Beiträge von MetalPirate im Thema „Against all odds (Pech - und Glück? - beim Spielen)?“

    Ich vermute mit dem zweiten Teil meinst du, dass der Fokus auf den anderen Spielern und nicht auf das eigene Spiel liegt (ich MUSS Person X besiegen)?

    Ich meinte das so, dass man auch zufrieden sein sollte, wenn man unter den gegebenen Umständen gut gespielt hat, auch unabhängig davon, ob man am Ende des Spiel gewonnen hat. Das kann z.B. der Fall sein, wenn man aus miesen Karten noch das beste gemacht hat oder wenn man mal etwas strategisch völlig Verrücktes ausprobiert hat, ggf. auch mal eine Strategie, von der jemand der Mitspieler vorher behauptet hatte, sie wäre völlig "underpowered", und damit trotzdem noch halbwegs mithalten konnte. Es gibt eben auch Erfolgskriterien jenseits der Platzierung in der Schlusswertung.

    Aber ich glaube, da sind wir uns völlig einig. Das berühmte Knizia-Zitat habe ich sogar als Micro-Badge bei BGG unter meinem Profilbild. :)


    Aus dem Spieletreff kenne ich jemanden, wenn der einmal eine Optimalstrategie bei einem Spiel erkannt hat, dann spielt der nichts mehr anderes, sondern immer nur noch den gleichen Stiefel runter. Sowas finde ich komplett furchtbar. Der Spaß am Spielen kommt doch nicht vom Gewinnen, sondern vom Ausprobieren der Möglichkeiten, von dem Gefühl, immer wieder neue Herausforderungen gemeistert zu haben. Das Auswendiglernen von Schach-Eröffnungen ist so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was ich beim Spielen als spaßbringend bezeichnen würde.

    koala-goalie : Ich verstehe "Wettbewerbsgedanken" vielleicht etwas entspannter als du. Ich bin der festen Überzeugung, dass Spiele nur funktionieren, wenn kein Mitspieler irgendwelches chaotisches Zeugs macht, sondern jeder versucht, in gewisser Weise "gut" zu spielen. Das ist auch schon eine Art von Wettbewerb, weil man ja eine messbare Leistung erbringt, etwa X Siegpunkte am Ende.

    Der Unterschied ist dann nur, ob man das eher locker-sportlich nimmt und mit einer persönlichen guten Spielleistung zufrieden ist. Oder ob man es verbissen angeht und gezielt gegen die Mitspieler gewinnen will. Da bin ich dann ganz bei dir: Verbissenheit braucht's nicht, denn das führt nur dazu, dass man Spiele auf das doppelte bis dreifache der Spielzeit aufbläst, die auf der Schachtel angeben ist (schon erlebt!), und dann habe zumindest ich keinen Spaß mehr. Da spiele ich lieber in der lockeren Runde drei Spiele. Wobei ich den Vorteil habe, auch ohne Grübeln mit intuitivem Spielen ein relativ starker Spieler zu sein. Wenn andere ein bisschen mehr Grübeln, um in einer starken Spielerrunde mithalten zu können, dann habe ich dafür auch gewisses Verständnis.

    Es kann durchaus sinnvoll sein, den Mitspieler als Zufallsexperiment zu betrachten. Beispielsweise gibt es für zwei Spieler zwei sinnvolle Gelegenheiten auf dem Brett, nicht eindeutig zu bewerten.

    Ja, sicher. Aber wenn in einem Worker Placement Spiel, z.B. #Agricola als 2er, für den Gegner zwei Aktionsfelder klar am attraktivsten sind, beide ungefähr gleichwertig, während ich nur an einem davon interessiert bin und mit dem anderen nichts anfangen kann, etwa weil ich die Ressourcen dafür nicht habe, dann muss ich damit rechnen, dass jeder halbwegs fähige Gegner erstmal das nimmt, das ich auch haben will, weil er weiß, dass er mich damit rausblockt und vermutlich das andere für ihn attraktive Feld in nächsten Zug auch noch bekommt.

    Das kann man jetzt zur MinMax-Bewertung über X Züge aufblasen, aber das meine ich gar nicht. Solche Überlegungen wie "wenn ich jetzt X mache, dann erlaube ich dem Gegner Y und das will ich auf keinen Fall" sind manchmal gleichermaßen einfach wie wichtig. Das kann z.B. bedeuten, dass ich mir in einer bestimmten Situation den Startspieler holen muss, um Unheil durch Mitspieler-Interaktion zu vermeiden. Grundlage war dann, dass ich dem Gegner zutraue, sonst einen mir schadenden Zug zu machen.

    Natürlich spielt dabei auch Psychologie und Mitspielerkenntnis eine Rolle. Dem einen Mitspieler kann ich vielleicht mehr offene Flanken bieten als dem anderen, etwa bei einer Mehrheitenwertung, weil ich weiß, dass Mitspieler 2 sowas sofort erkennt und mich da direkt angreift. Das ändert aber nichts an meiner Aussage, dass es sich lohnt, solche Szenarien der Mitspielerinteraktion gezielt auf dem Schirm zu haben, und zwar mehr als ein "kann zufällig mal passieren" beim schlechten Würfeln.

    Generell finde ich, dass ich es psychlogisch angenemer finde, wenn ich nach einem Würfelwurf noch Optionen habe das Ergebnis bzw. die Konsequenzen zu beeinflussen. Wenn der Wurf kommt und direkt sagt "Bämm - du bist am A..." fühlt sich das viel frustrierender an, als wenn man noch die Möglichkeiten hat was zu drehen, selbst wenn das nicht immer gelingt. Oft ist es zwar so, dass man nur deswegen an dem einen Wurf scheitert weil man vorher nicht vorgesorgt hat/riskant gespielt hat, aber es fühlt sich trotzdem mieser an.

    Das hängt für mich davon ab, was thematisch von dem Würfelwurf dargestellt werden soll. Mal passt vorherige Manipulation (z.B. Kauf zusätzlicher Würfel) besser, mal nachträgliche Manipulation (neu würfeln, Werte verändern), mal beides. Je Euro-artiger, umso mehr "luck mitigation", auch im Nachhinein. Aber wenn z.B. im Dungeon Crawler der Oger mit dem komplett unwahrscheinlichem Volltreffer-Superwurf meinem Helden seine Keule über die Rübe zieht, dann ist der eben tot und ein "Ätschibätsch, du musst neu würfeln" würde sich hier völlig falsch anfühlen. Monster, die einen nicht umhauen können, wären keine richtigen Monster mehr. Wenn das Spiel Extremausschläge bei Glück und Pech verträgt (oder gar verlangt), dann soll es die auch ruhig haben.

    Woher soll der Mitspieler wissen, was der für ihn günstigste Zug ist?

    Weil man grundsätzlich unterstellen muss, dass alle am Tisch gewinnen wollen. Das ist die Basis eines Spieleabends. Also wird er normalerweise einen (aus seiner Sicht) guten Zug machen und keinen doofen. Dabei wird er meine Auslage bzw. meine Zugoptionen so berücksichtigen, wie ich das umgekehrt bei ihm mache.

    Von komplettem Durchrechnen rede ich hier nicht. AP will niemand. Aber sich ein paar Gedanken machen, welche taktischen und strategischen Ziele für den oder die MItspieler wichtig sind, ist doch eigentlich immer möglich. Einfachstes Beispiel ist alles mit Mehrheiten-Wertungen. Da muss man die eigenen Züge in Abhängigkeit von dem machen, was die Mitspieler noch ausrichten können.

    Wenn Mitspieler dabei sind, dann spielt auch der Zufall mit. Schlicht weil ich nicht wirklich vorausahnen kann, was die in ihren Zügen machen werden und wie stark mich das beeinflussen wird.

    Interaktion macht ähnlich wie Zufallseinflüsse die eigene Zugauswahl komplexer, aber ich würde Mitspieleraktion trotzdem nicht "Zufall" nennen, eben weil daran normalweise nichts Zufälliges ist. Im Normalfall sollte man nämlich davon ausgehen, dass der Mitspieler den für ihn günstigsten Zug macht.

    Zufall verlangt Wahrscheinlichkeitsrechnung. Interaktion verlangt das Hereinversetzen in die Position des Mitspielers. Das sind zwei fundamental unterschiedliche Sachen.

    Wenn aber jegliche Strategie/Taktik egal ist und am Ende nur das Glück entscheidet, dann weiß ich nicht warum ich das Spiel spielen soll.

    1) Wenn Strategie/Taktik die Wahrscheinlichkeit für positive Ergebnisse erhöhen können, ist das für mich völlig in Ordnung. So ist das ja auch bei den allermeisten Spielen, aus gutem Grunde. Die meisten Spieler mögen ein Mix aus Spielereinfluss und Zufall. Wer Zufallselemente komplett ablehnt, bleibt auf Schach, Go und Konsorten beschränkt. Selbst die meisten abstrakten Spiele, etwa Azul, haben gewisse Zufallselemente drin, oft beim Nachziehen von Plättchen oder Figuren.

    2) Wenn man beeinflussbare Zufallsereignisse grundsätzlich akzeptabel findet, dann verstehe ich nicht, warum man so oft etwas wie "wenn am Ende nur das Glück entscheidet" hört. Das heißt ja andersrum: "keinerlei nennenswerter Spielereinfluss auf die Siegchancen". Mal ganz ehrlich: sowas hat man vielleicht bei Monopoly oder Munchkin, aber für 99% der Spiele, über die hier bei Unknowns geredet wird, trifft dieser Vorwurf doch überhaupt nicht zu.

    => Wenn jemand sagt: "Der Zufallseinfluss ist mir zu hoch", eventuell mit dem Zusatz "... für die Länge des Spiels", dann finde ich das völlig okay. Würde ich bei so manchem Spiel genauso sehen. Aber ein "da entscheidet am Ende nur das Glück" ist doch in den allermeisten Fällen einfach nur Blödsinn. Das gibt's doch längst nicht so oft wie von manchen getan wird.

    Wie seht Ihr das generell?

    Natürlich gibt es Pech oder Glück. Manchmal auch viel davon. Man darf halt nicht den Fehler machen, bei 1% Wahrscheinlichkeit oder weniger innerlich davon auszugehen, dass es niemals passiert wird. Es passiert dann sehr selten, aber eben nicht niemals. Wenn es passiert, im positiven wie im negativen, dann muss man damit leben -- und manchmal bringt auch genau sowas dann erinnerungswürdige Elemente.

    Ich glaube, dass manche Optimierfreunde es an dieser Stelle einfach zu wenig schaffen, die eigene Spielleistung vom Spielergebnis zu trennen. Wieso muss gutes Spielen messbar sein und wieso muss der beste Spieler gemäß irgendwelcher Gütekriterien auch ganz sicher jedes einzelne Spiel gewinnen? Das ist doch gar nicht der wesentliche Punkt beim Spielen. Der Wettbewerbs-Charakter ist wichtig. Ich mag auch Coop-Spiele nicht sonderlich. Aber es reicht doch völlig aus, wenn der Beste signifikant öfter gewinnt als die anderen. Der wesentliche Punkt ist doch immer noch, dass alle Spieler gemeinsam Spaß am Spielen haben. Sonst kann man auch gleich Solo spielen oder, noch extreme, partielle Differenzialgleichungen lösen. Das finde ich nämlich ganz genauso "spannend" wie Hardcore-Optimiererei.


    Sobald ich aber das Glück ausschalte (Schach, Go,...) wird es zur reinen Optimieraufgabe und geht für mich am Gesellschafts-Brettspiel vorbei. Denn da will ich auch ein wenig Glück/Pech und vor allem Interaktion. Gerade mit den kleinen Stolpersteinen umzugehen und dann vielleicht trotzdem zu gewinnen finde ich sehr befriedigend.

    Volle Zustimmung!