Beiträge von fjaellraeven im Thema „Veränderung der Spieleszene oder sind die Spiele einfach nicht "gut" genug“

    Viele Punkte, die ich ebenfalls teile, sind bereits genannt wurden. Aus meiner Sicht ist das kein "Problem", was sich alleinig an Spielern oder Spielen festmachen lässt. Es ist vielmehr beeinflusst von diesen beiden und dem Faktor Zeit.


    Die Zeit ist ein wichtiger Faktor, da sie Einfluss auf die gesamte Spielelandschaft nimmt. Die Brettspiellandschaft ist in den letzten Jahren gefühlt stark gewachsen. Auch hier im Forum gab es viele neue Nutzer:innen, die sich in den letzten Jahren intensiv mit der Spielelandschaft zu beschäftigen begonnen haben oder wieder zurück gefunden haben. Dieser Zeitabschnitt war bereits geprägt von einem Überfluss an Spielen und dem großen Fokus auf eine ansprechende oder opulente Präsentation. Für viele Neueinsteiger stellen die alten Klassiker, die sich auch heute mechanisch noch gut spielen lassen, optisch ein Hemmnis dar. Nicht ohne Grund werden in den letzten Jahren viele alte Spiele mit angepasster Grafik neu aufgelegt. Natürlich werden auch Klassiker gespielt, aber die neuen Spiele, die ja auch aktiv damit werben eine Weiterentwicklung alter Klassiker zu sein, sind oft attraktiver und bekommen den Vorzug.


    Als Einzelperson ist man zudem einer Flut an Informationen ausgesetzt. Gerade hier im Forum oder der Community eine YouTubers/Podcasters/Bloggers entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl, sodass man Tipps zu anderen Spielen nicht einfach überliest, sondern diese unterbewusst auch für sich speichert. Man selbst mag Spiel X und Y soll laut Z ähnlich, aber einen Tick besser/hübscher/wertiger sein? Wandert auf die Liste. Spieler Z sagt auch, dass X gar nicht mal so gut ist, weil man ja Strategie A fahren kann oder immer Eröffnung B versuchen sollte, da C spielmechanisch gar nicht mal so gut durchdacht ist. "Ist das wirklich so?" fragt man sich dann und Zack möchte man Y auch mal ausprobieren und findet an Spiel X die Makel des anderen, die man selbst nicht gesehen hatte bisher. Das mag für den ein oder anderen weit hergeholt sein, aber genau das habe ich auch bei mir erlebt, was unter anderem zu einem Umdenken geführt hat vor Jahren.


    Jetzt ist es so, dass es ein Überangebot an Informationen gibt. Hier in den Wochenberichten werden unzählige Spiele besprochen und von einigen Nutzern lese ich durchgängig "tolles" oder "sehr gutes" Spiel, sodass ich mich frage, ob sie wirklich ein goldenes Händchen haben und ein Regal mit 500 Spielen über einer 8er BGG-Bewertung oder Spiele und deren Bewertung einfach anders wahrnehmen als ich. Das andere extrem sind kritischere Bewertungen. Zum einen wird dem Spiel von vielen zur Seite gesprungen oder es ist so, dass eine schlechte Bewertung einer bekannten/wortgewaltigen/medial präsenten Person das Interesse am Spiel deutlich ausbremsen kann. Für mich ist das aber weniger ein Fehler des Spiels, sondern der Konsumenten, die sich zu einfach mitreißen lassen - im Negativen wie im Positiven.


    Bei den Spielen gab es immer gute und schwächere Jahrgänge. Die Menge an Spielen hat in den letzten Jahren aber (gefühlt) extrem zugenommen. Aus meiner Sicht gibt es ein viel breiteres Mittelfeld an passablen Spielen, die mich persönlich ebenfalls keine 50 Partien fesseln würden. Als "Experte"/langjähriger Spieler mag ich das vor dem Kauf erkennen und diese Spiele gezielt auslassen, als Neueinsteiger ins Hobby zur heutigen Zeit gebe ich dem mittelmäßigem oder nur guten Spiel aber keine Chance auf die Anzahl an Partien zu kommen, da die Auswahl an anderen und vermeintlich besseren Spielen einfach so immens groß ist und damit auch die Verlockung ein anderes Spiel zu kaufen/spielen. Früher kam auch ein "nur" gutes Spiel leichter oft auf den Tisch.


    Spiele, die sich erst nach ein paar Partien entfalten, haben es zudem deutlich schwerer, obwohl es genau diese sind, die das Potential auf eine so hohe Anzahl an Partien bergen. Überzeugt ein Spiel in der ersten Partie am Tisch nicht, dann ist es oftmals schon gebrandmarkt und fristet ein Dasein im Regal - und wenn es nur wegen des einen Mitspielers ist, der es nicht mehr spielen möchte und lieber eines seiner ungespielten Spiele mitbringt. Für mich ist genau das nämlich das nächste Problem: Oft besteht eine Runde nicht nur aus einem Spieler mit Sammlung, sondern mehreren, die alle ihre Spiele auf den Tisch bringen können/möchten. Selbst wenn eine Person gerne die 50 Partien aus Gaia Project herausholen würde, scheitert das an den immer neu eintreffenden Spielen der anderen.


    Meine Brass: Birmingham Runde mit ferion , koala-goalie und rojack pausiert nun schon etwas länger, aber es war einfach schön jeden Dienstag Brass auf den Tisch zu bringen und gemeinsam an und mit dem Spiel zu wachsen. Für mich ist das weitaus befriedigender als jede Woche zwei neue Kickstarter anzuspielen oder die 20igste Iteration einen bekannten Mechanismus auszuprobieren.


    Die Branche wächst und schmeißt so viele Spiele auf den Markt, da sie gekauft werden. Natürlich ist es wichtig Spiele zu kaufen, da sonst auch keine neuen Entwicklungen auf den Markt finden oder schlicht das Kapital fehlt um neue Entwicklungen zu "erforschen". Trotzdem liegt die Entwicklung hin zu weniger Partien vorrangig an der Spielerschaft selbst. Wer hindert mich daran 20 Mal Terraforming Mars zu spielen? Das sind doch letztlich wir alle selbst, die sich von all den Meinungen und Informationen rund um uns herum anstecken lassen. Ich für meinen Teil lese diese Beiträge gerne und freue mich, dass andere für sich funktionierende Spiele gefunden haben, verspüre aber selbst nicht den Drang, mir all die positiv bewerteten Spiele zu kaufen. Mich erfüllt gerade das Reduzieren der Sammlung auf eine überschaubare Menge an Titeln verschiedener Genres, die für mich(!) alles richtig machen. Das hat den Vorteil, dass ich die Regeln meist maximal noch überfliegen muss vor dem Spielen. Die Auswahl, welches Spiel aus dem Genre auf den Tisch kommt, schränke ich schon dadurch ein, dass ich keine zehn ähnlichen Spiele besitze und neue Spiele sich beweisen müssen und am Ende ein Auszug steht - der des neuen oder eben der eines bereits vorher vorhandenen Spiels.


    Ich spiele meine Spiele gerne mehrfach, habe deswegen auch für fast alle Spiele hochwertige Inserts, aber was mich glücklich macht gilt nicht zwangsläufig auch für andere. Wenn andere lieber öfter andere Spiele spielen, dann ist das ein Trend, jedoch ein völlig legitimer. Am Ende geht es darum Spaß zu haben und auf welche Weise ich diesen habe, das ist mir überlassen.