Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „Scythe.... oder doch was anderes?“

    Als Spieler trenne ich persönlich klar zwischen meinem Charakter innerhalb der Spielwelt und meiner realen Person. Da habe ich dann auch kein Problem, als eher kriegerisch-konfrontative Fraktion die "böse" Begegnungaktion zu wählen, wenn ich es so will und mir Vorteile bringt. Um es aber vollkommen thematisch zu spielen und damit auf das ausgebene Spielziel zu verzichten, das meiste Geld in der Endabrechnung anzuhäufen, ist mir Sythe zu sehr ein Eurogame mit Thema und eben kein Rollen-Erlebnisspiel, wo der Weg das Ziel ist.


    Erinnert mich an die Erzählung, dass jemand bei Funkenschlag keine Atomkraftwerke bauen wollte, weil er gegen Atomkraftwerke ist. Ok, akzeptiert, nur dann ist es eventuell das falsche Spiel. Auch weil es das Spiel für die Mitspieler aushebelt, wenn man von vorne herein eine Kraftwerksart ausschliesst und eigentlich nur Solar-Wind-Fusions-Kraftwerke bauen mag.

    Das sehe ich schon recht anders. Auch als Spieler bin ich immer noch ich, mit all den Stärken und Schwächen, die mich ausmachen. Ich brauche die Befreiung von den Ketten der realen Welt und der Persönlichkeit im Spiel nicht; Spielen macht aus mir auch im Spiel niemand anderen.


    Davon abgesehen kann man gerade Scythe sehr gut spielen, ohne ausschließlich das Spielziel der maximalen Punkte/Geld im Auge zu haben. Ich finde es geradezu spannend, bei mir selbst zu erleben, ob ich mich zu einer "bösen" Entscheidung durchringen kann und wenn, warum denn? Der bloße spielerische Vorteil wäre für mich kein Argument, weil es bloße Mechanik ist.


    Ich finde, vielleicht im Gegensatz zu dir, vielleicht aber sind wir in Wahrheit gar nicht so verschieden, dass die Trennung zwischen realer Persönlichkeit und dem Spieler in seiner Eigenschaft als Spieler eher eine Art Entschuldigungsversuch ist, um sich selbst zu versichern, dass man in Wahrheit ja gar nicht "böse" ist.


    Ja, man darf gerne gewinnen, der eine kann schneller laufen als der andere, er muss ihm aber kein Bein stellen, weder im Sport, noch im Spiel.

    Interessante Einstellung, die ich von dir ja kenne und die ich auch für bewundernswert halte, aber beschränkt einen das bei Scythe nicht extrem? Gerade die "böse", dritte Option, würde man doch extrem selten oder nie wählen - hoffe ich zumindest.

    So wurde mir damals das Spiel sogar auf der SPIEL am Stand erklärt ;)

    Genau so soll es ja auch sein. Das hat Jamey wiederholt so geäußert.


    Klar kostet das Zeit, das spielt man nicht so schnell "runter". Auch im Spiel hat man seinen freien Willen, aber auch sein Gewissen, sofern man denn überhaupt in einem Spiel mehr sehen kann, als dessen Mechaniken und den Nutzen, den man auf dem Weg zum Sieg, aus ihnen ziehen kann, womöglich noch heimlich lachend über die "Schafe" am Tisch.

    Begegnungen sind für mich aus thematischer Sicht das Salz in der Suppe. Bild gemeinsam anschauen, sich in die dargestellte Situation hineinversetzen und dann situationsgerecht entscheiden nach dem Motto, was täte ich als Mensch in der konkreten Situation, nicht danach, was ist mir jetzt spielmechanisch betrachtet am nützlichsten.


    Interessante Einstellung, die ich von dir ja kenne und die ich auch für bewundernswert halte, aber beschränkt einen das bei Scythe nicht extrem? Gerade die "böse", dritte Option, würde man doch extrem selten oder nie wählen - hoffe ich zumindest.

    Ich fühle mich da nicht eingeschränkt. Warum sollte man als Spieler, nur um des spielmechanischen Nutzens willen, zum Charakterschwein werden wollen?


    Da man, also zumindest ich, ja aber auch kein Heiliger ist, kommt einen doch immer auch die Versuchung an. Ist es nicht auch ein interessanter Aspekt eines Spiels, ob man dieser Versuchung trotz des winkenden Nutzens nicht auch widerstehen kann? Wenn ich spiele, versinke ich im Thema, wo immer das möglich ist. Also fühle ich mich gezwungen, mir selbst Rechenschaft darüber abzulegen, warum ich denn jetzt lieber "böse" wäre. "Ist doch nur ein Spiel" ist mir als Antwort nicht genug. Frage könnte doch z.B. sein, gibt es in der konkreten Situation eine Rechtfertigung, nicht bloß eine laue Entschuldigung, jetzt doch das Böse zu tun?


    Spielen kann so viel mehr sein, als nur Mechaniken abzuarbeiten.

    Ich mag ja spiele, wo es noch so viel dazu zukaufen gibt. (Vor allem nicht durch KS Exclusivität eingeschränkt und dadurch teuer nur auf dem Sekundärmarkt erhältlich)


    Grundspiel reicht aber wohl erstmal?

    Ich habe auch mit dem Grundspiel angefangen und habe mittlerweile alles, sogar die Metall-Mechs, außer vielleicht die ein oder andere Promo nicht,.


    Mit dem Grundspiel ist man schon gut bedient. Damit man nicht in die Versuchung kommt, irgend welche Strategien einzustudieren und damit aus meiner Sicht zu einem dann eher öden Spiel zu kommen, wähle ich immer auch die Spielertableaus, und nehme immer eine andere Fraktion, so dass ich möglichst nie eine Kombi aus Fraktion und Spielertableau wiederholt spiele. Dabei sollte man allerdings schon darauf achten, dass man nicht die "gebannten" Kombis nimmt, auch wenn ich nicht glaube, dass viele Spieler in diesem Punkt mangelndes Balancing überhaupt bemerken.


    Was du dann mal zukaufst, hängt im wesentlichen ja wohl von deinen Vorlieben ab und was du mit Scythe verbindest. Für mich wären das aus heutiger Sicht alle weiteren Begegnungskarten, der modulare Spielplan und die Kolosse der Lüfte.


    Begegnungen sind für mich aus thematischer Sicht das Salz in der Suppe. Bild gemeinsam anschauen, sich in die dargestellte Situation hineinversetzen und dann situationsgerecht entscheiden nach dem Motto, was täte ich als Mensch in der konkreten Situation, nicht danach, was ist mir jetzt spielmechanisch betrachtet am nützlichsten.

    Den Begegnungen kann man besonderes Gewicht verleihen, wenn man sie mit einer Idee aus den neuen Spielendebedingungen verknüpft, indem man abgeräumte Begegnungsmarker an Orten, an denen gerade kein Anführer ist, jeweils durch einen neuen Begegnungsmarker ersetzt. Dazu dann noch die Bedingung -Variante, nicht offiziell-, dass niemand den sechsten Stern setzen darf, der nicht mindestens fünf Begegnungen gehabt hat.


    Der modulare Spielplan bricht lieb gewordene Strategien einfach auf, indem der Spielplan zufällig umgekrempelt wird, die Heimatgebiete der Fraktionen zufällig verteilt werden und der Spielplan der Spielerzahl angepasst werden kann. Da heißt es Augen auf bei der Fraktionswahl, erworbenes Wissen hilft nicht viel, Spielplan-Lesen ist angesagt.


    Die Luftschiffe finde ich einfach "cool".

    Versucht es vielleicht einfach mal mit dem modularen Spielplan. Da sind einstudierte Eröffnungen wenig sinnvoll, weil die Spielplanfelder zum großen Teil durch die zufällige Auswahl in ihrer Lage zueinander in jeder Partie anders sind und die Fraktionen nicht mehr ihre festen Startplätze haben, sondern zufällig verteilt werden. Außerdem lässt sich der Spielplan der Spielerzahl anpassen, wenn man das will; dann kann von viel Platz bei zwei Spielern überhaupt keine Rede mehr sein.


    Erst nach diesem Aufbau werden die Fraktionen gewählt, nachdem zuvor die Spielertableaus zugelost worden sind.


    Man kann das auch mit den neuen Spielendebedingungen kombinieren.


    Man könnte - Variante, keine offizielle Regel - auch mal ganz ohne Punkte spielen: Das lässt sich mit allerlei brauchbaren Ideen aus den neuen Spielendebedingungen kombinieren.


    Beispielsweise könnte man zwei zufällige Zielkarten neben die Erfolgsleiste legen, so dass jedem 12 Felder zum Einsetzen von Sternen zur Auswahl stehen. Es gewinnt, wer seinen 6. Stern setzt. Man könnte das Erreichen und Halten einer bestimmten Geldsumme zur Pflicht machen, ehe man seinen sechsten Stern setzen darf, usw..


    Mir käme das entgegen, weil mich Punkte eh nicht anmachen, für mich sind Ziele interessanter.

    Ich bin befangen, s. meine TOP 10.


    Trotzdem: Ich wüsste für mich jedenfalls nicht, was bei deinen Kriterien besser geeignet sein sollte als Scythe. Das ist ein großartiges, durch seine Erweiterungen auch sehr wandelbares Spiel.


    Es gehört zu meinen meistgespielten Spielen und hat, von einer Erweiterung für ein anderes Spiel mal abgesehen, von mir bei BGG meine dritthöchste je vergebene Wertung (9.09/10) bekommen.

    Am häufigsten habe ich es solo und zu zweit gespielt, zu zweit sowohl kompetitiv als auch kooperativ (letzteres geht mit dem Modul die Horde aus der Fenris-Erweiterung).

    Es geht wirklich sehr gut auch zu zweit. Es sieht zwar so aus, als sei viel Platz. Wenn man aber mal für Reichweite und Beweglichkeit gesorgt hat, bedeutet "viel Platz" wenig. Trotzdem kann man natürlich noch einen oder zwei Automas hinzunehmen, wenn man denn unbedingt drangvolle Enge braucht und den Verwaltungsaufwand nicht scheut..


    Es gibt auch alternative Spielendebedingungen (Karten dafür sind in der Erweiterung Kolosse der Lüfte, wenn ich das jetzt gerade richtig im Kopf habe).


    Sehr schön übrigens, auch für solo und zu zweit, das modulare Spielbrett.