenn jeder sein eigenes Projekt durchziehen kann - soll sich das wirklich bis zu einem gewissen Grad professionalisieren, braucht es halt auch die entsprechenden fähigen Leute dafür. Womit ich nicht sagen will, dass es die nicht auch gibt. :)