Beiträge von MetalPirate im Thema „STROGANOV - Steding / Maciej Janik / Game Brewer“

    So ganz zusammenhanglos sind das Thema von Stroganov und das heutige Russland dann auch wieder nicht. Die heutige Probleme mit Russland kommen im Kern auch daher, dass Russland eine Kolonialmacht mit nicht aufgearbeiter Kolonialgeschichte ist. Nur vergisst man das leicht, weil im Gegensatz zu anderen ehemaligen Kolonialmächten zwischen Mutterland und Kolonie eben kein Ozean liegt, sondern weites Land. Vor allem natürlich die weiten sibirischen Steppen, um deren Überwindung es bei dem Spiel Stroganov geht.

    Genau die Nachkommen der Chakassen, Burjaten, Jakuten oder anderer Völker, denen man in dem Spiel auf zugegebenermaßen stark abstrahierte Weise begegnet (Dörfer besuchen, Pelze handeln, Lieder sammeln, etc.) werden heute von ihrem großen russischen Führer massenhaft in der Ukraine verheizt. Da kämpft ja nicht die Jugend aus St. Petersburg oder Moskau. Die Masse der russischen Invasoren in der Ukraine sind ethnische Minderheiten aus den wirtschaftlich benachteiligten Regionen im Kaukasus und eben dem Fernen Osten.

    Ich lehne auch Spiele, die irgendwas mit Deutschland zu tun haben nicht ab, obwohl auch wir eine unrühmliche Geschichte mit Angriffskriegen haben.

    Wenn in einem Land auch über die unrühmlichlichen Anteile der eigenen Geschichte zumindest mal offen diskutiert werden kann, dann habe ich kein Probleme mit diesem Land als Thema von Spielen. Sonst schon.

    Russland ist Stand heute eine Diktatur, ein Terror-Staat, der Nachbarländer überfällt, und deshalb will zumindest ICH auf absehbare Zeit keine Spiele mit Russland-Bezug mehr spielen. Mein #Stroganov steht deshalb seit der Lieferung ungespielt im Regal, weil mir während der Kampagne die Regeln gefallen haben und ich sowohl die Arbeit von Autor Andreas Steding als auch die grafische Umsetzung von Illustrator Maciej Janik mag. Die können nichts dafür, tun mir auch irgendwo leid, und natürlich hoffe ich für alle Russen, dass sie ihren größenwahnsinnigen Diktator möglichst schnell entsorgen können. Aber ... ein Spiel wie Stroganov geht im Moment für mich einfach gar nicht, und zwar wegen des Themas (bzw. Settings). Eigentlich müsste ich's auch verkaufen.

    Wohlgemerkt: Die Möglichkeit zur offenen Diskussion in einer Gesellschaft reicht mir erstmal. Das ist eine sehr niedrige und auch halbwegs objektiv messbare Schwelle, z.B. in Sachen Pressefreiheit oder Zensur. Irgendwelche Forderungen nach "Aufarbeitung" stelle ich noch nicht mal, denn die können auch ganz schnell in irgendwelche Richtungen abdriften, wo einzelne Seiten ihre Weltsicht mit Macht durchdrücken wollen. Sowas kann auch schnell wieder problematisch werden, weil man sich auch schnell streiten kann, was genau die "richtige" Aufarbeitung sein sollte. Aber darum geht's im Kern gar nicht. Die Basis der liberalen Gesellschaft ist die offene Diskussion mit gegenseitigem Respekt. Tja. Und da muss man leider in Bezug auf Russland irgendwo feststellen, dass dort auch heute wieder in unschöner historischer Kontinuität die denkfähigen Leute bedroht, eingesperrt oder aus dem Land gejagt werden und sich daher das Land nicht so entwickelt wie es möglich wäre. Tja. Das habe ich mir vor ~30 Jahren, nach dem Fall des eisernen Vorhangs, noch ganz anders vorgestellt...


    tj;dr: Ich habe nichts gegen Russland oder Spiele mit Russland-Thema. Aber das aktuelle, real existierende Russland unter Putin sorgt dafür, dass ich sowas wie Stroganov aktuell nicht spielen möchte. Ich wünsche mir, dass sich das ändert.

    Ich glaube, dass bei dem Spiel das Thema ein ganz großes Problem ist. Kein Vorwurf. Autor und/oder Verlag konnten beim Entwickeln damals nicht wissen, dass russischer Expansionismus spätestens seit Februar 2022 nicht mehr ganz so gut ankommt. Ja, andere Zeit. Dennoch die gleiche, offensichtlich nicht angemessen aufgearbeitete, Geisteshaltung dahinter, ob Unterwerfung der Steppenvölker im fernen Osten oder die aktuellen Massaker und ethnischen Säuberungen in der Ukraine. Für das Katharina-Spiel von DLP gilt ja im Prinzip das Gleiche; auch das scheint mir eher ein Ladenhüter zu sein. Das Thema Russland zieht im Moment nicht, und das völlig zurecht.

    Gestern bekommen. Deluxe Version. Nach den ganzen Klagen über eine (vermeintlich) schlechte Materialqualität muss ich nach Auspacken und Einräumen sagen: (größtenteils) ein Sturm im Wasserglas. Für den Preis passt das voll und ganz. Ja, das Spiel hat definitiv keine Gugong Deluxe Qualität. Aber wer das erwartet hatte, der sollte sich nochmal die Kampagnenbeschreibung (incl. Preise) anschauen, sich die allgemeine Preisentwicklung im Brettspielbereich vergegenwärtigen und anschließend seine Erwartungshaltung frisch kalibrieren.

    Ja, an ein paar Stelle hätte es auch etwas besser sein können. Der Spielekarton hätte z.B. stabiler (=dicker) sein können. Aber dann schaut man auf die Massen von wirklich hübschen Landschaftsgrafiken, weiß dass auch Illustratoren bezahlt werden wollen, und akzeptiert dann, dass an manchen Stellen "funktional" eben "gut genug" heißen muss. Aber das gibt dann natürlich schnell Probleme, wenn manche Backer anscheinend erwarten, dass die Player Boards dick genug sein sollten, um damit Menschen erschlagen zu können...

    Ich habe das Spiel noch nicht selbst gespielt, kann also wenig dazu beitragen, aber ich wünschte mir, es würde mehr über wirkliche Stärken und Schwächen von Kickstarterspielen geredet -- und die liegen, wie bei jedem Spiel, im Wesentlichen im Spielerischen. Nicht in der Dicke von Pappe oder dem Vorhandensein von Oberflächenprägungen.