Beiträge von Calredon im Thema „Nichtspieler und die Einstiegshürde der Spielregeln“

    Oder wenn man Youtuber beauftragt, die es für einen Bruchteil im Vergleich zu einer Produktionsfirma machen.

    Aber dann ist das Geschrei wieder groß von wegen Objektivität etc. Darf ein Youtuber, der mal ein Erklärvideo für einen Verlag gemacht hat dann noch Spiele des Verlages rezensieren? Und bekommt er dafür Geld? Ist das Werbung?

    Verlage/Autoren möchten sicher auch mitreden, wenn sie selber so etwas beauftragen. Ist der Youtuber dann noch unabhängig?

    Better Board Games hat ja zusammen mit Skellig ein Erklärvideo zu On Mars gemacht. Ein kleiner Verlag kann das wohl in dieser Form für einzelne Spiele machen, aber Pegasus z.B. wird keinen Mitarbeiter abstellen können um für sämtliche Spiele im Portfolio Videos mit Youtubern zu machen. Das würde dann mehr Personal benötigen und damit möglicherweise die Kosten der Spiele nach oben treiben.

    Archibald Tuttle danke für die Informationen! Ich rege mich ja nicht wirklich auf. Natürlich sehe ich dass mein Sohn deutlich besser Informationen aus Videos mitnimmt als ich und dass er mit einem PDF weniger anfangen kann als ich. Genauso wie ich bei mir selber sehe dass ich mit digitalen Medien besser klarkomme als meine Eltern, die eine Zeitung aus Papier brauchen und sich schwer damit tun die Zeitung digital zu lesen, während mir die Papierzeitung mittlerweile fremd geworden ist.

    Meine Frau hat für ihr Studium *immer* mit Musik im Hintergrund gelernt, ich brauche zum lernen absolute Stille - jedes Geräusch lenkt mich ab. Dass Menschen individuell lernen ist mir klar.

    Trotzdem glaube ich in meinem Umfeld zu sehen dass es vielen Menschen, die das mal deutlich besser konnten immer schwerer fällt sich aktiv Wissen zu erarbeiten, weil sie zunehmend passiv Videos schauen. Sie merken sich zwar alles, aber das wirkt dann später wie auswendig gelernt und nicht wie verstanden. Und wenn dann eine Situation vom Standard abweicht, kommen sie mit dem auswendig gelernten Wissen nicht weiter, weil sie es nicht verstanden haben.

    Deswegen werden doch mittlerweile auch professionelle Lehrvideos immer häufiger interaktiv gestaltet, weil wohl die aktive Eigenleistung dazu beiträgt, die Inhalte zu verstehen. Mein Arbeitgeber hat die jährlich wiederkehrenden Schulungen auch interaktiv gestaltet, mit Moderatoren in einem Studio vor Greenscreen, es gibt immer wieder Pausen, wo man dann im Video Fragen beantworten oder Begriffe zuordnen muss. Seitdem fällt es mir deutlich leichter die einzelnen Themen zu verstehen. Unter dem alten Arbeitgeber gab es nur "Videos" mit Powerpoint-Folien und einem Sprecher. Da bin ich regelmäßig nach 15 Minuten eingeschlafen.

    Übertragen auf Spielregeln glaube ich deswegen schon dass es einigen (nicht allen !!) schwerer fällt Regeln zu lesen und zu verstehen, obwohl sie das mal konnten, weil durch die Informationsverlagerung diese Fähigkeit einfach nicht mehr so oft genutzt wird.

    Aber selbstverständlich kommt es auch schlicht und ergreifend auf die Erfahrung an: Als wir vor Jahren das alte "Abenteuer in Mittelerde" bekamen haben wir es zweimal aufgebaut und versucht zu spielen, sind aber grandios gescheitert - zu schwer, zu komplex, haben wir nicht verstanden. Heute fragen wir uns was daran so schlimm war, und wagen uns ohne größere Probleme an Spiele wie On Mars oder Mage Knight, die verglichen mit Abenteuer in Mittelerde doch schwieriger sind. Und damit kann ich mich dann dem Ausgangspost anschließen: Wenn man es nicht gewohnt ist Spielregeln zu lesen und regelmässig zu spielen, sind aus unserer Sicht scheinbar klare einfache Dinge eben gar nicht so klar und einfach.

    Ich fürchte ein Teil des Problems ist, dass einfach das Leseverständnis nachlässt, weil allgemein weniger gelesen und immer mehr über Videos erklärt wird, nicht nur im Spielebereich. Wir verlernen es langsam, uns etwas zu erarbeiten, weil immer mehr fertig portioniert als Video zum passiven Konsum präsentiert wird. Es ist imho ein Unterschied, ob mir jemand live am Tisch etwas erklärt, wobei ich als aktiver Teilnehmer eine Rückfrage stellen, Material anfassen oder mir eine Karte ansehen kann, oder ob ich mir die gleiche Erklärung als Video reinziehe, wo ich nur Zuschauer bin.

    Videos mögen ja in einigen Fällen hilfreich sein, aber gefühlt wird mittlerweile für jeden Zweizeiler ein 4-Minuten-Erklärvideo angeboten. Sucht man im Internet nach einem Tipp, den Energiesparmodus bei Windows 10 zu deaktivieren, führt der erste Treffer zu Chip, wo es zwar auch einen erklärenden Text gibt, aber zuerst zwei Videos losdudeln.

    Wir lesen die Regeln meistens beide, unabhängig voneinander, und normalerweise haben wir dann keine grundsätzlichen Verständnisprobleme. Detailfragen tauchen immer mal auf, auch und vor allem weil man nicht richtig oder aber zu viel nachdenkt. Im Vorfeld, bevor ich ein Spiel bekomme, schaue ich mir auch gerne mal ein Regelvideo an, nachdem ich die Anleitung gelesen habe, weil ich manchmal das Spiel aufgebaut und in Bewegung sehen muss, um das Gelesene komplett zu verstehen: Bei On Mars fanden wir die Anleitung gut und verständlich geschrieben, aber ich sehe gerne das ganze Spielfeld vor mir. Da war dann das Video von Paul Grogan eine sehr gute Ergänzung und hat ein paar Fragezezeichen in Ausrufezeichen verwandelt.

    Wenn wir Brettspiele, auch komplexere, an unsere rollenspielenden oder lesenden Freunde verleihen bzw. mit ihnen spielen kommen so gut wie nie Rückfragen, und die Spiele werden schnell verstanden. Da ist man es gewohnt, oft und viel zu lesen, und es ist kaum ein Problem Regeln zu verstehen.

    Bei anderen Freunden, die wenig lesen und selten spielen scheitert es bereits an einfachen Familienspielen: Da werden die Regeln nicht verstanden, egal ob gelesen oder erklärt, und Spiele komplett falsch gespielt. Da verzweifelt man an Sushi Go oder Elfenland .. und die sind nicht "doof" oder "ungebildet". Denen ist aber die Fähigkeit abhanden gekommen, eine Erklärung zu verstehen, egal ob die jetzt geschrieben ist oder am Tisch erklärt wird, weil sie komplett auf Animationen und Videos geeicht sind.