Beiträge von Tarewan im Thema „Desinteresse an intensiver Interaktion?“

    Zitat

    Original von Sternenfahrer
    Auch Dein Beispiel mit dem auf's Klo gehen und wiederkommen gilt zu 100% für Agricola (was übrigens, wenn man ein bißchen Überlegung hineinsteckt, ein sehr guter Gradmesser für die hier diskutierte Interaktivität sein könnte - stört es den Spielablauf bzw. mein eigenes Abschneiden beim Spiel, falls ich, wenn ich nicht an der Reihe bin, den Spieltisch verlasse?).


    Zwar verändern die Aktionen meiner Mitspieler die möglichen Aktionen, aber das tun sie auch, wenn ich nicht dabei bin. Auch die Analyse der "gegnerischen" Höfe bei Agricola macht mir z.B. Spaß und läßt vorausahnen, was sie als nächstes tun werden (oder, bei Gelegenheitsspielern, tun müßten). Wirkllich nützlich ist mir das aber meiner Meinung nach selten. Falls für einen anderen Spieler z.B. Lehm genauso wichtig ist wie für mich (auf Grund von Ausbildungen/Anschaffungen), führt das nur dazu, daß wohl keine von uns das Spiel gewinnen wird...


    Ich vermute mal, daß Dir es vor allem deswegen spielenswerter erscheint, weil es wesentlich eleganter als Runebound ist; letzteres werden viele vielleicht ersterem auf Grund der Thematik oder weil sie sowieso Rollenspieler sind, vorziehen.



    Ich habe nicht gesagt, dass mir Agricola spielenswerter erscheint als Runebound. Tatsächlich ist Runebound derzeit das Spiel, das am häufigsten auf dem Tisch liegt. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht (mehr) mit mehr als 3 Leuten spielen würde.
    Ich habe es nur als Beispiel herangezogen für Spiele, bei denen mir die Züge der anderen wirklich egal sind.
    Mit Beeinflussbarkeit hat das m.E. auch nur bedingt zu tun. Bei Agricola ändert sich die Situation durch jeden Zug der anderen, bei Runebound tut sie das m.E. nach nicht, zumindest nicht in einem Umfang, der mich interessiert. Die Bewegung ist ja vielleicht noch interessant, aber die nimmt normalerweise 1/10 der Zugdauer in Anspruch. Und der Verlauf des Kampfes ist für mich völlig uninteressant.
    Und ich fiebere auch bei der Bewegung bei Runebound nicht mit, wohin jetzt der andere geht - interessant für mich ja eh nur, wenn er in meiner Nähe ist - ich gehe dann halt woanders hin, alles ist ja im Wesentlichen gleich gut. Bei Agricola ist's schon eher entscheidend, ob sich der vor mir jetzt für dieses oder jenes entscheidet und ob "mein" Feld frei bleibt.
    Interaktion und gefühlte Downtime haben eben viel damit zu tun, ob die Aktionen der anderen "spannend" sind.
    Wenn man Interaktion darauf reduziert ob ich direkt im Zug des anderen etwas beeinflussen kann, dann haben solche Spiele natürlich nie Interaktion. Dann kann ich Agricola mit Runebound und Schach und Go in einen Topf schmeißen. Und im anderen landen dann Siedler von Catan, Diplomacy, Intrige und Junta. Sprich, Interaktion ist, wenn ich ausgebootet werden kann, weil ich gerade nicht da bin (oder mit dem falschen Verhandlungspartner vor der Tür).


    Tarewan

    Zitat

    Original von openair


    Neben der Freude an dem direken miteinander / gegeneinander und der Freude im richtigen Moment Absprachen zu brechen (sehr selten - man spielt ja wieder...) ist in solchen fällen natürlich die "Downtime" entsprechend reduziert.


    Allgemein stimme ich zu daß sich zur Zeit Spiele häufen in denen jeder vor sich hin spielt. Nimmt man aber im gegenzug an daß Handels- und Mehrheitenspiele eine höhere Interaktion aufweisen könnte man auch sagen daß in Vergangenheit vermehrt Interaktionsspiele gab da Handels- und Mehrheitenspiele eine ganze Zeit ja sehr "Hip" waren.



    Zu diesem Thema zweierlei:


    Zunächst einmal finde ich die Diskussion um die "Interaktion" immer wieder witzig. Soweit ich das beurteilen kann, findet die erst seit "Siedler von Catan" statt. Davor gab's gute Spiele und weniger gute Spiele. Erst seit Catan gibt's dieses ständige Gejammer, das und das Spiel wäre ja ganz gut, aber es gäbe halt keine Interaktion.
    Naja, vielleicht täusche ich mich auch und es liegt einfach am Internet, das ja auch erst in den Jahren nach "Catan" seine heutige Breitenwirkung entfaltet hat - und ich musste es früher einfach nicht so oft hören.


    Wie dem auch sei - meiner Ansicht nach gibt es in vielen der genannten Spiele durchaus Interaktion. Sie ist vielleicht versteckt, aber sie ist da. Es ist sehr wohl interaktiv, ob ich mich entscheiden muss, ob ich das Holz gleich nehme oder erst auf den Nachwuchs gehe, je nachdem was mir wichtiger ist bzw. wovon ich vermute, dass es eher noch verfügbar sein wird, wenn ich wieder dran bin. Gerade bei Agricola fällt oft ein "da wollte ich jetzt hin". Was daran weniger interaktiv sein soll als dem Nachbarn mit einem Haufen Landsknechte den Bauernhof abzufackeln oder mal eben mit ihm 2 Getreide gegen 1 Gemüse zu tauschen, verstehe ich nicht wirklich - es ist eben ein andere, weniger direkte Form der Interaktion.


    Ich finde, man muss da vor allem unterscheiden zwischen "betreffen mich die Züge meiner Mitspieler" oder "die Züge meiner Mitspieler sind mir egal".


    Nehmen wir zum einen mal "Through the Ages", zum anderen "Runebound". Ich spiele gerne "Through the Ages" zu viert. Es macht mir gar nicht aus, wenn ich da gefühlte Stunden darauf warte, dass die Spieler vor mir ihre Züge beenden. Es passieren ständig Dinge, die mich beeinflussen, was wird aus der Auslage genommen, was kommt nach, wie verändert sich das Militärverhältnis usw. Und ich kann meinen eigenen Zug vorbereiten und durchdenken.
    Da kenne ich keine Langeweile.


    Auf der anderen Seite "Runebound". Wie man das zu sechst spielen kann, ist mir ein Rätsel. Maximal zu dritt kann man das überstehen, ohne vor Langeweile einzuschlafen. Denn hier sind mir die Züge meiner Mitspieler wirklich egal. Ok, sie können dahin laufen, wo ich auch hinwollte und mir das Abenteuer "klauen", das ich als nächstes nehmen wollte. Gehe ich halt woanders hin. Ok, vielleicht kauft mir auch mal jemand den Gegenstand vor der Nase weg, den ich kaufen wollte. Egal, kaufe ich halt was anderes.
    Und die Kämpfe nachvollziehen mag man spätestens beim dritten Kampf auch nicht mehr.


    Für manchen Vorredner mag das in beiden Spielen dasselbe sein - man puzzelt vor sich hin.
    Ich sehe da einen gewaltigen Unterschied!


    Und das bringt mich zum zweiten Punkt:
    Interaktivität als Kontrastpunkt zur Downtime zu setzen, das mag in einem Fall stimmen und im anderen nicht.


    So ist zum Beispiel "Titan" ein hoch interaktives Spiel - mit jeder Menge Downtime, insbesondere wenn man mit mehr als zwei Spielern spielt.


    "Downtime" ist für mich Zeit, in der ich nichts sinnvolles tun kann. Ich "tue" aber auch was, wenn ich meinen Zug planen kann oder wenn mich die Aktivitäten des Spielers am Zug interessieren, weil sie für mich von Belang sind.
    Dazu muss ich überhaupt nicht am Zug sein. Richtige "Downtime" gibt es für mich nur in Spielen, wo ich aufs Klo gehen kann, wiederkomme und nicht frage, was ist passiert, sondern einfach meinen Zug mache, sollte ich denn schon wieder dran sein.


    Bei "Titan" kann ich meinen Zug nicht planen, da ich meine Bewegungsmöglichkeiten noch nicht kenne. Und zumindest die Zeit, in der die Gegenspieler überlegen, welche Armeen sie bewegen, ist Downtime. Genauso wie die Kämpfe, bei denen mich auch nur der Ausgang interessiert (zumindest wenn ich die Mitspieler und deren Spielstärke kenne). Welche Kreaturen angeworben werden, gehört schon wieder nicht zur Downtime.


    Und trotz all der Downtime ist Titan ein tolles Spiel.


    Und darauf wollte ich eigentlich hinaus: Eigentlich sollte es primär darum gehen, ob ein Spiel gut ist oder nicht.
    Da kann natürlich jeder seine eigenen Maßstäbe anlegen. Für mich steht fest, ein Spiel gefällt mir nicht deswegen, ob es "interaktiv" ist oder nicht, ob die einzelnen Züge der Spieler lang oder weniger lang dauern. Ein "Mehrpersonen"-Solitär kann mich genauso fesseln wie ein Spiel, das meine ständige direkte Aktivität fordert.



    Tarewan