Beiträge von Bierbart im Thema „20.09.-26.09.2021“

    Vielleicht sollte ich diesen Beitrag betiteln? Sagen wir: "Bierbarts Entfremdungsprozess von der Welt der Brettspiele, Teil 3: Wargames."


    Also, in dem Fall müsste ich, um dem geneigten Leser ein wenig auf die Sprünge zu helfen, zunächst verweisen auf die Teile 1 und 2.


    Teil 1 begann irgendwann ums Jahr 2011 herum. Das heißt, eigentlich begnann die ganze Geschichte ja selbstverständlich noch ein wenig früher. Ich war seit etwa 2008 komplett Feuer und Flamme für FFG-Spiele. Battlestar Galactica! Chaos in der alten Welt! Arkam Horror! Tide of iron! Kämpfen und Siegen! Das Drama! Ich brauchte mehr! Ich wollte alles entdecken! Entdeckt habe ich dann recht bald auch BGG, und da wurde mir erst so richtig bewusst, auf was für eine vielfältige, neue Welt ich da gestoßen war. Das war übrigens, als ich noch nicht so doof war und dusselige Spielberichte im Internet verfasste -- oder zumindest nur ausnahmsweise und nur des schnöden Geekgolds wegen. Ich war allerdings damals im Rückblick doof genug, um bestimmte Spiele von Uwe Rosenberg mitzuspielen, denn ich war jung und naiv, sodass ich annahm, dass alles, was auf BGG in der Rangliste weit oben steht, mir ebenfalls gefallen müsse. Ich wollte alles ausprobieren. Außerdem dachte ich, nebenbei bemerkt, so ein anständiges Grundarsenal an Spielen aller Couleur sei etwas sinnvolles. Ein, zwei gute Eisenbahnspiele. Ein Deckbauspiel. Ein Area Control. Ein 4X. Und so weiter. Den Gedanken kennen alle hier. Brauche ich nicht erklären.


    Als ich dann eines Abends auf einem der Freiburger Brettspieltreffs an einem Agricola-Tisch gelandet war und feststellen musste, dass mein spontaner Vorschlag, Ressourcen einfach frei unter den Spielern zu handeln, auf blankes Unverständnis stieß, da wurde mir zumindest eine Sache klar: Spielen ist bisweilen eine ziemlich ernste Angelegenheit. Es gibt Spiele, bei denen bitte jeder schön für sich alleine herumpuzzeln soll. Da ist Interaktion nicht gewünscht, da wird optimiert und nicht gespielt! Und außerdem natürlich, Regeln sind Regeln und Regeln sind dafür da, dass man sie beachtet, denn wir sind ja nicht mehr im Kindergarten, wo die kleinen Rotzer einfach jedes Spiel mit eigenen Regeln ausprobieren. Es war mein erster Kontakt mir einem modernen schweren Euro.


    Aber gut, wollen hier nicht über Sinn und Unsinn eines solchen Vorschlages diskutieren, denn hätte ich damals schon gewusst, was für einen Fauxpas ich mir mit diesem Vorschlag geleistet hatte, dann hätte ich natürlich schön die Schnauze gehalten und einfach einen schnuckeligen Backofen angeschafft. Und eine noch schnuckeligere Kuh dazu. Und den schnuckeligsten aller schnuckeligen Weidezäune...


    Es war der Stein des Anstoßes eben jenes Entfremdungsprozesses, auf den ich hier eigentlich hinaus möchte. Mir wurde zum ersten mal bewusst, dass es Spiele gibt, die ich entschieden, ganz entschieden nicht mag: Moderne, schwere, verkopfte, spaßbefreite, interaktionsarme Euros. Besonders solche mit Bauernhöfen.


    Teil 2 war ein schleichender Prozess, der sich ab etwa 2014 herum abgezeichnet hat. Das war das letzte Jahr, in dem ich ein p500 mitgemacht und mich allgemein noch über Neuheiten informiert habe. Ich schrieb Ende 2017

    Zitat

    Es gibt aber noch einen zweiten Grund dafür, warum ich ich keine Spiele von 2017 gespielt habe: Desinteresse. Ich kann mich in aller Regel für Neuheiten nicht mehr begeistern, das aber bereits seit gut drei oder vier Jahren. Ich gehe nicht auf die Messe nach Essen. Ich schaue nicht auf die Hotness-Liste bei BGG und versurfe auch wenig Zeit auf Brettspielseiten. Ich schaue keine Youtube-Kanäle zu Brettspielen. Ich gehe seit etwa 2013 auf keinen öffentlichen Spieletreff mehr, nicht ausschließlich, aber vor allem aus Unlust auf die erste und einzige Partie irgendeiner Essen-Neuheit, die irgendjemand mit Sicherheit dabei hat. Ich hake den unknowns-Marktplatz nach jedem Einloggen ungesehen ab. ABER: Ich freue mich sehr darüber, dass der Kern unserer langjährigen Spielergruppe in Freiburg weiterhin da ist und sich ebenfalls nicht auf jede Neuheit stürzt. So spielen wir, wenn es den überhaupt klappt, vornehmlich die Sachen, die wir schon länger kennen und mögen.

    ... und vor gut einem Jahr dann die Erkenntnis, dass ich quasi eine Art Nicht- bzw. Seltenspieler geworden war, und zwar hier:

    Zitat

    Die Entscheidung, den meisten Kram abzustoßen, hängt aber auch mit einer anderen Erkenntnis zusammen, die in den vergangenen Wochen und Monaten in mir gereift ist: Ich habe eigentlich gar keine rechte Lust mehr auf den ganzen komplizierten, langen, grübeligen, taubstummen Kram, der so tut, als wäre er eine soziale Aktivität. Ich finde in diesem Hobby inzwischen nicht mehr viel, was mich reizt.


    Nun der Stein das Anstoßes für Teil 3: Colonial Twilight.

    Zwei Partien letztes Wochenende. Ich kann es nicht leugnen: Ich habe fast jede Minuten von Colonial Twilight regelrecht gehasst. So langweilig. So öde. So zäh. Eine halbe Stunde gefühlt eine Ewigkeit. Ich dachte an tausend andere Dinge. Der kranke Baum bei uns im Garten und ob ich ihn noch retten könnte oder umsägen muss. Die Buchhaltung für den Verein. An S., in die ich fürchterlich verliebt war und bei der ich letztes Jahr abgeblitzt bin. Ob ich wieder das Rauchen anfangen soll. Ob das ganze mit mehr Alkohol und ohne die babybesessene Frau meines Freundes im Nebenzimmer vielleicht Spaß machen würde. Ich habe mir tausend mal gewünscht, ich wäre woanders. Schrecklich.


    Ich könnte nun -- denn wir schreiben hier ja vornehmlich Spielberichte -- genauer ausführen, was mir an Coplonial Twilight nicht passte; oder darüber schreiben, was das Spiel als Konfliktsimulation oder Wargame leistet, bzw. inwiefern hier der Konflikt adäquat dargestellt wird -- theoretiscch zumindest, praktisch aber weniger, denn ich habe nur mäßiges Interesse am Thema. Mein Standpunkt dazu wäre übrigens ganz allgemein: Macht euch nichts vor, lernen tut ihr nichts, es ist bestenfalls eine Inspiration, sich mit dem Thema zu befassen, und wen es wirklich interesserit, der lese ein Buch dazu oder schaue sich eine gute Dokumentation an. Man könnte auch erneut festhalten, dass Colonial Twilight derzeit der einfachste Einstieg in die COIN-Serie ist, dass das Spiegefühl wie immer ein sehr historisches ist; dass es vornehmlich ein taktisches und weniger ein strategisches Spiel ist; dass das Material ansprechend ist, die Regel gut geschrieben, usw. Könnte man alles, aber falls es irgendwem, der bis hierhin dabei geblieben ist, noch immer nicht klar geworden ist: Da habt ihr eine falsche Erwartungshaltung. In diesem Beitrag geht's um persönliches Empfinden und die Befriedigung eines Mitteilungsbedürfnisses, das ein unbedeutender Schreiber ungefragt und im Grunde genommen ungehört in die Welt absondert. Nur ein wenig Schaum auf dem unendlichen Meer des Internets.


    Jedenfalls, ich glaube, die Wahrheit ist schlicht und einfach: Ich mag keine Cosims. Und ich frage mich inzwischen, ob ich sie eigentlich wirklich jemals gemocht, oder mir nur selber etwas vorgemacht habe? Weil ich sie unbedingt mögen wollte? Wann hat mir irgendein Wargame seit Tide of Iron 2007 wirklich einmal so viel Freude bereitet wie damals? ASL Starter Kit? Gescheitert, keine Lust mehr drauf gehabt. Combat Commander? So gut wie nie gespielt. Blood and Roses, Warriors of God, Hammer of the Scots, Richard III, No Retreat... alles probiert und nie wirklich Spaß darangehabt. COIN-Serie? Immer irgendwie... interessant, aber es hat einfach nie so richtig gezündet! Alles immer irgendwie einfach nur anstrengend und viel zu ernst.


    Hier übrigens der sehr überschaubare Rest meines Spieleregals. Alles andere ist aussortiert und wartet darauf, unter anderen Spielern verteilt zu werden. Das schöne daran ist, um zum Schluss hin doch noch eine versöhnliche Tonart anzuschlagen: Wir haben Mitte der Woche Eclipse gespielt, und das war endlich wieder gut. Richtig, richtig gut. Feuer und Flamme.