Beiträge von ravn im Thema „Analytische Turniervorbereitungen enträtseln ansonsten gute Brettspiele und vernichten den Spielspaß dadurch?“

    [Puerto Rico ist ein ...] typisches Beispiel von einem Spiel, das durch die Deutsche Brettspielmeisterschaft verbrannt wurde. Leider. Und ein Grund für mich mehr, solche Turniere abzulehnen, die dazu anregen, Spielmechaniken analytisch zu enträtseln. Wer da links von dem sozialsten Mitspieler sitzt, der gewinnt in solchen Runden.

    Ich habe null-komma-null Interesse an turniermäßigem Spielen, weil bei mir der Spielspaß, idealerweise für alle am Tisch, die klare Nummer eins ist, nicht das Gewinnen. Trotzdem würde ich deinem Satz nicht zustimmen. Ein Spiel, das in der ersten Liga der Spiele mitspielen will, muss auch analytisches Enträtseln und turniermäßiges Spielen aushalten können. Notfalls mit Varianten/Modifikationen wie "Auktionen in Siegpunkten für Plätze in der Startreihenfolge", völlig variabler Spielerreihenfolge statt "reihum im Uhrzeigersinn" oder ähnlichem. Wenn in einem Spiel die Erfolgschancen von der Sitzposition relativ zu den Mitspielern abhängen, ist das immer ein Minuspunkt.


    Back on topic: ja, dieses mögliche Problem des unfreiwilligen Vorlagengebens hat auch Root. Sogar in radikal verstärkter Form, weil nicht nur durch den rechten Nachbarn, sondern im Prinzip durch alle. Wenn auch nur ein Mitspieler nicht weiß, dass auch eine noch völlig harmlos wirkende Woodland Alliance radikal eingehegt werden und runtergeprügelt werden muss, sobald diese irgendwo Fuß zu fassen versucht, dann gewinnt diese. Völlig instabiles Design. Ich habe Root verkauft. Für meinen Geschmack ist das ein Musterbeispiel der maßlos überschätzten Kickstarter-Spiele.

    Obige Diskussion ist aus dem Root-Forenthread entstanden, würde da aber wohl untergehen, deshalb habe ich da mal eine neue Diskussion eröffnet:


    Wie seht Ihr das? Habt Ihr es auch schon selbst erlebt, dass vorab als gut empfundene Brettspiele ihre Faszination verlieren, wenn die tiefgreifend analytisch auseinander genommen worden sind, um deren Spielmechaniken zu enträtseln, um auf dieser Grundlage einfache Handlungsanweisungen zu entwickeln, die den eigenen Spielsieg wahrscheinlicher machen sollen?


    Da in meinem Mitspieler-Umfeld öfters an diversen Turnieren teilgenommen wird, sind solche Spiele nach den vorangegangenen Trainingsphasen oftmals spielerisch verbrannt oder besser gesagt ausgebrannt und es macht kaum einen spielerischen Sinn, die nochmals auf den Tisch zu bringen. Denn die besten Siegstrategien sind allgemein bekannt und das Spiel seinem Zauber beraubt, es selbst noch spielerisch zu erkunden in seinen Möglichkeiten.


    Möchte man auf Sieg spielen, müsste man schon zwangsläufig diverse Spielweisen meiden und andere bevorzugen und dadurch kann sich die Spielcharakteristik wie bei Puerto Rico enorm wandeln - konkret ins Destruktive, um ja keinerlei Vorlagen zu bieten und darauf zu hoffen, dass irgendjemand einem selbst eine Vorlage bietet. So eine Spielweise ist wohl die beste Aussicht auf Erfolg, aber sorgt allgemein für eine miese Stimmung am Tisch - zumindest von mir so empfunden. Konfrontativ immer gerne, aber wenn ich komplett destruktiv spielen muss, um meine Erfolgschancen zu maximieren, weil man bei Puerto Rico eben mehr Mitspieleraktionen folgt als im Vergleich aktiv selbst aussucht, dann hat mir diese Spielart in ihrer extremen Weise den eigentlichen Spielspaß vernichtet.


    Früher als ich Puerto Rico noch konstruktiver in der Denke "was nützt mir" und nicht "was schadet den meisten meiner Mitspieler" gespielt habe, hat es mir wesentlich besser gefallen. Nur wenn man es so konstruktiv spielt und auf diese konsequent destruktive Spielweise eines anderen Mitspielers trifft, wird man selbst ungewollt zum Vorlagengeber und Königsmacher. Schade.