Beiträge von amphiaraos im Thema „Nichtspieler und die Einstiegshürde der Spielregeln“

    Wäre es nicht einfacher, eine gut strukturierte und formulierte Regel dem Spiel beizulegen statt sich mit den produktionstechnischen, technischen, finanziellen und juristischen Fragen von Regelvideos zu beschäftigen?


    Zumal ich es als zerstörend empfinde, wenn ich beim gemeinsamen Erlernen eines Spieles ein Video schaue statt gemeinsam durch die Anleitung zu gehen. Und um meinen Gedanken nochmal aufzugreifen: Ich nutze Videos, weil mir die Anleitung keinen (mir passenden) Zugang zum Spiel bietet. Es heißt nicht, dass Videos das grundsätzlich besser machen, ganz im Gegenteil, meiner Meinung nach schaffen das auch mit dem Mittel nur die wenigsten (Watch It Played führe ich da mal als löbliches Beispiel an, von denen ich aber auch nicht jede Erklärung super finde).

    Ja, das stimmt wohl, die Bereitschaft, sich in ein komplexes Regelwerk einzulesen, ist sicherlich in den letzten Jahren nicht gestiegen. Aber, und das ist mein Punkt, ich denke, dass die meisten Anleitungen einfach von Brettspielexperten gemacht werden, denen es schwer fällt, sich in Köpfe von Gelegenheitsspielern einzudenken.


    Ich habe wirklich kein Problem, mich ausführlich damit zu befassen, im Gegenteil: Die Auseinandersetzung mit der Box, dem Spielmaterial und der Anleitung machen für mich einen großen Teil des Reizes aus. Wenn mich aber die Anleitung aufgrund ihrer (Un)Struktur(iertheit) auf Seite 2 verliert, fällt es mir einfach schwer, mich weiter mit dem Spiel auseinanderzusetzen, was mich zu einem negativen Multiplikator macht (GESELLSCHAFTSspiel!). Und: Viele Videos machen es ja nicht besser. Auch die Erklärungen kommen von Freaks, die in maschinengewehrartigem Tempo Aufbau und Aktionen erklären, ohne einen roten Faden aufzunehmen und den bis zum Ende zu verfolgen. Auch das überfordert mich.


    Tut mir leid, dass ich da so klagend rüberkomme, aber halte mich nicht für den dümmsten Menschen unterm bayerischen Himmel, und die wenigen positiven Highlights beweisen ja, dass es funktioniert. Ich bin sicher, dass die Anleitung von #AeonsEnd wesentlich mehr Menschen schneller und begeisternder ins Spiel zieht als #Tapestry (ähnlicher BGG-Weight, eine gute gegen eine nicht so gute Anleitung).


    Und: Gerade im Moment befassen sich offenbar mehr Menschen weltweit mit Brettspielen als je zuvor. Wie toll wäre es für alle, an denen etwas an dem Hobby liegt, wenn die Anleitungen "massenkompatibler" wären, damit mehr Menschen nach dem Anfangs-Enthusiasmus auch bei der Stange bleiben. Wenn ich mir die Regeldiskussionen hier oder auf BGG ansehe, gibt es bei allen Firmen / Autoren erstaunlich viel Luft nach oben, wie ich feststellen muss. Meiner Erfahrung nach sollte in eine Anleitung ebenso viel Aufwand einfließen wie in die Entwicklung des Spieles. Und da habe ich arge Zweifel, dass die Entwicklung der Anleitung eine ähnliche Gewichtung hat bei einem Verlag wie die Entwicklung des Spiels selbst.


    Das ist wie das Zusammenspiel aus Drehbuchautor, Regisseur und Produzent im Filmbereich. Ein herausragender Film braucht herausragende Leistungen in allen drei Jobs. Wenn nur einer seine Arbeit nicht richtig macht, wird der Film einfach nicht mehr so gut - oder sogar richtig schlecht.


    Und ja, ich weiß, dass das nicht alle so sehen, aber um bei der Metapher zu bleiben: Ein guter Film findet auch sein Publikum, aber ein herausragender Film findet einfach ein größeres Publikum.

    Ich bin jetzt seit einem Jahr wieder Brettspieler. Aber die Auseinandersetzung mit Anleitungen bringen mich immer wieder zu Überlegungen, den ganzen angesammelten Mist wieder zu verkaufen. Auf mich treffen exakt all die Probleme zu, die hier schon genannt wurden.


    Aktuelles Beispiel aus der Anleitung zu #UnderFallingSkies :


    "Du musst 2 weiße Würfel einsetzen, also musst du zweimal neuwürfeln - oder nur einmal, falls du einen weißen Würfel als letzten einsetzt. Wenn du fertig bist, wird je 1 Würfel in jeder Spalte liegen." Selbst nachdem ich verstanden hatte, wie das gemeint war, fand ich die Formulierung zumindest unglücklich. Der Kasten darüber (der im übrigen die Informationen enthält, die man benötigt, um den Folgesatz überhaupt zu verstehen, weswegen ich den durchaus vorher besser hätte durchlesen müssen) gibt relativ klare Anweisungen, die man aber erst nachvollziehen kann, wenn man die Anleitung einmal komplett durchgelesen hat. Zu dem Zeitpunkt weiß ich ja noch nicht, was die Räume bewirken und warum ich in jede Spalte nur einen Würfel legen darf. Die Formulierung "Bitte beachten: Die Platzierung eines weißen Würfels löst sofort ein Neuwürfeln aller noch nicht platzierten Würfel aus, nur dann nicht, wenn du als letztes einen weißen Würfel platzierst" wäre beispielsweise bei mir viel klarer angekommen.


    Von solchen Beispielen habe ich tausende. Deswegen ist die Erarbeitung eines neuen Spiels bei mir in der Regel (haha!) mit viel Frust verbunden - der übrigens auch nicht kleiner wird, weil ich mir immer wieder Videos dazu anschaue, um die Auseinandersetzung mit dem Regelheft zu Beginn vermeide. Dadurch lese ich Anleitungen noch weniger. Aber ich brauche erst einen groben Überblick über das Spiel selbst, damit ich gelesene Informationen besser einordnen kann.


    Und das ist das, was hier auch schon diskutiert wurde. Vielspieler und Vielregelleser haben kein Problem, die entsprechenden Anleitungen frustfrei zu verstehen. Meistens sind die Menschen, die diese Anleitungen schreiben, auch Leute aus dieser Gruppe. Das ein beispielsweise einer der Hauptgründe, warum mein #SpiritIsland hier immer noch ungespielt rumsteht.


    Löblichste Ausnahme in den knapp 13 Monaten seit ich mit wieder mit Brettspielen befasse: Die Anleitung zu #AeonsEnd. Ich habe kein Video gebraucht, es war genauso strukturiert, dass auch ich das verstanden habe (bis auf die Riss-Mechanik) und bin begeistert. Alle anderen Sachen, mit denen ich keine Probleme hatte, waren Kinderspiele und Spiele auf Einsteigerniveau.


    Ich erinnere mich an den SPIEGEL-Artikel über den Erklärer von Würfel und Zucker, der sagte, wenn man erstmal 300-500 Spiele gespielt hat, sind Anleitungen und Erklärungen auch von komplexeren Spielen kein Problem mehr. Manchmal zweifle ich, ob ich den Punkt überhaupt erreichen werde.


    Daher an der Stelle: Großes Lob an GenusSolo, der zwar immer sehr lange Videos macht, aber selbst mich Regellegastheniker immer mitnimmt.