Okay … von den fünf neuen Gearlocs ist Static wohl der, bei dem ich mir am uneinigsten bin, wie ich ihn finde, denn er bringt zwar eine Menge gute, aber auch ein paar weniger gute Seiten mit, von daher wechselt meine Bewertung wie bei der optischen Täuschung der jungen und der alten Frau je nach Blickwinkel zwischen „Yay, super Gearloc, den will ich sofort wieder spielen“ und „Ah, der ist Arbeit, das ist mir jetzt zu anstrengend“.
Beginnen wir mit den weniger guten Seiten:
Erstens: Einer der großen Kritikpunkte an Too Many Bones ist immer wieder der, dass man die Skillwürfel nicht bräuchte, sondern sich einfach nur auf die Stats konzentrieren muss. Ich halte davon nichts, muss aber sagen: Von allen Gearlocs ist Static wohl der, der einen am meisten dazu verleitet, genau das zu tun! Der Kerl startet, wie sonst nur Picket, Patches und Stanza, mit 5 Lebenspunkten (im Easy-Mode dann sogar mit 7), und wenn man hier fast komplett auf Stats geht wird er, nicht zuletzt dank seiner Counter „Inner Peace“ und „Perseverance“ (s.u.) eine echte Kampfmaschine, die mit etwas Planung und Geschick irgendwann zum Finale mal eben 12 und mehr Kampfwürfel für einen Angriff aufwenden kann, und wer dann doch noch 3 Pünktchen in Skills investiert, kann die geworfenen Werte vielleicht glatt noch verdoppeln! Damit kann man am Ende locker die meisten Tyrants one-shoten, wenn man etwas darauf hinspielt.
Zweitens: Was für ein Verwaltungsaufwand! Static bringt drei Counter mit, die sich gegenseitig beeinflussen: Inner Peace, Transcendence und Perseverance. Je nachdem, was man in seinem Zug tut oder nicht tut, erhält man Inner Peace, von denen man 3 Stück in 1 Transcendence verwandeln kann. Außerdem erhält man für bestimmte Situationen noch Perseverance. Alles drei sind sehr nützliche Ressourcen, die einen mächtige Sachen machen lassen (Inner Peace lässt sich in temporäres Dex umwandeln, mit Transcendence kann man Skillwürfel un-exhausten und Perseverance erhöht temporär den Att-Stat), aber man muss ein halbes Dutzend Situationen im Kopf behalten, wann man was wie wodurch erhält, und zumindest ich war dadurch teilweise echt vom Spiel selbst abgelenkt.
Außerdem erhält man noch den Knuckle Zappers Counter, den man durch den Backup Plan erhöht und nutzen kann, um seinen Gegnern Stromschläge zu verpassen und ihnen einen „electrified chip“ in den Lebenspunktestapel zu schmuggeln, was sie verletzlicher macht. Aber die Chips darf man erst am Rundenende einsetzen (was man schnell mal vergisst), und ihre Fähigkeiten sind auch nicht immer einfach zu merken.
Bisher hielt ich Tantrum für einen der am „aufwändigsten“ zu spielenden Gearlocs, weil man seine Wut so genau im Auge halten muss, aber Static pulverisiert das einfach mal. (Static pulverisiert ohnehin einfach alles, wenn er mal loslegt ...)
Drittens: Was ich Static wirklich vorwerfe ist, dass er mit einer der (für mich jedenfalls) wichtigsten, vielleicht sogar DER wichtigsten ungeschriebenen Regel überhaupt bei quasi allen CTG-Spielen bricht, und zwar der, dass man die Lebenspunkte-Chips von oben nach unten abbaut.
Mal im ernst, jeder, der die Spiele spielt, nimmt doch bei Lebenspunktverlust den Charakterchip mit einer guten Handvoll Lebenspunktechips, lässt die korrekte Menge an verlorenen Lebenspunktechips zwei Chipbreit entfernt klackernd auf die Matte fallen, und setzt den geschrumpften Stapel dann wieder auf die anderen, oder nicht? Ich kann doch da nicht der Einzige sein!
Static zwingt einen (oder mich) nun tatsächlich, die Lebenspunkte-Chips präzise von unten nach oben abzubauen. Grund dafür sind seine „electrified chips“, die kommen nämlich laut Regel so in den Lebenspunktestapel der Baddies, dass die Zahl der ausgegebenen „Knuckle“ Ressourcen der Menge an Lebenspunkte-Chips UNTER dem electrified chip entspricht. Zahlt man also 3 „Knuckle“-Ressourcen, müssen 3 Lebenspunkte unter dem Chip liegen. Der Chip fällt aber an Static zurück, wenn keine Chips mehr UNTER ihm liegen.
Hier hab ich ewig versucht die Regel zu begreifen, weil ich erst dachte, je weiter unten der Chip, desto besser für mich, der ich die Chips immer von oben abbaue. Also hatte man eine BESSERE Wirkung, wenn man WENIGER Ressourcen ausgibt. Der Knoten ist erst geplatzt, als mir aufging, dass man hier die Lebenspunkte wirklich von unten abbauen soll.
Vermutlich hausregle ich das, und ersetze „unter“ einfach mit „über“, dann passt es wieder, aber es war trotzdem schräg.
Na dann, kommen wir zu den guten Seiten:
a) Die Skills sind fantastisch! Bisher waren immer Gasket und Dart meine Favoriten, was coole und thematische Skills betrifft, und da ist ihnen Static mindestens ebenbürtig. Egal ob Roundhouse-Kicks, wilde „ich bewege mich auf dich zu und schmettere dir umso mehr Treffer ins Gesicht je weiter ich mich bewegt habe“ oder „Ich verwende deine Def gegen dich, indem ich sie dir erst wegnehme und DANN in Schadenspunkte verwandle“ oder eine der anderen fantastischen Ideen: Static atmet die Martial-Arts-Atmosphäre aus jeder Pore, und man kann sich lebhaft vorstellen, wie er meditierend auf dem Schlachtfeld steht und sich vermöbeln lässt, dabei immer stärker wird, und dann in einem Rutsch eine ganze Handvoll Fähigkeiten und Würfel auf die Gegner herabprasseln lässt. Das macht wirklich Spaß und ist äußerst thematisch. Entsprechend ist Static mit seinen 5 Lebenspunkten und seinem Innate-Skill, der ihn ggfs. direkt mit Bones in den Kampf starten lässt, auch dafür ausgelegt, am Anfang eher zurückhaltend zu agieren, und dafür dann in der zweiten Gefechtshälfte kräftig auszuteilen. Im Solo-Spiel ist das deutlich schwerer zu koordinieren, dürfte aber im Mehrspieler für glänzende Augen und spektakuläre Gemetzel sorgen. Den Spieler möchte ich sehen, der dabei nicht triumphierend grinst, wenn er die Lebenspunktechips in Schubkarren vom Feld schiebt.
Auf jeden Fall ist Static einer meiner Topfavoriten, um sie möglichst bald im Mehrspieler auszutesten!
b) Static ist einfach eine Damage-Maschine. Man muss ihn konzentriert und zielgerichtet spielen (was ja auch wieder thematisch hervorragend passt!), vielleicht manchmal auch mit einer Prise Risiko, aber dann sind hier wirklich unglaubliche Kombos und Möglichkeiten versteckt und ein Damage-Output, gegen den Ghillie plötzlich zum Baddie-Knuddler wird. Das macht schon wirklich verdammt viel Spaß!
Fazit: Mechanisch ablenkend kleinteilig, kontraintuitiv und manchmal etwas nervig zu steuern, ist Static vermutlich der thematischste und dazu einer der spaßigsten „Damage-Dealer“ aus dem gesamten Gearloc-Sortiment mit dem vielleicht schönsten Skillangebot neben Gasket. Einer der Gearlocs, bei dem jede Skill-Line nicht nur in sich spaßig und belohnend ist, sondern oft noch herausragende Wechselwirkungen mit den anderen hat, was zumindest mich dazu verführt, am liebsten alles nur in Skillwürfel zu investieren. Wenn man Static gut beherrscht, würde das vermutlich sogar reichen, denn die Stats sind für Static nicht zwangsläufig relevant, da er sie zumindest theoretisch über seine Skills kompensieren kann..
Von den 5 neuen Gearlocs ist Static der einzige, den ich direkt nach der ersten Kampagne gegen Barnacle nochmal gegen Kolossum ins Rennen geschickt habe, weil ich ihn nochmal spielen wollte. Solo ist er leider wieder nicht ganz der Bringer, im Mehrspieler aber vermutlich einer meiner Lieblings-Gearlocs.