Beiträge von ravn im Thema „Scythe.... oder doch was anderes?“

    Interessant zu lesen. Ich komme da einerseits aus der Pen & Paper Rollenspielecke mit starken Fokus auf Storytelling, bei der man möglichst tief zusammen in eine selbsterschaffene Spielwelt eintaucht, sich innerhalb dieses Welt nachvollziehbar verhält und zusammen mit den Mitspielern und dem Gamemaster eine spannende Zeit erlebt. Da habe ich dann nicht als Ralf agiert, sondern habe u.a. einen Zwerg mit Namen Nimjat gespielt, der von einem verfluchten Schwert kontrolliert war und unter diesem Fluch furchtbare Dinge angestellt hat. Nimjat, der Zwerg, wer aufgrund der Machtfülle fasziniert und angewiedert zu gleich, während ich als Ralf (hoffentlich) rein gar nichts mit dem von mir verkörperten Charakter gemeinsam hatte.


    Das ist das eine Extrem. Auf der anderen Seite komme ich aus der Eurogame-Ecke, bei der die Spielmechaniken klar im Vordergrund stehen und das Thema nur dazu da ist, um diese Mechanismen verständlicher zu machen und zusammenzuhalten. Da spiele ich als Ralf. Aber mit der klaren Linie, dass ich im Rahmen der Spielmechanismen und in Einhaltung der Fairness knallhart konfrontativ spielen darf und genau diese Spielweise auch von meinen Mitspielern erwarte, wenn es zum Spiel gehört. Aber auch wenn man sich untereinander im Spiel nichts geschenkt hat und sich auf Augenhöhe (Neulinge und Erstspieler sind da ein anderes Thema) ebenso nichts gegönnt hat, so bleibt das stets im Rahmen des Spiels und überschreitet diese Grenze nie. Wenn das Spiel vorbei ist, gibt es auch keinen Groll oder ein Nachtreten.


    Und dann gibt es die ganzen liebgewonnenen Amitrash-Games, bei denen die Atmosphäre und das gemeinsame Erlebnis für mich im Vordergrund stehen und da tauche ich ebenso gerne wie bei Pen & Paper Rollenspielen in meine Charakterrolle ein, weil das für mich das Spielerlebnis aufwertet.


    Scythe ist für mich ein Eurogame mit tollem Thema und leichter Amitrash-Anmutung. Da tauche ich gerne in diese Spielwelt ein, auch weil Scythe das ermöglicht. Bedeutet aber nicht, dass ich als Ralf in der realen Welt irgendwelche Kühe konfisziere, weil ich dem Bauern klar mache, dass die Fellfllecken dort geheime Pläne darstellen, um Nahrung um stehlen. Da gibt es eine klare Trennung für mich zwischen dem, wie ich (wenn es aufgrund des Spiels auf der mechanischen Ebene bleibt) oder mein gespielter Charakter (wenn ich ins Spiel abtauchen kann) im Spiel agiere und wie ich in der realen Welt als Ralf bin.

    Als Spieler trenne ich persönlich klar zwischen meinem Charakter innerhalb der Spielwelt und meiner realen Person. Da habe ich dann auch kein Problem, als eher kriegerisch-konfrontative Fraktion die "böse" Begegnungaktion zu wählen, wenn ich es so will und mir Vorteile bringt. Um es aber vollkommen thematisch zu spielen und damit auf das ausgebene Spielziel zu verzichten, das meiste Geld in der Endabrechnung anzuhäufen, ist mir Sythe zu sehr ein Eurogame mit Thema und eben kein Rollen-Erlebnisspiel, wo der Weg das Ziel ist.


    Erinnert mich an die Erzählung, dass jemand bei Funkenschlag keine Atomkraftwerke bauen wollte, weil er gegen Atomkraftwerke ist. Ok, akzeptiert, nur dann ist es eventuell das falsche Spiel. Auch weil es das Spiel für die Mitspieler aushebelt, wenn man von vorne herein eine Kraftwerksart ausschliesst und eigentlich nur Solar-Wind-Fusions-Kraftwerke bauen mag.

    AndreasB78 : Ist nur meine subjektive Wahrnehmung gewesen. Kann man sicher nicht verallgemeinern. Hätte ich weniger erwartet und weniger von "best Kampagn ever" gelesen, hätte ich nicht so sehr auf die spektakulären Momente gewartet, die sich für mich dann doch so nicht erfüllt haben, dann wäre ich eventuell nicht auf dem hohen Niveau enttäuscht worden. Gute Kampagne ja, aber für mich meilenweit von "best ever" entfernt.


    Erst weiterlesen, wenn man die Kampagne gespielt hat oder nie wird spielen wollen. Weil hier begründe ich mit Spoilern, warum ich enttäuscht wurde:


    Erwartet von "Aufstieg des Fenris" nicht zu viel. An einigen Stellen wurde die Kampagne als allerbeste Kampagne betitelt, die man in Brettspielen erleben kann. Da ist die Latte viel zu hoch gelegt. Das war zwar eine gute Kampagne, einige wirklich gute Scythe-Partien mit Hintergrundstory und eigenen Entscheidungen und neuen Regel- und Spielmodulen, die durch die Kampagne eingeführt werden und die man danach beliebig nutzen kann in weiteren Partien. Aber es wäre noch so viel mehr möglich gewesen und durch die Erwartungshaltung "allerbeste Kampagne ever" wurde das auch noch befeuert und klar, konnte das dann nicht eingehalten werden.


    Deshalb mein Tipp: Nehmt Euch ausreichend Zeit für die Hintergrundgeschichte, die sich da entfaltet und freut Euch auf eine gute Kampagne. Dann werdet Ihr auch nicht enttäuscht aufgrund zu hoher Erwartungen.

    Scythe finde ich deshalb so charmant, weil du auch mit 6 Spielern ein episches Erlebnis in 2 Stunden hinbekommst. Das schöne an dem Spiel ist seine Komplexität ohne eine hohe Spieldauer zu erzeugen.

    Ich gebe zu bedenken: Je mehr Mitspieler, desto höher die Chance, das jemand oder mehrere dabei sind, die das Spielgeschehen zerdenken und bei denen es dann immer mal wieder stockt, wenn die an der Reihe sind. Wenn aber alle die Regeln kennen und auch ihre Züge ein wenig vorausplanen können und wollen, dann kann so eine 6er-Partie durchaus zügig ablaufen, ohne dadurch hasten zu müssen.

    Scythe kann man auch in größerer Runde zügig spielen, weil der einzelne Zug nicht komplex ist, aber dann kommt es umso mehr auf die Mitspieler an. Habe aber auch schon Partien mit 5+ Spielern erlebt, die durchaus mehr als abendfüllend waren, aber dennoch Spass gemacht haben.