Beiträge von Chordcommander im Thema „Alpha-Spieler - Problem des Spiels oder des Spielenden?“

    Die Battle Goals aus Gloomhaven, welche Mafti hier im Zitat meint, haben aber auch nichts direkts mit der Anti-Alphaspieler-Mechanik zu tun. Diese fußt primär auf den verdeckten Handkarten und dem Verbot, konkrete Zahlen insbesondere für die Initiative so wie die Kartentitel zu nennen.

    Evtl lehn ich mich jetzt weit aus dem Fenster, aber ich glaube, dass diese Ziele exakt aus dem Grund integriert wurden, um den Alpha zu verhindern (zusätzlich zur Kommunikationseinschränkung und der verdeckten Hand). Bei uns hat das auch wunderbar funktioniert da man einfach sobald man sich nicht mehr 100% sicher bzgl der Intention des Mitspieler ist „Vorschläge“ nur noch mit viel Vorsicht annimmt, das fand ich persönlich sehr schick. Ich finds auch sehr thematisch (naja, zumindest manche goals), ne Abenteurergruppe ist halt kein Robosquad.

    Was mich tatsächlich gewundert hat ist, dass man Gloomhaven nicht mit einer randomisierten Kartenauswahl startet, sondern immer mit dem vollen Blatt, gerade auch weil dem Autor anscheinend schon daran gelegen war, den Alpha einzudämmen.

    „Alle sind am Ende, bräuchten mal eine Runde, um sich zu heilen und oder zu erholen. Der DD aber stürmt nach vorn, springt durch die Tür und triggert den gesamten Raum dahinter, was total dämlich ist. Warum das? Weil er das Ziel hat Türen als erster zu öffnen - und darüber nicht reden darf.“


    Selbst als nicht WoW Spieler weiß ich, dass so ziemlich genau diese Szene wohl eine der bekanntesten und ikonischsten Stories der gesamten Multiplayer Videospielgeschichte ist. Wie kann man sowas als Negativpunkt bringen? Daran erinnert man sich wahrscheinlich noch wenn man die Kampagne von Gloomhaven 8 spielt... Das sind Geschichten, die Koop Kampagnen meiner Meinung nach erzählen sollten, deswegen spiel ich die Dinger - an: „weißt du noch damals, als wir das ganze Szenario perfekt durchoptimiert haben und alle Truhen aufmachen konnten“ erinnert sich doch schon nach ner Woche niemand mehr....

    PeterRustemeyer


    Diese Sichtweise ist mir zu absolut - diese Problem oben sind nämlich nicht entweder da oder nicht da sondern sie treten skaliert in unterschiedlichem Maße auf, auch abhängig vom Design. Ob die Leute, dann Spaß haben ergibt sich (uA) dann auch daraus, inwiefern diese Probleme vorhanden sind oder eben nicht (so stark). Krampfhaft Counter-Mechanismen zu integrieren, ist aber tatsächlich wohl der falsche Weg (ich hab gerade ein Koop in der Mache, was leider nix gegen Alphas tut - wurde sogar schon von Testern beim Fazit angesprochen) - ich habs also in meinem Koop nicht geschafft, dass Problem elegant zu lösen ...)


    Die Hauptstärke von Paleo sind aus meiner Sicht "Bauchentschiedungen" - aber sie verhindern gleichzeitig einen Stück weit den Alpha Spieler (klappt oft aber nicht immer...). Du hast also einfach ein "gutes Spiel, dass den Leuten Spaß macht" gebaut, aber evtl liegt das ja mit daran, dass es eine Mechanik hat, die Alphas das Leben etwas schwerer macht (stell dir vor man wüsste, was auf der Rückseite der Karten ist - neben vielen anderen negativen Aspekten wäre das auch in Bezug auf Alphaspieler einfach super schlecht...)?

    Die Spiele, die dieses "Alphaproblem" beschneiden wollen, schaffen aber ganz andere Probleme. Das Abschaffen und Beschneiden von Kommunikation ist z.B. ein extrem sinnfreies Instrument, wenn es um das Spielen in Gesellschaft geht.

    Das sehe ich genauso, Beschneidung von Kommunikation ist die (in den meisten Fällen) uneleganteste „Lösung“. Es gibt aber auch kreativere Instumente, die besser funktionieren.


    Ich habe das Bsp nur benutzt um zu zeigen, warum die Aussage 100% Spieler aus meiner Sicht nicht zutreffend ist.


    Um nochmal eine andere Perspektive zu eröffnen: ich denke, dass auch der Spielspaß eines potentiellen Alphaspieler, der sich zum Wohl der Gruppe zurückhält, getrübt werden kann - auch dies kann durch Antialpha Mechaniken eingeschränkt werden.

    Ich kann die Ansicht: 100% Spieler überhaupt nicht nachvollziehen. Um ein etwas polemisches Bsp zu bemühen: das ist so ähnlich wie das Waffenbesitzargument, welches besagt, dass nicht Waffen schießen sondern Menschen. Klar ist das so, aber man kann ja dennoch diskutieren, ob es sinnvoll ist, Halbautomatikwaffen im Supermarkt anzubieten (das Brettspielanalogon wäre dann den Spielern jede Runde 100 Gold zur freien Verteilung in der Gruppe zu geben, das ist halt DIE Einladung für jeden Alphaspieler loszulegen und machts ihm/ihr halt einfach). Und nein - das soll Alphaspieler nicht auf eine Stufe mit schießwütigen Waffenbesitzern stellen sondern nur (mit einer Prise Polemik) meine Position illustrieren :).


    Gutes Design schützt Spieler auch vor sich selbst und ihren Mitspielern, daher ist für mich ein „Alphaspielerabwehrmechnaismus“ ein Qualitätskriterium für ein Spiel (so wie auch das Verhindern eines Kingmakers, was eventuell auch nicht in jeder Gruppe wichtig ist), auch wenn sicher nicht jede Gruppe sowas braucht. (Die Beobachtung von Thygra dazu, dass einige Spieler geführt werden wollen find ich interessant, konnte ich aber in meinen Vielspielerkreisen selbst noch nciht wirklich beobachten). Allein die Tatsache, dass es Koops gibt, die es schaffen Alphaspielertum komplett zu verhindern (zB Koops ohne Kommunikation - auch wenn die andere Nachteile haben, es gibt ja auch genug andere Mechanismen) zeigt eindeutig, dass diese 100% Spieler Nummer einfach nicht stimmt, weil es die Spielmechanik offensichtlich zu 100% verhindern kann, dass das Problem überhaupt auftritt und das in jeder Konstellation.

    Noch ein Hot Take zum Kooperationsbegriff:


    Für mich persönlich ist Kooperation höherwertiger, wenn sie sich nicht durch eine Einzelperson, die alleine spielt „ersetzen“ lässt. Viele open Info Koops kann man im Prinzip auch alleine spielen und vielleicht schneidet man hier sogar besser ab, als wenn man sich mit Anfängern oder weniger strategisch/taktisch denkenden oder erfahrenen Spielern zusammensetzt (und denen nicht sagt, was sie zu tun haben..). Genau hier setzt ja auch der Alpha Spieler an.

    Interessant (in meinen Augen besser) wird Kooperation dann, wenn das nicht mehr möglich ist, wenn Spieler mit verschiedenen Voraussetzungen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, was für den Einzelnen nicht oder nur schwer zu bewerkstelligen wäre.


    Als Vergleich kann man sich da ja auch teambildende Maßnahmen usw. aus dem pädagogischen Bereich anschauen. Klar gibts da Aufgaben, wo der Mehrwert der Gruppe v.a. im Sammeln von Ideen und dann z.B. dem Abstimmen über die beste Lösungsmöglichkeit besteht. Höherwertig sind aber meiner Meinung nach die Spiele/Maßnahmen die tatsächlich nur noch in der Gruppe unter dem Einsatz jedes Teilnehmers funktionieren. Ein Beispiel ist hier das „Drachenei“ - man balanciert/und bewegt als Team einen Ball auf einem Metallring, der über Schnüre von den Einzelspielern gehalten und bewegt wird ohne, dass dieser runterfällt. In der nächsten Stufe kann man dann z.B. einzelnen Spielern die Augen verbinden, so dass sie von Kommandos (des Alphas :))/bzw Teammitglieds abhängig werden, also verschiedene Rollen/Voraussetzungen schaffen die in meinen Augen zu einer „besseren“ Art von Kooperation führen und auch als teambildende Maßnahme besser sind.

    Auf Spiele übertragen find ich wäre Mechs vs Minions ein nettes (wenn auch nicht perfektes) Beispiel - es ermöglicht Phasen, in denen allgemeine Startegien besprochen werden können, in denen sich auch die Alphas austoben können, aber beinhalten auch Phasen, die durch Zeitdruck und Infoüberflutung für jeden Spieler individuelle Entscheidungen ermöglichen bzw forcieren, die ein Solospieler in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht prozessieren könnte - somit bieten Mitspieler auch spielerisch einen echten Mehrwert - in meinen Augen "gute" Kooperation.

    Den gefürchteten Alpha Spieler hältst du auch nicht mit Regeln auf,

    Ich denke, dass es Mechanismen gibt, die es einem potentiellen Alpha-Spieler halt leicht machen - und die Nutzung einer gemeinsamen Ressource gehört da meiner Einschätzung nach dazu (die Hemmschwelle, Einfluss auf die Handlung von Mitspielern nehmen sinkt da nochmal, da Mitspieler dann ja noch nicht mal mehr einen eigenen definierten Aktionsbereich haben, in dem sie selbst "das sagen" haben).


    Beckikaze Das Konzept fällt aber mit nem starken Alpha Player - Befehle auszuführen hat nicht unbedingt was mit Kooperation zu tun ;)


    Gegenseitige Abhängigkeit lässt sich durch eine Vielzahl von Mechaniken integrieren, eine gemeinsame Ressource ist da meiner Einschätzung nach mit die uneleganteste (und unthematischste).

    - Geheime Infos sind unnatürlich. Wenn ich ein gemeinsames Ziel und Aufgabe habe würde doch niemals jemand den Partnern was verheimlichen

    Das kommt stark aufs Setting an. Ich würde eher sagen, dass eine Situation, wo wirklich alle Beteiligten nur ein gemeinsames Gruppenziel verfolgen, komplett ohne eigene Interessen, sehr künstlich/unnatürlich und damit auch unthematisch ist und die Identifikation mit einem Einzelcharakter erschweren (wenn das Spiel eine solche vorsieht).


    Aus der Designerperspektive: Ich seh meine Grundaufgabe darin zu schauen, dass die Spieler am Tisch Spaß haben, und zwar alle und über eine möglichst große Zielgruppe hinweg. Ich habe schon öfters Koops gespielt, wo das nicht der Fall war, aus verschiedensten Gründen aber oft auch aufgrund des Alphaspielerproblems (oder wenn sich ein Alphaspieler, der tatsächlich erfahrener bzw. besser ist zum Wohle der Stimmung am Tisch zurückhält und dadurch selbst weniger Spaß am Spiel hat). Das komplett auf die Spieler(typen) abzuwälzen halt ich für falsch, dann kann ich nämlich im Prinzip auch andere Designschwächen (starke Snowballeffekte/Runaway Leader Probematik - Spieler ist zu wenig frustrationstolerant; ewige Downtime - Spieler ist zu ungeduldig..) usw. den Spielern anlasten.


    Wir hatten das Thema hier mal im Zusammenhang mit den gemeinsamen Ressourcen in Planet Apocalypse, das ist für mich ein sehr gutes Negativbeispiel, da dieses System einfach extrem alphaspielerbegünstigend ist, da man nicht nur Entschiedungen bzgl. Aktionen sondern auch bzgl. Ressourceverteilung (und damit impact aufs Spiel) als Gruppe zu treffen hat.


    Nehmen wir einen Fantasy Dungeon Crawler als Beispiel - in welcher Fantasy Geschichte haben hier wirklich alle Beteiligten das exakt gleiche Gruppenziel, das alle wie ein großes Hivemind verfolgen? Gerade Fehden untereinander (Legolas und Gimli versuchen, sich mit Kills zu überbieten), der Wettlauf um das beste Loot, individuelle/geheime Ziele, Animositäten in der Gruppe etc, geben doch entsprechenden Setings erst ihre Würze und erlauben es vernünftig, glaubhafte Charaktere zu erleben, mit denen man sich identifizieren kann und die als Individuen agieren. Ich möchte nicht sagen - das koop puzzles, die man genausogut alleine spielen könnte nicht ihre Daseinsberechtigung haben, aber eine große Chance in Koop Spielen sehe ich schon in Mechanismen, die zwar koop-unterhaltungen fördern, aber dabei nicht jede Individualität der Protagonisten auflösen und die das Reinreden in die Entscheidugnen anderer Spieler einfach elegant durch ihre Mechanik unterbinden.