Wir haben letzten Freitag zu viert die Westeuropaversion gespielt.
Ich besitze beide Versionen und habe nun auch beide gespielt.
An dieser Stelle gebe ich einfach völlig ungeordnet mal ein paar Beobachtungen wieder.
Weiterhin bin ich sehr begeistert vom Gameplay und den Möglichkeiten.
Das Aktionsboard ist klasse, insbesondere die Varianz, denn die Karten der fünf Hauptaktionen werden bei jedem Spiel neu verteilt. Dadurch gibt es auch in jedem Spiel neue Kombinationen für die Reaktionen, die man bekommt, wenn die dritte Scheibe per Aktion gesetzt wird. Die unterste Scheibe geht dann raus und der betroffene Spieler hat die Wahl zwischen zwei Reaktionen.
Ja, das Spiel dauert recht lange, es ist nach meinem ersten Eindruck von der Spieldauer so etwa auf Eclipse-Niveau.
Was auch interessant ist: Es gibt bei den Kulturkarten ein Füllhorn an unterschiedlichen Entwicklungskarten, die alle dreistufig nach Art eines Techtrees verbessert werden können.
Aaaaaaber: Du hast NUR vier Slots für diese Karten in deinem Playerboard, das heißt, du musst genau überlegen, welche du willst und wie du dich entwickeln willst. Sind alle deine vier Slots belegt, bist du für den Rest des Spiels festgelegt und kannst die Karten nicht mehr entfernen, um andere einzubauen.
Ich habe das beim ersten Spiel bitter erfahren, weil ich, fasziniert von den tollen Karteneffekten munter meine Slots gefüllt habe und dann weinend zur Kenntnis nehmen musste, dass noch viel bessere Karten kamen, die ich nicht mehr nehmen konnte. Man kann zwar auch dann noch weitere Karten auf die Hand nehmen (zum Beispiel sie einem Mitspieler wegzuschnappen), aber dann kann ich diese Karten höchstens noch über die Reaktionsmöglichkeit "Kulturaustausch" zu Gold machen.
Erst jetzt, nach dem Spielen beider Varianten habe ich gemerkt, dass es doch einige Unterschiede gibt.
Um mal ein paar interessante vergleichbare Unterschiede zu nennen:
Das Modul "Papst" (eine Karte-Centraleuropa) gefällt mir deutlich besser als "Fibonacci" (eine Karte-Westeuropa). Ich meine: Papst werden! Wer will das nicht! Aber Spaß beiseite, ich bekomme diesen Titel, wenn ich eine Kirche baue und gleichzeitig Ressourcen abgebe - je mehr Kirchen schon auf dem Spielbrett stehen, desto teurer wird es. Macht Kirchenbau schon attraktiver, denn eine Kirche besetzt in der Stadt einen von drei Slots zum Bau von Produktionsgebäuden und man überlegt sich schon, ob sich das lohnt.
Andererseits gibt jeder Kirchenbau mindestens 5 Siegpunkte, manchmal auch ein paar mehr.
In Kombination mit manchen Prachtbauten (insbesondere denen von der Centralvariante) gibt das öfters noch mal extra Siegpunkte.
Die Fibonaccikarte ist auch ganz nett, sie hilft, günstiger zu bauen, muss aber nach Gebrauch an den Nachbarn weitergereicht werden und wandert so ständig rund.
Auch die Sache mit den Titeln ist nett. Titel (außer Papst s.o.) bekommt man, wenn man die meisten, oder mindestens die Hälfte von Gebieten einer Region kontrolliert. Das lohnt sich doppelt, denn einerseits bekommt man für die Erstverleihung eines Titel und nochmals am Spielende dafür Siegpunkte, andererseits gibt jeder Titel pro Durchgang eine Extraaktion, mit der ich die gerade durchgeführte Hauptaktion ohne weitere Spielscheibe sofort wiederholen kann. Auch eine coole Option, die man haben will.
Überhaupt die Module. Ich würde Prachtbauten und Heerführer beim Erstspiel mit erfahrenen Spielern gleich mit rein nehmen. Die Prachtbauten sind schon cool und geben interessante Sondereffekte, manche sofort und einmalig, manche dauerhaft. Und die entsprechenden Minis auf dem Brett tragen zur Atmosphäre bei. Allerdings: Bauen ist teuer und man sollte sie in sicheren bzw. gut abgesicherten Gebieten, denn verliert man das Gebiet, erfreut sich der Gegner am schönen Prachtbau und dessen Effekt. Heerführer geben Vorteile im Kampf, jeder der fünf unterschiedliche. Allerdings müssen sie erst mal für zwei Gold angeworben werden und Gold ist immer ziemlich rar, zumindest in der ersten Spielhälfte. Da überlegt man schon mal Kosten und Nutzen, zumal die Heerführer selbst außer ihrem Spezialeffekt nicht zum Kampfgeschehen beitragen.
In meinen beiden Spielen wurden jedenfalls oft die Prachtbauten gebaut, aber sehr selten die Heerführer angeworben, obwohl man sie, einmal angeworben, bis Spielende behält.
Insgesamt ist es toll, dass in beiden Spielboxen komplett unterschiedliche Heerführer und Prachtbauten sind.
Noch ein Vergleich, weil ähnliche Funktion: Die Module Wikinger (Westvariante) und Reisen des Benjamin (Centralvariante). Beide bestehen aus mehreren Karten, die zu Beginn in den Kulturstapel eingemischt werden - je nach Spielerzahl in unterschiedlicher Menge und gleichmäßig verteilt auf die obere und untere Hälfte des Kulturkartenstapels.
Ich habe einfach mal beide Module zusammen (incl. der Prachtbauten) mit in den Kulturstapel gemischt, um noch mehr Varianz zu haben. Ja, das bläst natürlich den Kulturkartenstapel auf, so dass diese Spielendebedingung unwahrscheinlicher zuerst eintritt. Hat aber, wie ich finde, nicht gestört.
Meine Beobachtung: Benjamin ist wesentlich attraktiver als die Wikingerkarten.
Denn die Benjaminkarten funktionieren als Setcollection, je mehr du sammelst, umso besser werden die Belohnungen. Maximal fünf machen Sinn, meistens gibt Ressourcen oder Siegpunkte. Aber richtig geil ist es, wenn ich die vierte Karte ergattere, denn dann darf ich dauerhaft statt bisher zwei nun drei Gutshöfe bauen, was wiederum auf meinem Playerboard viele Siegpunkte freischaltet.
Dafür muss ich sonst deutlich mehr Gebiete kontrollieren! Gibt eine schöne Dynamik, denn selbst, wenn ich noch keine Benjaminkarte habe, würde ich wahrscheinlich eine über die Kultur entwickeln-Aktion aus der Auslage nehmen, wenn ich damit verhindern könnte, dass mein Gegner sonst die vierte davon bekommt. Ist ein geiles Modul.
Das Wikinger-Modul war im Spiel deutlich weniger attraktiv und diese Karten blieben in der Auslage oft verschmäht liegen. Man kann mit den Wikingerkarten (alle sind leicht unterschiedlich) zu günstigen Kursen Ressourcen tauschen oder für gewisse Ressourcen Wikinger als einmalige Söldner für Kämpfe anheuern. Letztlich erschien das viel von uns als wenig lohnenswert, aber ich kann mir vorstellen, dass ein paar Wikingersöldner in Hinterhand für manche Gegenspieler sowohl den Angriff, als auch eine evtl. Verteidigung durchaus ein gewisses Abschreckungspotential bieten. Muss ich mal ausprobieren.
Noch ein Vergleich: Die 8 Reliquienkarten (Centralvariante) und die 8 Vasallenkarten (Westvariante).
Beide sind in den jeweiligen Boxen Teil der Kulturkarten (die sonst in beiden Boxen identisch sind).
Und, ihr ahnt es schon, natürlich haben wir mit Vasallen und Reliquien gespielt.
Ich fand es einfach super, beide drin zu haben, wofür habe ich mir denn beide Boxen gekauft.
Reliquien ziehst du auf die Hand und kannst eine Reliquie (sehr thematisch!) beim Bau einer Kirche ausspielen. Sie geben meist coole Einmaleffekte und Boni.
Vasallen ziehst du nicht auf die Hand, sondern legt die Karte neben dein (eh schon üppig großes)Playerboard. Ab dann kann man einmal pro Durchgang eine Scheibe als Aktion auf diese Karte plazieren und ihren Effekt ausführen, es sind oft verbesserte Effekte der Hauptaktionen.
Mir gefallen beide Varianten und ich finde, man kann auch durchaus beide zugleich reinnehmen.
Stichwort: Spielende triggern, da bietet das Spiel ja verschiedene Möglichkeiten: Bau der letzten Stadt, Bau der letzten Kirche, Kulturnachziehstapel wird leer oder ein Spieler hat alle vier Entwicklungskarten auf Stufe drei hochentwickelt und/oder seine Kriegstechniken auf Stufe drei.
Bei beiden Spielen triggerte immer zuerst letztere Variante. Diese Möglichkeit, das Spiel zu beenden ist auch eine ziemlich smarte, denn sie verhindert, dass sich ein Spieler immer mehr ein Produktionsimperium aufbaut, mit dem er auf längere Sicht mit Sicherheit das Spiel gewinnen würde.
Dem lässt sich ein Riegel vorschieben, indem man gezielt über die Entwicklungen das Spiel früher beendet, aber man sollte natürlich relativ sicher sein, dass man am Ende auch vorn liegt.
Noch was zur Startsituation: Die Herrscher, die man zu Beginn wählen kann und ihre Heimatländer sind zusammen mit ihren beiden ersten Begleitkarten schon sehr unterschiedlich.
Eine Kriegstechnik, die meine Reiter schon ziemlich früh auf 3+ statt auf 5+ treffen lässt, ist schon mega stark, vor allem, wenn das Heimatland bereits über eine (der raren) Eisenproduktionen verfügt, mit dem man diese Einheiten anwerben kann. Allerdings, auch hier setzt das Spiel Grenzen, denn mehr als fünf reguläre Reitereinheiten kann niemand aufs Spielbrett bringen.
Unterm Strich für mich ein tolles 4X-Spiel und ich werde aufgrund der hier geschilderten Unterschiede auch beide Boxen behalten. sorry Torlok
Bin gespannt auf den Bericht/Artikel von brettundpad .