Beiträge von Dirtbag im Thema „Coop Sandbox Abenteuerspiele (Overland Crawler)“

    Hm, schwieriges Thema.

    Ich kann nachvollziehen, was du gerne hättest. Die Frage nach diesem perfekten Spiel habe ich mir selbst auch schon oft gestellt. Aber: Ich glaube, dass das Medium "Brettspiel" dafür nicht geeignet ist.


    Für mich ergibt sich eine Geschichte vor allem dann, wenn ich als Spieler einen ausreichend starken Identifikationspunkt habe und ich mit meinen Überlegungen und Handlungen mit der Welt möglichst umfangreich und thematisch stimmig interagieren kann. Wohl gemerkt: Interagieren. Ich beeinflusse, werde aber auch beeinflusst. Idealerweise liegt also ein voll dynamisches Feedback vor. In der Regel braucht das einen gewissen Detailgrad, um die Interaktion mit der Spielwelt entsprechend in Szene zu setzen. Und es braucht eben eine auf mich reagierende Umwelt.

    Persönlich finde ich diesen Part vor allem in entsprechend detaillierten Skirmishern mit menschlichem Gegenspieler. Earth Reborn, Infinity, Warmachine. Der Rahmen ist gesetzt (über die Missionsbeschreibung), wie sich die Mission aber entwickelt, das liegt ganz allein an den Aktionen von mir und meinem Mitspieler.


    Natürlich fehlt jetzt der Overland-Teil. Dessen Reiz es ist, sich nicht immer nur durch den immer gleichen Sumpf oder die hundertste Kraterlandschaft oder Lagerhallenansammlung zu kämpfen, sondern mal in die Berge zu gehen, mal das Seenland zu besuchen, sich im Nebel zu verirren, verschiedene Städte zu besuchen... Nur muss das halt irgendwie auf den Tisch. Und es sollte noch irgendwie spielbar sein, ohne in einer Regelflut zu ertrinken.


    Womit wir bei Runebound o.ä. sind und dessen Abstraktionsgrad akzeptieren. Ein Dungeon verkommt zu einer Karte, die Reise entlang einer Strasse zu einem "Ich bewege mich drei Felder über die Strasse". Und Runebound dauert mit seinem recht simplen Kampfsystem zu zweit auch schon 2-4 Stunden. Hexplore It gerne auch mal 12h. Hätten wir da ein Kampfsystem, das uns ermöglicht, wirklich mit der Welt in Interaktion zu treten, dann endet das Spiel nie. Vom Verwaltungsaufwand mal ganz abgesehen.

    Und wir sind immer noch beim stumpfen Draufhauen / Würfeln. Wir haben keine Diplomatie, keine Gespräche. Das Verirren im Nebel ist ein Ereignis "Ihr lauft im Nebel durch den Sumpf. Macht eine Probe auf X. Wenn Fehlschlag, dann Y".


    Ich denke deshalb, bei Overland Crawlern ist einfach die Frage, was dir persönlich wichtig ist und welche Kompromisse zu einzugehen bereit ist. Denn ohne Kompromisse - so mein Gefühl - wird es nicht gehen.


    • Pen & Paper: Der Storytelling- und Overland-Crawling-Königsweg. Alles ist möglich, aber es muss halt auch Zeit investiert werden, insbesondere vom Spielleiter. Je ausgefallener das Setting, desto mehr wird von allen gefordert. Hier ist wirklich viel Geschichte, viel Erlebnis möglich.
    • Andor & Co: Hier wird eine Geschichte nachgespielt, die zwar relativ detailliert ist, dafür aber bei der Freiheit und beim Detailgrad ziemlich Abstriche macht. Dafür ist das Ganze aber auch im vernünftigen Zeitrahmen spielbar.
    • Runebound & Hexplore It: Der Fokus ist ganz klar die Charakterentwicklung, der Rest dient nur als Mittel zum Zweck. Die erzählte Geschichte (zumindest bei mir) ist "Damals, als ich mit meinem Necro die Untoten-Armee erschaffen habe" oder "Und dann hab ich mit dem Melee-Zauberer die Riesen in den Städten weggehauen". Es gibt Variationen, grade bei Runebound über die Erweiterungen, aber der Charakter bleibt imho der Mittelpunkt.
    • Immersives Storytelling: Verbrettspielte Bücher, die mit viel Text und viel Aufwand versuchen, die Rolle eines Spielleiters zu übernehmen. Kommt selten ohne viel Lesen aus, dafür gehst du hier halt durch den wabernden Nebel, während das Wasser sanft gegen deine Lederstiefel schwappt und du in der feuchtkalten Düsternis gedämpftes Schmatzen von sich nähernden, schweren Schritten hörst...


    Meine beiden Favoriten bei den Overland Crawlern sind ganz klar Runebound 2nd und Hexplore It.

    • Runebound ist kürzer, und bietet über die Erweiterungen recht viel Abwechslung. Sands of Al'Khalim will erfüllte Quests für den Spielsieg, Midnight braucht echte Zusammenarbeit gegen das übermächtige Böse, Frozen Wastes hat 2 (oder 3) alternative Siegbedingungen, Mists of Zanaga hat im Arkham-Style erwachende Gottheiten. Und dann hats ja noch tonnenweise kleine Erweiterungen.
    • Hexplore It ist Charakterentwicklungs-Overkill für Leute, die das mögen. Sands of Shurax find ich persönlich super, ist aber sicherlich nicht der beste Einstieg. Da ist imho der Dead King oder Forests of Adrimon viel, viel besser geeignet.


    Worauf ich persönlich mich sehr freue ist die Kampagnen-Erweiterung zu Hexplore It (Klik's Madness). Ich habe das Prequel zweimal gespielt, und während auch hier viel Lesen involviert ist, so fand ich es doch eine angenehme Mischung aus "über die Karte bewegen" und "Lesen". Vor allem, weil die beiden Ebenen sinnvoll miteinander verwoben waren. Mir hat es schöne Story-Erinnerungen - analog zu Skyrim oder Witcher - beschert, und ich freue mich darauf, diese Welt weiter zu erkunden.

    Wenn du Hexplore It - Dead King haben solltest, dann würde ich dir empfehlen, das Prequel mal auszuprobieren.


    Vielleicht ist auch das kommende Abenteuerspiel vom Xia-Macher eine Option, wer weiss. Aber ich vermute stark, dass auch dieses Spiel irgendwo wird Abstriche machen müssen, um im vernünftig handhabbaren Rahmen zu bleiben.