Herrlich - die Zeit zwischen den Jahren erlaubt es tatsächlich mal wieder, deutlich mehr Spiele auf den Tisch zu bringen als sonst...
Zunächst gab es eine kleine Aufwärmrunde des Mini-Spiels "Diamant" (auch als "Incan Gold" bekannt), die brettspielgewordene Inkarnation des "Chicken-Spiels": Die Spieler gehen gemeinsam in eine durch einzelne Karten nacheinander aufgedeckte Höhle und sammeln Edelsteine ein, doch wenn eine zweite Falle des selben Typs aufgedeckt wird, sind alle Spieler, die noch in der Höhle sind, tot und verlieren die gesammelten Steinchen. Da man umgekehrt bei einem Rückzug alle Steine vom Wegesrand einsammelt, die noch von Edelsteinkarten übrig sind, dies aber möglichst nur alleine machen möchte, ist die simple Entscheidung, wann man sich tatsächlich zurückzieht und dann die nächste aufzudeckende Karte den weiterlaufenden Mitspielern überlässt, einfach genial auf den Punkt gebrachte Pokerspannung, die in 10-15min schnell durchgezockt werden kann. Klar, es ist natürlich glückslastig und kann auch mit abgeschalteter Cortex gespielt werden, aber wir hatten damit zu viert einen unterhaltsamen, mit Schadenfreude und Neiddebatten gespickten Start in den Abend, daher glitzern hier 7.5 von 10 funkelnden Rubinen an der Höhlenwand.
Auch "Tiny Towns" wurde hier bereits mehrfach erwähnt, daher will ich es kurz halten. Jede Runde ruft ein Spieler eine von 5 Ressourcen aus, die auf einem 4x4 Grid platziert werden, um damit aus einer gemeinsamen Auslage Gebäude zu bauen, die im Tetris-Style eine bestimmte Form und Kombination von Ressourcen benötigen. Da dann aber das gebaute (sowie Siegpunkte oder sonstige Vorteile bringende) Gebäude ein Feld blockiert, wird der Spielraum wortwörtlich immer enger... Nach mehreren Partien macht es immer noch Spaß, es kann doch passieren, dass man sich schlicht durch ungünstige Ressourcenwahl der Mitspieler sowie mäßig brauchbaren Sonderkarten als eigener Geheimbauauftrag etwas gespielt fühlt, was ich bei der Länge des Spiels von 30-45min jedoch verzeihe und vor allem demnächst einmal die optionalen Sonderregeln zur Ressourcenbestimmung (Townhall Rules) ausprobieren werde, daher bleibt der Bürgermeister hier vorerst bei 7 von 10 genehmigten Bauanträgen.
Der Untertitel von "Masters of Renaissance" führt mit Lorenzo il Magnifico: The Card Game zunächst schamlos in die Irre, denn der neue Titel von Cranio Creations hat weniger Karten als das Original und ist faktisch nicht einmal ein Workerplacement-Spiel, sondern ein durchaus spannendes Resource Management / Action Selection Spiel geworden. Jede Runde können bis zu vier Spieler jeweils entscheiden, ob sie Ressourcen nehmen, Karten kaufen oder produzieren wollen. Sollte ein Spieler sieben Karten auf seinem Tableau gesammelt oder das Ende des Glaubenstracks erreicht haben, endet das Spiel am Ende dieser Runde und es werden die Siegpunkte auf den Karten und dem Glaubenstrack zusammengerechnet.
Das spannende Dilemma des Ressourcenmanagements beginnt bereits bei der Auswahl, da man sich alle Ressourcen aus einer Reihe oder Spalte eines 3x4 Felder großen Rechtecks mit Murmeln auswählt, wobei die Farbe der Murmeln bestimmt, ob bzw. welche Ressourcen man bekommt. Gleichzeitig verschiebt sich durch die Auswahl die Konstellation der Murmeln für den nachfolgenden Spieler (was leider die Vorausplanung dieser Aktion etwas limitiert). Knackpunkt dabei ist jedoch der begrenzte Speicherplatz für Ressourcen, da man nur 1x, 2x und 3x jeweils unterschiedliche Ressourcenarten maximal bei sich ablegen kann und ein Überfluss zu Boni bei den Mitspielern führt.
Durch diese Ressourcen kann man erste Karten kaufen, die praktisch alle es jeweils in der Produktionsaktion dann erlauben, einzelne Ressourcen in mehr Ressourcen oder Glaubenspunkte zu verwandeln, wobei produzierte Ressourcen keine Lagerbeschränkungen haben und für teurere Karten essentiell notwendig sind. Ich kann jedoch eine Stufe II-Karte nur auf eine Stufe I-Karte bauen, die damit inaktiv wird und habe auch nur drei Slots für Gebäude zur Verfügung und kann jede Karte nur einmal aktivieren, so dass der Aufbau einer effizienten Produktion zu einer filigranen Balance gerät, die durch das Wegschnappen der auserwählten Zielkarte durch Mitspielerkauf mehr als einmal straucheln dürfte. In diesem Spiel muss man die Ressourcen und Pläne der Spieler immer aus dem Augenwinkel im Blick oder einen "Plan B" haben, sonst bleibt man auf evtl. zur Zeit unbrauchbaren Ressourcen sitzen.
Zusätzlich hat jeder Spieler noch zwei Leader (aus 4 Karten zu Beginn ausgesucht), die bei bestimmten Grundvoraussetzungen (z.B. ein gelbes und ein grünes Gebäude haben) ins Spiel kommen und dann Siegpunkte und/oder dauerhafte Boni wie etwa günstigerer Kartenkauf, mehr Speicherplatz oder Umwandeln der "weißen Nietenmurmel" in eine bestimmte Ressource bringen. Auch der Glaubenstrack hat einen cleveren Mechanismus, der die Spieler zwingt, sich gegenseitig im Blick zu behalten, da der Abstand nicht zu groß werden darf, da ein Spieler bei Erreichen eines Papstaudienz-Felds eine Miniwertung triggert und alle Spieler, die dann nicht zumindest ein paar Felder von diesem Feld entfernt sind, Bonuspunkte verlieren.
Die Produktionsqualität ist ordentlich und die Inlays durchaus funktional. Der minimale Renaissance-Flaire des Originals glimmt allerdings lediglich im gleichen Grafikstil von Klemens Franz auf, ansonsten haben die Autoren leider sogar auf Kartentitel oder Namen auf den Leaderkarten verzichtet. Während evtl. so mancher das etwas minimalistische Spieldesign der Produktionskarten (wandle x in y) und Leader (es gibt genau vier Arten) aufgrund der leichten Verständlichkeit und dadurch limitierten Komplexität feiern mag, hätte ich hier gerne etwas mehr Originalität und Abwechslung, die evtl. durch eine Erweiterung mit ein paar Karten mehr schnell erzielt werden könnte.
Es bleibt im Ergebnis ein kniffliges Optimierungspuzzle, bei dem ich zwar nicht immer das Gefühl hatte, das Spiel wirklich strategisch zu kontrollieren (z.B. konnte ich einen einfachen Leader mangels unpassender Gebäudefarben nie ausspielen), konnte aber durch taktische Ausrichtung und Nutzung von Gelegenheiten dennoch gezielt zumindest etwas vorausplanen und passende Produktionsketten aufbauen, die am Ende dank Kartenpunkte und Führung auf dem Glaubenstrack einen souveränen Sieg ermöglichten. Insgesamt hatten auch alle Mitspieler ein befriedigendes Spielerlebnis, was man auch immer an der netten "Diskussion danach" festhalten kann, wenn Fehler analysiert und nicht genutzte Alternativen beklagt werden. Daher spendiert der Doge den Renaissancekünstlern 7 von 10 goldene Dukaten, erwünscht sich dabei jedoch eine kleine Erweiterung.
Bildquelle: Cranio Creations s.r.l.