Beiträge von Spielteufel im Thema „Corona-Tagebuch für jedermann/frau“

    Liebes Corona-Tagebuch,

    ich bin immer sehr traurig, wenn ich hier lese, dass an COVID erkrankte Menschen nicht im Krankenhaus besucht werden dürfen oder - noch schlimmer - Sterbende keinen Besuch haben dürfen.

    Gerade habe ich (ich arbeite im Krankenhaus) folgendes in einer Patientenakte gelesen:

    "Die 86-jährige Patientin formuliert im Beisein der Tochter ganz klar und eindeutig ihrer Wünsche: keinerlei weitere Intensivmedizinische Therapie (beinhaltet auch keine weitere Sauerstoffgabe, keine NIV-Therapie (Ergänzung: NIV - nicht invasive Beatmung), keine ITN (Ergänzung: keine Intubation zur invasiven Beatmung), keine Dialyse, keine Ernährungstherapie, keine Reanimation).

    Sie wünscht eine Therapiezieländerung im Sinne des Best-Supportive-Care und eine analgetische Abschirmung falls sich die respiratorische Situation verschlechtert.

    Die Tochter bekräftigt auch, dass ihre Mutter im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sein und unterstützt die Entscheidung ihrer Mutter.Die Tochter kann sich in aller Ruhe von ihrer Mutter verabschieden."

    Ich glaube sehr fest, dass dies in vielen Krankenhäusern so möglich ist.

    Ich wünsche allen, dass sie gesund bleiben, und wenn sie erkrankt sind, schnell und möglichst ohne Folgen genesen.

    Nein, kein Mobbing.

    Ich habe den Zusammenhang auch nicht erkannt und mich genau so gewundert wie Sir Pech

    Ich denke, alle sind inzwischen empfindlich gegenüber Menschenansammlungen, so dass sich ein diesem Bild in der aktuellen Zeit einfach die Nackenhaare sträuben und ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass das ein altes Bild sein könnte.


    Aber nun ist das ja geklärt.

    Liebes Corona-Tagebuch,

    heute muss ich dir von einem Erlebnis besonderer Art erzählen, das mich teilweise erheitert, teilweise geärgert und am Ende erschüttert hat:

    Vor dreieinhalb Wochen wollte unser Kaffeeautomat keinen Kaffee mehr mahlen, statt dessen gab er gruselige Geräusche von sich. Ganz klar, das Teil muss in die Reparatur. Aber wo? Google hilft ja immer und zeigte drei Firmen im Umkreis, die Jura-Maschinen reparieren. Also die Firma gewählt, die von der Arbeit am besten zu erreichen war. Angerufen und hingefahren. Der Laden war ja zu, aber immerhin, man erwartete mich. Maschine abgegeben und Namen gesagt. Nach gefühlten endlosen Minuten kam ein junger Mann und sagte: "Ich kann sie in unserer Kartei nicht finden." Hätte er mich vorher gefragt, hätte ich ihm das sagen können. Also einen Zettel mit Name und Adresse ausgefüllt (ja, ich schreibe sehr leserlich, ich werde immer für meine leserliche Schrift gelobt). Telefonnummer von der Arbeit ungefragt dazu geschrieben. Auftrag unterschrieben und mit der Durchschrift nach Hause gefahren, nachdem ich die Auskunft erhalten hatte: Wir haben nicht viel zu tun, dauert 1-2 Wochen, der Jura-Mechaniker sitzt hier in der Firma. Nach eineinhalb Wochen habe ich mal auf den Zettel geschaut und festgestellt, dass die Telefonnummer falsch war. In der Hoffnung, die geliebte Maschine vor Ostern noch zu bekommen, rief ich dort an und erklärte, dass die Telefonnummer falsch sei und man mich gar nicht erreichen könne. Ja, das wolle man weiter geben. Okay, Stand der Reparatur? Könne man nicht sagen. Okay. Ich habe nach Ostern Urlaub, ich gebe ihnen meine Handynummer. Kein Problem, das gäbe man weiter.

    Der Kaffee aus der französischen Presskaffeemaschine ist auch lecker, aber mein geliebter Latte Macchiato fehlte mir schon. Es war auch nirgendwo frisch gemahlter Kaffee zu bekommen. Interessanterweise bekam ich welchen in unserem Zeitschriftenladen, der auch eine kleine Tschibo-Ecke hatte.

    Nach drei Wochen ein erneuter Versuch: Wie der Stand der Reparatur sei? Ja, also, eh, ... Ich erklärte, man habe von 1-2 Wochen gesprochen. Ja, der Jura-Mechaniker sei erkrankt und man habe die Maschine weg schicken müssen. Während ich in der Warteschleife hing, hatte ich den Auftrag noch einmal studiert und festgestellt, dass in der Adresse auch die Straße falsch geschrieben war. Der junge Mann korrigierte die Straße. Ich sagte, meine Handynummer hätten sie ja. Nein, hatten sie nicht und die Telefonnummer von der Arbeit war auch nicht korrigiert. Aber nun war alles gut. Und ja, am übernächsten Tag käme die Maschine wohl wieder, man würde mich anrufen. Leider rief an dem Tag niemand an. Aber ich meldete mich. Inzwischen hatte der Laden seit zwei Tagen wieder offen. Das Telefon klingelte endlos, endlich meldete sich eine Frau: nein, zu einer Reparatur könne sie keine Auskunft geben, sie arbeite in der Küchenabteilung. Ja, wenn ich wollte, könne sie mich verbinden. Doch, das wollte ich. Oh, da müsse er erst schauen, er riefe in 5 Minuten zurück. Nach 30 Minuten rief ich zurück: oh, ja er habe Kunden gehabt (ich war wohl kein Kunde). Nein, die Maschine sei noch nicht da. Ja, aber heute sei doch Mittwoch und man hatte mir doch Montag gesagt... Freitag könne ich die Maschine holen. Nun traute ich denen ja nicht mehr über den Weg, deswegen rief ich am Freitag noch einmal an, bevor wir 20 Minuten weit fahren würden. Großes Gesuche, man könne den Auftrag nicht finden. Man melde sich gleich. Tatsächlich kam 10 Minuten später eine SMS, die Maschine könne abgeholt werden. Vor dem Laden eine kleine Schlange, aber nach 20 Minuten in der Sonne konnte ich tatsächlich eintreten. 3 Kunden im Laden und 7 Mitarbeiter. Zwei suchten meinen Auftrag. Es war ja auch immerhin eine halbe Stunde her, dass irgendjemand den in der Hand gehabt hatte.

    Am Eingang ein Tisch mit einer Flasche Desinfektionsmittel in einer Sprühflasche. Super: Jeder packt mit seinen Händen daran und hat schon mal alle Keime auf den Händen, die die Kunden vorher dort hinterlassen haben. Dann wischt jeder drei Sekunden (30 Sekunden sollten es sein) und nimmt seine und die fremden Keime wieder mit. Auf dem Desinfektionsmittel ein Aufkleber: hilft bei gekapselten Vieren. Ich bin mir nicht sicher, wo das Desinfektionsmittel herkam und ob es wirkte. Das ist m. E. gut gedacht und ganz schlecht gemacht.

    Aber immerhin, man fand den Auftrag. Der junge Mann sagte: 219€. Meine Frage: Ja, und was wurde gemacht? Ey? Hä? Na ímmerhin wurde die Frage beantwortet. Bezahlt und dann wurde die Maschine in mein Auto gestellt.

    Naja, Kundenbindung sieht anders aus, beim nächsten Mal muss erneut Google gefragt werden. Und der Umgang mit den Corona-Viren (oder Corona-Vieren? - Vier fahr'n nach Lodz???) kann auch noch deutlich optimiert werden. Aber immerhin haben die Mitarbeiter alle eine Maske getragen, 3 Tage vor der Maskenpflicht.

    Nun steht die beste Kaffeemaschine wieder bei uns und ich bin um viele Erfahrungen reicher.

    Ja, ansonsten geht es uns gut. Wir haben einen Garten, geregelte Arbeit und soziale Kontakte dadurch. Also, uns geht es viel viel besser als all denen, an die ich oft denke mit Homeoffice, ohne Kita, ohne Schule, ohne Balkon (ach, ich darf gar nicht dran denken, aber tun kann ich gar nichts für jene Menschen außer hoffen, dass es bald eine Lösung für sie gibt).


    Danke, dass Du mir zugehört hast.

    Dein Spielteufel

    Nachtrag zu gestern, aber dann höre ich auch auf: der obige Screenshot ist aus dem Rundschreiben der Krankenhausgesellschaft. Jetzt können wir erstmal gar nichts mehr abrechnen, da eine "technische Umsetzung... nicht realisierbar ist". Mann weiß, dass es nicht geht, aber die Vorschrift gibt es trotzdem. Eigentlich hatten wir gedacht, wir ändern einfach den Betrag, aber so leicht geht es dann doch nicht. Ich habe es gesagt, ich glaube es erst, wenn das Geld da ist.


    Aber jetzt wieder zum Tagebuch, denn da geht es ja nicht um rechtlichen Blödsinn.


    Seit zwei Wochen möchte ich am Wochenende gerne Toast essen, aber ich habe kein Toastbrot bekommen. Gestern hatte der Supermarkt welches, da habe ich es sofort gekauft, aus Angst, dass es am Wochenende wieder keines gibt. Wie bin ich denn drauf? Die Zeit verändert uns, eine solche Situation hätte ich mir vor vier Wochen nicht vorstellen können.

    Torlok Danke, für die gut gemeinte Info: aber ich arbeite in der Krankenhausverwaltung und kenne das alles. Ich habe geschrieben, bisher schaut es so aus und ja: unsere Liquidität ist erstmal gesichert.


    Ich will hier auch nicht zu weit ausschweifen, aber im Pflegestärkungsgesetz wurde auch behauptet, dass endlich alle Pflegenden im Krankenhaus voll refinanziert werden. Da wird auch viel Werbung in der Bevölkerung für gemacht. Tatsächlich ist noch nicht klar, wie es kommen wird, aber auf gar keinen Fall so, wie es vollmundig behauptet wird. Z. B. zählt eine "ältere" Hebamme, die nicht mehr im Kreißsaal arbeitet, aber auf der Neugeborenenstation einen guten Job macht, nicht zu dem zu refinanzierenden Pflegepersonal dazu, da sie keine examinierte Pflegekraft ist.


    Die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) soll ja angeblich dazu dienen, sicher zu stellen, das genügend examiniertes Pflegepersonal auf bestimmten Stationen (Kardiologie, Unfallchirurgie, Geriatrie, Intensivstation) arbeitet. In der Praxis ist es ein Dokumentationsmonster und sorgt im Pflegebereich dafür, dass ständig Kolleginnen oder Kollegen auf andere Stationen versetzt werden, wo es nämlich laut PpUGV sonst zu wenig wäre. Laut der PpUGV müssen wir aber im Früh- und im Spätdienst gleich viel Personal vorhalten, obwohl spät weniger zu tun ist. Auch am Wochenende muss mehr Personal vorgehalten werden als tatsächlich erforderlich wäre. Wenn man das nicht korrekt dokumentiert oder aus welchen Gründen auch immer mal weniger Personal vor Ort ist, werden saftige Strafzahlungen fällig.


    Auch das MDK-Reformgesetz war primär mal dafür gedacht, die Krankenhäuser zu entlasten von unsinnigen Rechnungsprüfungen, die sowohl auf Seiten der Krankenhäuser als auch auf Seiten der Kostenträger viel viel Geld kosten. Was dabei heraus gekommen ist, ist unterirdisch.


    Deswegen: ja, erstmal klingt das vernünftig und sichert den Krankenhäusern Liquidität, aber wir trauen niemandem mehr. Der Pflegeentgeltwert beträgt übrigens 146,55€ (und nicht 38€). Das Geld, welches uns die Krankenkassen jetzt zahlen, werden sie sich im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder holen.


    So, das war jetzt sehr OT - Entschuldigung.


    Und denkt dran: unsere Krankenhäuser sind wirklich gut vorbereitet und alle Mitarbeitenden machen einen guten Job fernab von allen Querelen mit Finanzierung und den vielen Gesetzen von Herrn Spahn, die gut gemeint, aber schlecht gemacht sind.


    Bleibt gesund wünscht Euch

    der Spielteufel

    Also bei uns im Krankenhaus ist Mundschutz für alle Mitarbeiter Pflicht, auch für die Verwaltung, wenn man unterwegs ist. Teambesprechungen sind alle abgesagt, wenn dann im großen Konferenzraum mit 2m Abstand.

    Das Krankenhaus ist nur halb gefüllt, alle elektiven Operationen und Patienten sind abgesagt. Wir warten auf die Corona-Patienten-Welle. Zwei Stationen sind jetzt zusätzlich auf Intensivpatienten aufgerüstet. Momentan haben wir 8 Corona-Patienten, einer beatmet. Das Krankenhaus ist gespenstisch so ohne Besucher, nix los auf den Gängen.


    Edit: Ich bin ja aktuell für die Meldung an das "Informationssystem Gefahrenabwehr NRW (das heißt wirklich so) zuständig und habe gerade die aktualisierten Zahlen eingegeben: 11 Patienten und 4 beatmet. Nimmt doch ein bisschen Fahrt auf.


    Außerdem machen wir uns natürlich Sorgen, wie das langfristig wird. Ohne Patienten keine Einnahmen, aber alles Personal wird vorgehalten. Ob alle Versprechungen, die Herr Spahn macht, eingehalten werden? Bisher schaut es ja so aus, aber langfristig werden sich die Kassen das Geld schon wieder holen.


    MetalPirate Dein Chef ist total verantwortungslos.

    Ich habe heute auch eine Bescheinigung bekmmen, dass mein Erscheinen bei der Arbeit erforderlich ist. Klug mitgedacht, denn 1.500 Mitarbeiter damit zu versorgen benötigt schon einiges an Logistik. Diejenigen, die frei haben, bekommen es per Post.

    Egal ob und wann eine Ausgangssperre kommt, hat mein Arbeitgeber früh genug gehandelt.

    Nachdem ich den Rest der letzten Woche ja auch auf der Insel Bad Holzhausen verbringen durfte, habe ich gestern Abend erstmalig leere Regale im Supermarkt bestaunen dürfen - mich macht das sprachlos: kein verpacktes Brot, kein Mehl, Konserven reduziert, kein Zucker (wird der gegessen? was tut man mit soviel Zucker?)...


    Das Krankenhaus ist für Besucher gesperrt, durfte gestern am Haupteingang "Wache" stehen: wer darf rein, wer nicht, um Verständnis bitten, kleine Botengänge zwischen Besuchern und Stationen/Patienten erledigen. Weswegen manche Menschen so ins Krankenhaus gehen: sie möchten zur Toilette, sie möchten sich die Hände desinfizieren, sie haben die Zeitschrift am Kiosk abonniert... Aber es gab auch ein paar Dramen, wenn Besucher nicht zu schwerkranken Patienten durften. Aber die meisten haben Verständnis. Trotzdem ist die Situation mehr als skurril. Nichts, was sonst wichtig ist, gilt noch, täglich tagt eineinhalb Stunden die Coronakommission, bespricht die aktuelle Situation und dann kommen neue Verfahrensanweisungen... So was habe ich in 30 Jahren Krankenhaus noch nicht erlebt.


    Über zwei Standorte liegen in 808 Betten noch 500 Patienten, wir warten auf die Coronapatienten. Eine Station wird zur Intensivstation aufgerüstet, Pflegende in der Bedienung von Beatmungsgeräten geschult, die operativ tätigen Kollegen in internistische Geheimnisse eingeweiht. Und wir warten auf das Geld der Kassen, denn die Mitarbeiter müssen bezahlt werden, obwohl die abgerechneten Fälle in den Keller gehen. Es bleibt spannend.


    Home-Office ist natürlich nicht drin, dafür sind die Straßen jetzt sehr leer, das kann gerne so bleiben :).


    Schau'n wir mal, was die Zeit so bringt.