Beiträge von Archibald Tuttle im Thema „15.03.-21.03.2021“

    Magst du kurz erörtern, wieso das Spiel durch die Haggis Erweiterung drastisch komplexer wird? Bei uns war der Eindruck, dass es durch diese Erweiterung wesentlich zufälliger wird, da man dem Würfelglück ausgeliefert ist. Seitdem verstaubt diese Erweiterung in der Schachtel. Vielleicht haben wir da etwas übersehen?

    #GlenMore2Chronicles

    Schlicht verwechselt. Ich meinte die Dubious Tour. Danke fùr den Hinweis. Haggis fanden wir auch eher mau.

    Ich hatte mehrere Tage Besuch von einem befreundeten Ehepaar aus dem hohen Norden, die beruflich in der Gegend waren und (dank Schnelltests) dann ein paar Tage lang vor Ort blieben, um laaaange Spieletage gemeinsam zu gestalten. Eeeeendlich mal wieder in der größeren Gruppe gespielt, es war großartig! Und so kamen dann endlich einige der lange schon herumliegenden ehemaligen "Neuheiten" auf den Tisch:


    - #Faiyum: Definitiv für mich neben Paleo der heißeste Kandidat fürs Kennerspiel des Jahres. Zu zweit nicht ganz austariert, ist es zu viert ein großartiges Aufbauspiel. Dass nichts gebaut wird, ist in der Konstellation gar nicht mehr möglich, im Gegenteil, der Spielplan ist so voll, dass man es kaum noch schafft, genug Arbeiter wieder zurückzuholen, um sie wieder einsetzen zu können (wenn durch zwei aufeinander folgende Verwaltungen dann auch noch ausgerechnet die einzige Karte, die Arbeiter vom Plan holt, auf Nimmerwiedersehen verschwindet, wird es richtig übel). Die Punktezahlen sind dann schon astronomisch, wenn man den Pharao dann noch insgesamt 4mal spielen kann, wie es dann einer Mitspielerin dank des Papyrus gelang. Aber das ist auch Teil des Spaßes - denn so eine Situation wird sich dann in den Folgepartien garantiert nicht wiederholen lassen, dafür ist die Anlage des Spiels viel zu volatil. Das sorgt aber gleichzeitig auch für ein ziemlich aufregendes Spielgefühl, da sich jede Partie grundlegend anders spielt als die vorangegangene. Und so richtig daneben gegangen (wie bei Friese sonst schonmal gerne) ist bei uns noch keine einzige Partie. Also, KdJ für Friese (und wenns Rustemeyer wird, ist das auch völlig angemessen und okay, aber dem Friedemann gönn ich es aufgrund der jahrelangen Tätigkeit noch etwas mehr als "Ehrenoscar").


    - #PragaCaputRegni : Puuh. Schwieriges Thema, schwieriges Spiel. Ich war ja ursprünglich von Grafik und Mechanismen schwer begeistert, der erste Spielversuch brachte eine große Ernüchterung. Gottseidank lief es dann mit richtigen Spieler*innen deutlich besser, aber ich gebe zu, nach jetzt vier Partien bin ich immer noch unentschlossen, ob ich es richtig toll oder nur ein bißchen toll finde. Effektiv gibt es sieben oder acht Wege zum Ziel, und man muss sich gut überlegen, welche dieser Wege man parallel mit den wenigen Aktionen beschreiten will, die man zur Verfügung hat. Wenn wirklich ein Sieg nur über blaue und rote Ecken möglich ist, dann mag ich es tatsächlich nicht so richtig gerne, denn alle anderen Spielelemente finde ich eigentlich spannender und interessanter. Aber noch mag ich das nicht glauben, und selbst das Spielen auf diese Kombi will zumindest mir nicht im gleichen Maße wie von Huutini beschrieben gelingen (was nichts heißen muss, da mir das Spiel so auch keinen Spaß macht). Mein Problem hier ist: Ich will die Kombinatorik ergründen, ich hoffe ja immer noch, dass sich wie bei Tawantinsuyu der Bauch des Spiels nach ein paar Partien noch öffnet und es ermöglicht, alles gleichzeitig in schwindelerregende Höhen zu treiben, also alle Gebäude und Straßen zu erobern. Aber nein, es ist offenbar eher Tekhenu, und man muss sich doch auf bestimmte Elemente konzentrieren, sonst ist man ein faules Ei in der Karlsbrücke. Aber ich bin auch froh, denn ich bin ein schlechter Spieler und finde daher noch nicht das Ei des Kolumbus, und noch macht es Spaß, an diesem seltsam barocken, überfrachteten Golem von Spiel herumzutüfteln wie der Student von Prag.


    - #GlenMore2 : Vorab: Zum ersten Mal in 40 Jahren Brettspielkarriere habe ich eine Hausregel bei einem Spiel eingeführt, wir haben MacLachlan generft (darf nur einmal pro Zug genutzt werden). Ohne das zu tun hatten wir keinen Spaß mehr am Spiel, aber jetzt ist es wieder richtig gut, und so langsam werden die Punktezahlen auch ordentlich hoch. Die Dubious Tour ist aktuell meine Lieblingserweiterung, da sie das Spiel nochmal drastisch komplexer macht. Wirklich eine runde Sache, und ich freue mich nach wie vor auf die neue Erweiterung und den versprochenen Solomodus.


    - #Calico: Ach du Sch... Ein Katzenpatchworkpuzzlelegespiel, und meine Güte, das sieht so niedlich aus, und dann raucht Dir aber sowas von der Kopf weg. Wie schon bei #Arboretum stehe ich davor und schaue meinen Mitspielerinnen staunend dabei zu, wie sie Knopf an Knopf und Katze an Katze legen, und (nach meinem Gewinn des allerersten Spiels, was gefühlt totaler Zufall war) jetzt 80 Punkte rausholen, während ich da irgendwo bei 50 herumdümpele. Erinnert mich in der Komplexität an das ziemlich untergegangene Carossell, da waren es weniger Wertungen, aber eine kompliziertere Vorbereitung. Hier macht es die Tatsache, dass man drei Wertungen gleichzeitig vorzubereiten versucht, zum Hirnverzwirbler par Excellance. Immerhin, das ist das eine Spiel, was mein Besuchspärchen sofort kaufen wird.


    - #Everdell: Hmm. Vor Jahrzehnten habe ich mal eine Filmkritik gelesen (ich glaube, sie war von H.C. Blumenberg), in der er sich über den "synthetischen Film" beschwerte. Damit meinte er Filme, die einfach die erfolgreichsten Elemente der Filme der letzten Jahre neu kombinierten, ohne ihnen einen irgendwie gearteten eigenen Impuls mitzuverleihen. Das beschreibt für mich die Spieleerfahrung Everdell ziemlich perfekt. Ich erkenne eigentlich alle Mechanismen aus anderen Spielen wieder, da ist nichts, aber auch wirklich gar nichts originelles dran. Es macht Spaß, die Kartenkombinationen zu finden (weniger Spaß macht es, dass man dann erst durch Lesen des Glossars herausfindet, dass man das Verlies nur einmal hätte benutzen dürfen, warum steht das nicht eigens auf der Karte?). Es sieht hübsch aus, der Baum ist ein total unnützes Gimmick, aber das Spiel fühlt sich für mich wirklich völlig seelenlos an. Meine Mitspielerinnen haben es hingegen geliebt, die haben es dann auch zum Abschied geschenkt bekommen. Witzigerweise mag ich Flügelschlag mehr, seit ich Everdell gespielt habe, das ist dagegen ein Quell inspirierten Spieldesigns.


    - #DieAbenteuervonRobinHood: Holla, das ist gut. Das ist sogar richtig gut. Ein Storytelling-Spiel, das ist ja eh mein liebstes Spielgenre, und dann auch noch gekoppelt mit einer großen Freiheit des Ausprobierens auf dem Spielplan. Und endlich wieder ein Spiel, bei dem man getrost behaupten kann, dass es für die ganze Familie geeignet ist. Die KInder hatten einen Mordsspaß, und den haben sie bei Brettspielen zuletzt eher selten gehabt. Wir haben erst zwei "Kapitel" gespielt, ich will auch nicht spoilern, aber hier ist Menzel/Kosmos ein gaaaanz großer Wurf gelungen, der sich auch beliebig in Richtung RPG erweitern lässt. Ich hoffe bloß, dass es auch dazu kommt, und man auch andere Themen mit reinholt (das gleiche Spielesystem würde z.B. mit Weltraumsetting hervorragend funktionieren, auch wenn das ja leider in D meistens nicht so populär ist).


    - #RedOutpost: Ein Mehrheitenspiel auf Speed, das wirkt als wäre es aus den 2000ern herausgefallen, aber dann mit modernen Mitteln aufgemotzt und auf Tempo 200 beschleunigt worden. Die thematische Umsetzung der sowjetischen Marskolonie im Look der Stalinopern der 1950er ist großartig, das Arbeitslager nun wirklich kein Grund sich über das Spiel aufzuregen. Zu zweit ist es eine fiese Hetzjagd, wo man versucht den Mitspieler zu falschen Entscheidungen zu bringen und vor sich her zu scheuchen. Zu viert spielt es sich wirklich erstaunlich anders, fast schon harmonischer, auch wenn hier Ärgern immer noch an der Tagesordnung ist. Wenn die Mitspieler*innen Ärgerspiele abkönnen, kenne ich aktuell nichts besseres in dem Genre.


    Außerdem wurden einige ältere Spiele mal wieder hervorgeholt, darunter #Fresko (mit der neuesten Erweiterung, da sind zwei richtig richtig gute und endlich mal relativ glücksbefreite Module drin), #Alhambra (mit den Erweiterungen der Designer's Edition, bei denen einige richtig gute Sachen dabei sind), und #SkullTales wurde als Kampagnenspiel wieder entstaubt, in Vorfreude auf die neue Mini-Erweiterung, die hoffentlich bald gedruckt wird. Bei Skull Tales müsste man wirklich einmal ein Living Rulebook organisieren, mittlerweile haben wir soviele Bereiche durch eigene Regelinterpretation uminterpretiert, dass ich gar nicht mehr sicher bin, wie sehr das noch mit den "Originalregeln" vereinbar ist. Aber es schadet dem Spielspaß nicht. Vielleicht schreib ich nochmal etwas zu Fresko und Alhambra, wenn wir alle Erweiterungen gespielt haben.


    Morgen gibt es dann noch inspiriert von den Kampfthreads hier einen langen Tag mit Arkham Horror all-in, bevor der Besuch wieder abreist. Wird hoffentlich genauso chaotisch-anstrengend, wie das sein muss - die letzte Niederlage nach 8 Stunden muss doch wiedergutgemacht werden. :D