Beiträge von MetalPirate im Thema „Farben in Brettspielen“

    Es gibt aber Spiele, da scheint das Bewusstsein nicht so ausgeprägt zu sein. Ich nehme mal die Karten in Maracaibo. Da wird mit einem Rand aus unterschiedlichen Kordeln differenziert, wo die farbliche Differenzierung einer Person in unserer Runde echt schwer gefallen ist.

    Der Unterschied zwischen hellbraunen und dunkelbraunen Seilen im Kartenrand bei Maracaibo hat mit Farbfehlsichtigkeit rein gar nichts zu tun. Diese Karten können Menschen mit Rot-Grün-Schwäche exakt genauso gut oder schlecht unterscheiden wie alle anderen Normalsichtigen auch. An dieser Stelle haben sich die Macher des Spiels schlicht und einfach entschieden, die Zugehörigkeit der Karten zu einem Kartendeck nur sehr dezent darzustellen. Man muss gezielt darauf achten, sonst fällt's nicht auf. Kann man so machen. Anders hätte man es auch machen können. Kann man drüber streiten. Sicher. Aber mit Farbfehlsichtigkeit hat das exakt gar nichts zu tun.

    Ähnliches gilt bei der Unterscheidbarkeit von hellgrünen und dunkelgrünen Rückseiten in der Erstauflage von Carpe Diem. Hat auch rein gar nichts mit Farbfehlsichtigkeit zu tun. Hier gibt es die klare Aussage der Macher, dass das eigentlich unterscheidbar geplant war als es nachher geworden ist. Da kommt man auch ganz schnell auf Diskussionen, dass Farben nach dem Druck oft nicht exakt so aussehen wie sich das ein Designer am Monitor vorgestellt hat. Was natürlich bei allen irgendwie ähnlichen Farben zu Problemen führen kann. Zumal bei der Farbwahrnehmung dann auch die Beleuchtung eine wichtige Rolle spielt.

    (Randbemerkung: Um Farbwahrnehmung wirklich zu verstehen, muss man mit kontinuierlichen Beleuchtungs- und Reflexions-Spektren rechnen und dann Integrale mit Rezeptorkurven über die Wellenlänge bilden. Da gibt's dann auch so manch "lustige" Effekte wie Metamerie, mit denen sich z.B. Textilhersteller herumschlagen dürfen. Alles nicht ganz simpel und von der Vorstellung einer perfekten Lösung für alle Fälle sollte man sich sehr schnell verabschieden.)

    Ich glaube, wir sollten an dieser Stelle nicht allgemeine Fragen des Grafikdesigns in Spielen (Karten, Plättchen, etc.) oder bei der Farbreproduktion im Druckprozess mit notwendigen Anpassungen für Farbfehlsichtige vermischen. Es tut gerade denen, die unter Rot-Grün-Sehschwäche leiden, keinen Gefallen, wenn man das alles in einen Topf schmeißt.

    Meiner Meinung nach kann man ganz wenig Aufwand und Wissen schon über 90% der Probleme von Farbfehlsichtigen vermeiden. Das sollte man definitiv auch tun. Das A und O im Design ist halt, dass alle Farben ohne Blau-Anteil (d.h.: rot, orange, gelb, braun, grün) sich für einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Spielerschaft in wenig mehr als unterschiedlicher Helligkeit unterscheidet. Wenn man das weiß, ist's schon die halbe Miete. Und genau dabei hilf's halt leider überhaupt nicht, wenn wir diese Diskussion jetzt in Richtung allgemeines Grafikdesign oder Farbreproduktion im Druckprozess abbiegen lassen.

    Es ist ja nicht so, dass es nicht lösbar oder besonders hoher Aufwand wäre.

    Mal so, mal so.

    Insbesondere bei Verlagen darf man nicht vergessen, dass sich für Verlage auch alle Projekte noch rechnen müssen. Solche Vorschläge wie farbige Würfel mit unterschiedlichen Augensymbolen gehen dann halt etwas am Ziel vorbei. Möglich? Sicher. Realistisch? Nö, kein bisschen. (Zumal an dieser Stelle noch hinzu käme, dass bei bedruckten Würfeln anstelle von gefrästen Augenpunkten die Haltbarkeit schlechter wäre.)


    Das hat eher etwas mit Bewusstsein dafür zu tun.

    Bei den etablierten, professionellen Verlagen würde ich dir da eindeutig widersprechen wollen. Deren Redakteure kennen ganz sicher das Problem "Farbfehlsichtigkeiten" und die diesbezüglichen Gegenmaßnahmen besser als die allermeisten von uns hier.

    Gibt es auf dem Sektor keine brauchbaren Sehbehelfe?

    Nein. Bei den Betroffenen ist einer von drei Farbsensortypen im Auge ("Rezeptor", "Zapfen") schwächer oder im Extremfall auch gar nicht mehr vorhanden. Dadurch ist der wahrgenommene Farbraum nicht mehr dreidimensional (rot/grün/blau), sondern hat eine schwach ausgeprägte bzw. gar nicht mehr vorhandene dritte Dimension.

    Näheres hier bei Wikipedia:

    Rot-Grün-Sehschwäche – Wikipedia

    Auf einen Satz heruntergebrochen: "Für Menschen mit Rot-Grün-Sehschwäche bzw. -Blindheit unterscheiden sich rot/gelb/orange/grün/braun nur durch unterschiedliche Helligkeiten." Wenn man beim Design von irgendwelchen Sachen, die von vielen anderen Menschen benutzt werden sollen, zumindest dieses im Hinterkopf behält, dann kann man schon weit über 90% aller Probleme vermeiden. Soweit sollte man das IMHO auch von jedem Designer erwarten können. Und wer's besonders gut machen will, der nutzt dann eben Simulatoren wie Coblis.


    Und ich kenne schon mindestens drei Personen mit Farbschwäche in meinem Umfeld. Das scheint also relevanter zu sein, als man vielleicht denkt.

    Naja, die Zahlen sind ja nachlesbar. 9% der Männer und 1% der Frauen mit Farbsehschwäche laut Wikipedia. Meiner Meinung nach sollte man dabei aber immer noch betonen, dass die meisten dieser Fälle eben Farbsehschwäche und nicht Farbenblindheit betreffen. Beides zusammen ergibt dann ein stimmiges Bild. Ja, das sind definitiv genügend Leute, um da Rücksicht nehmen zu sollen. Und nein, es ist nicht so, dass jeder zehnte Mann rot nicht von grün unterscheiden kann und man deshalb nicht mehr eine Standard-Farbpalette wie rot-grün-blau-gelb verwenden dürfte. Sowas würde einem auch niemand glauben, weil das nicht mit dem Alltag zusammenpasst. Die meisten Fälle sind eben "nur" Sehschwäche.

    Im Prinzip gilt das, was eigentlich immer gilt. Ernst nehmen und berücksichtigen: ja, klar, absolut geboten, insbesondere wenn's mit ein wenig gutem Willen leicht möglich ist. Aber übertreiben und alles nur noch auf Minderheiten ausrichten: ganz sicher nein.

    Kann man natürlich auch machen, nur warum sollen sich 90% der Käufer (s. Beitrag von metal-pirate) mit so manchmal als “unangenehmen” (mir fällt gerade kein besseres Wort ein) Farben abfinden müssen?

    Weil du auf mich direkt verweist: Rund 95% der Menschen sind normalsichtig. Aus den ~9% Männern und ~1% Frauen musst du den Durchschnitt bilden, nicht addieren. ;)

    Ansonsten: Selbstverständlich sollte es das Ziel sein, die Maßnahmen zur Einbindung von Farbfehlsichtigen so umsetzen, dass die Normalsichtigen idealerweise gar nichts davon merken. Zumindest war das mein Ziel beim Design der Kings & Queens Poker- und Brettspielchips. Dass das nicht immer gleich gut funktioniert, ist natürlich auch klar.

    Wie verbreitet sind die verschiedenen Formen von Fehlsichtigkeit eigentlich? Habe da überhaupt kein Gefühl, ob das 10%, 1%, 0,1%, 0,01% oder 0,001% der Menschen betrifft.

    Rot-Grün-Sehschwäche: rund 9% der Männer, 1% der Frauen.

    Blau-Gelb-Sehschwäche: vernachlässigbar wenig, weit unter 1%.

    Wobei "Sehschwäche" schon beginnt, wenn man die dritte Farbdimension schwächer sieht; das heißt nicht zwingend, dass man sie gar nicht sieht. Im Coblis: das Anomalous Trichromacy in der ersten Spalte. Rot-Grün-Blindheit bzw. Dichromatic View im Coblis heißt dann, dass man wirklich nur einen zweidimensionalen Farbwert sieht, d.h. rot-grün als ununterscheidbares Kontinuum. Das betrifft dann nur ~2 Prozent der Männer und kaum Frauen.

    Zum Thema "wie sehen Farben für Fehlsichtige aus und was kann noch wie gut unterschieden werden?" kann ich auch ein schönes Beispiel beisteuern.

    BoardGameGeek

    (Die beiden kleineren Bilder rechts wurden auch per Coblis erzeugt.)


    Was man an dem Beispiel auch sieht, ist, dass es ab einer gewissen Anzahl von unterschiedlichen Farben einfach schwierig wird, allen möglichen Fehlsichtigkeiten unter allem möglichen Beleuchtungsbedingungen gerecht zu werden. Gilt insbesondere dann, wenn man neben Spielerfarben noch einen zweiten farbigen Satz Farben für irgendwelche Ressourcen oder sonstwas braucht. Die perfekte Lösung gibt's dann manchmal auch einfach nicht.

    Wenn dann z.B. eine Ressourcenfarbe gleichzeitig auch Spielerfarbe ist, dann kann es durchaus sein, dass die Macher das durchaus bewusst als kleinstes Übel gewählt haben, weil alles andere, was realisierbar war, noch mehr Nachteile gehabt hätte. Wenn man Tools wie Coblis benutzt, dann kann man zumindest die gröbsten leicht Schnitzer vermeiden und das allein ist schon ein Fortschritt. Unter den namhaften Verlagen scheint mir das aber mittlerweile Standard zu sein. Die kennen alle das Problem.