Beiträge von Thygra im Thema „Veränderung der Spieleszene oder sind die Spiele einfach nicht "gut" genug“

    Ein ehemaliger Mitarbeiter des HDS hat mir erzählt, dass Erweiterungen in erster Linie der Kundenbindung und Imagepflege dienen und nicht unbedingt den Absatz des Grundspiels fördern.

    Jein.

    Erweiterungen dienen auch dem Marketing, weil ein Spiel durch eine Erweiterung "im Gespräch" bleibt. Das Spiel gerät dadurch weniger in Vergessenheit.

    Erweiterungen dienen auch dem Vertrieb, weil ein Spiel dadurch möglicherweise länger in Key Accounts gelistet bleibt. Wenn einem zuvor erfolgreichen Spiel "droht", den Listungsplatz einer großen Kette zu verlieren, könnte eine Erweiterung dafür sorgen, dass das Spiel seinen Listungsplatz doch ein Jahr länger behalten darf. Damit ist das Spiel dann in den Filialen dieser Kette weiterhin präsent.

    Blendwerk sind für mich verschiedene Dinge.


    a) Unnötig überproduziertes Material, dass spielerisch völlig unnötig ist (im Vergleich zum bereits hohen Standard), oder gar keinen Nutzen im Spiel selbst hat. Genau hier kommen die meisten KS ins Spiel.


    b) Viel BlingBling um irgendwie aufzufallen, während das Spiel dahinter entweder nichts mit der vorgegaukelten Vorschau zu tun hat und / oder das Spiel nicht wirklich viel zu bieten hat (das ist natürlich wieder subjektiv, auf der anderen Seite aber oft auch durch die BGG Ratings / Kommentare sichtbar).

    Zu deinem Punkt a): Hier finde ich schwer zu definieren, was "unnötig" ist.

    Ein Beispiel: Azul hätte anstatt mit den dicken Steinen auch mit dünnen Pappplättchen funktioniert. Insofern sind die Steine "überproduziertes Material" bzw. "unnötig". Aber die Steine haben eine tolle Haptik, das Spiel macht mit den Steinen viel mehr Spaß als mit Plättchen. Azul wäre mit einfachen Plättchen niemals so erfolgreich geworden wie es mit den Steinen wurde.

    Waren die Steine also nun unnötig oder nicht?

    Vor dieser Frage stehe ich als Redakteur übrigens ständig! Bei jedem neuen Spiel muss ich mir die Frage stellen, welche Komponenten ich verwende. Reicht es aus, nur auf gute Funktionalität zu achten? Kann ein hochwertigeres Material auch den Spielspaß steigern? Da spielen meist viele Faktoren mit, die man nicht immer während der Spielentwicklung richtig bewertet als Redakteur. Da ist die Grenze zwischen "unnötig" und "sinnvoll" manchmal sehr fließend.

    Die traurige Wahrheit ist, dass es heutzutage offensichtlich ausreicht die Käufer mit reinem Blendwerk zu fangen, vor allem, wenn die meisten ihre Spiele nur 0-2 Mal spielen.

    Nein. Das ist eine These, aber nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist wie immer irgendetwas zwischen den Extremen von Schwarz und Weiß, also eine Graustufe.

    Ja, es gibt Verlage, die gerne mal das eine oder andere Spiel mit Blendwerk rausbringen. Und ja, es gibt Verlage, die keinen so großen Wert darauf legen, dass ein Spiel auch nach 10 Mal spielen noch Spaß macht. Aber das ist alles nicht der Normalfall. Der Normalfall (zumindest bei den etablierten Verlagen) ist, dass Redakteure Spiele mit einem niedrigen Wiederspielreiz ablehnen. Und der Normalfall ist auch, dass Redakteure sich bei Spielen, an denen sie arbeiten, generell viele Gedanken dazu machen, wie sie den Wiederspielreiz noch erhöhen können. Nicht selten wird dies durch größere Variabilität erreicht.

    Man schaue sich doch nur mal an, wie oft inzwischen Spiele erscheinen, die schon Erweiterungsmodule enthalten. Oder viele unterschiedliche "Charaktere" wie bei Terra Mystica oder Spirit Island etc. In meiner Wahrnehmung geschieht so etwas heutzutage viel öfter als vor 15 Jahren. Und das unterstreicht eher das Gegenteil deiner These.

    Im Thread zum Thema "Hat sich die Spieleszene verändert" hat hellvet in meinen Augen zutreffend beschrieben, dass viele Spiele nur noch 2-3x gespielt werden und dann immer wieder was neues kommt.

    Ich denke, das trifft nur für einen Teil der Szene zu. Es gibt nach wie vor viele Menschen, die Spiele auch ein paar Dutzend Mal spielen. Die tummeln sich aber seltener in Foren wie diesem, weil sie nur selten auf der Suche nach neuen Spielen sind.