Beiträge von Pikmin im Thema „Harald Schrapers über die einsamen Solospieler“

    Was ich hingegen oft wahrnehme, sind subtile Angriffe [...]

    Da bin ich zum Teil bei dir. Das "Resozialisierungsmaßnahme" im Originaltext geht mir auch zu weit. Allerdings würde ich 90% dieser "Angriff" in die Kategorie "normales lästern" stecken, wo ich mich immer wieder wundere, warum da manche sofort massiv beleidigt sind, anstatt einfach mal genauso zurückzuschießen, und sich im Grunde darauf zu einigen, dass jeder mit seiner Position glücklich werden soll.

    Redest du nur vom Forum hier oder noch anderen Schauplätzen der Spielewelt? Ich lese wirklich fast nur hier und ich habe Beleidigtsein ohne Grund eigentlich nicht erlebt (es mag dem einen vielleicht nicht "Grund genug" sein, und dem anderen nicht "Angriff" genug - aber es ist eben doch immer etwas da, was über "gefällt mir nicht" hinausgeht). Massiv Beleidigtsein schon gar nicht. Und ab und an wird das von dir geforderte Zurückschießen dann als "beleidigt sein" interpretiert. Wenn Bandida zurückschießt und sagt "wer Geselligkeit will soll mit seinen Kumpels ein Bier trinken gehen" - klar erkennbar ironisch überspitzt; ich weiß gar nicht ob Sie's wussten, aber die Dame spielt sehr gern mit anderen - ist sie die beleidigte Solospielerin, die sich nicht so anstellen soll - angefressen, um nicht zu sagen, beleidigt, ist man wegen des Biertrinkenspruchs aber auch. Also wie man's macht...


    "Normales Lästern" würde mMn Spiele betreffen - "XY ist so trocken, dass ein neues Wort dafür erfunden werden müsste" oder ähnliches. Aber gerade beim Solospielen geht es häufig von den SpieleN weg zum SpieleR hin, weil eben die ganze Art, wie sich dem Spielen genähert wird, pseudopsychologisch unter die Lupe kommt. Und anstatt dann die (an sich zu Recht) geforderte Toleranz anzuwenden, wird abgewertet.


    Zitat

    Die Solo-Spielerschaft sollte hier halt nicht den Anspruch haben, dass alles, was einen Solo-Modus bietet, in Spielbox & Co nur rezensiert werden darf, wenn auch der Solo-Modus ausführlich getestet wurde.


    Ich persönlich habe den Anspruch nicht - wird der von einer nennenswerten Menge vertreten? Ich habe das Gefühl, Solospieler organisieren sich brav unter sich, um ihre Leidenschaft zu teilen, geben sich Tipps und freuen sich mit anderen Solospielern mit, "fordern" kaum was und das einzige, was man wirklich gerne umgesetzt sähe, ist, dass man nicht ständig mit subtilen oder offenen Angriffen konfrontiert wird, die ins Persönliche gehen. Also ziemlich vertretbar, mMn.


    Zitat

    Da sollten manche Solo-Spieler auch lernen zu akzeptieren, dass Solo-Spiele eben nicht die Krone der Spieleschöpfung sind


    Ich glaube, was die Akzeptanz diesbezüglich betrifft, gibt es von Solospielerseite keine Probleme...


    Zitat

    Die Solo-Spieler sollten auch lernen zu akzeptieren, dass die Spiele-Vereine und -Organisationen, die sich dem Massenmarkt verschrieben haben, Solo-Spiele tendenziell genauso unterinteressant finden wie Expertenspiele mit BGG-Weight 3,5 aufwärts.


    Unterinteressant ist toll :) Auch hier glaube ich nicht, dass diese Akzeptanz noch gelernt werden muss.


    MMn sollten einfach alle Spieler, die das brauchen, "lernen", niemandem seine Art zu spielen madig zu machen. "Lästern" meinetwegen über konkrete Spieletitel - auch das finde ich nicht toll und betreibe es nicht. Ich fände ganz ohne Lästern am besten. Aber das ist vollkommen utopisch und das ist mir bewusst.


    Alles nur meine Meinung.

    Ich kann immer nicht so recht begreifen, warum Solospiele von manchen Leuten so belächelt werden.

    Manchmal kommt's mir so vor, als ob von den Solo-Spielern jede Äußerung der Form "Solo habe ich probiert, es macht mir keinen Spaß" oder "Solospiele stehen beim SdJ genauso wenig im Fokus wie Expertenspiele; die wollen gezielt massenkompatible Familienspiele fördern, ist halt so" als Angriff auf die Solo-Spieler-Community gedeutet würde.


    Das sehe ich nicht so. Ich habe ja nun, das liegt in der Natur der Sache, schon häufig diese Metadiskussion, "warum überhaupt solospielen", mitbekommen und mir persönlich ist kein Fall bekannt, in dem ein Angriff komplett herbeifantasiert wurde. Die von dir genannten Sätze sind wirklich neutral bzw. Meinungsäußerung. Auf solche Aussagen habe ich soweit ich mich erinnere noch nie schnäubige Reaktionen gelesen. (heißt natürlich nicht, dass es keine geben kann, ist mir nur nicht bekannt)


    Was ich hingegen oft wahrnehme, sind subtile Angriffe, die ich nicht komplett zu "gewaltfreier Kommunikation" zählen würde ;)

    "Soll jeder machen wie er will, aber ich habe das nicht nötig" - (impliziert, man "habe es nötig", tut es also aus irgendeinem Manko heraus, persönlicher Angriff)

    "Nee, mache ich nicht, ich habe Freunde" - (selbsterklärend)

    "wem es Spaß macht, ok, aber das ist halt kein echtes Spielen" - (Wertung, herablassend, außerdem die Behauptung, man selbst habe die Definition von "echtem Spielen" verstanden, das Gegenüber nicht)

    usw. usf.


    Diese Angriffe sind bei expliziten Anti-Solo-Spielern deutlich häufiger, als das reine, von dir zitierte, völlig neutrale "Nee, das gibt mir nichts". Komplett neutrale Personen sagen meistens einfach nichts dazu; Anti-Solo-Spieler lassen gerne mal eine "snarky remark" in den oben zitierten Formen da. Ich persönlich würde Sätze dieser Struktur egal in welchem Kontext durchaus als Angriff werten - wenn natürlich auch nicht als hochgradig schlimm oder massiv beleidigend. Aber eben auch nicht als reine Meinungsäußerung.

    Hab den Text mal korrigiert:




    Kleine Rettung in den Solomodus



    Wir leben in Zeiten, in denen Soloversionen immer noch eine Besonderheit sind, die man vor allem in Rosenberg-Spielen findet. Leider ist diese Option immer noch kein Standard – für Spielekritiker nach wie vor ein Nachteil, sind sie so doch immer auf das Mittun anderer angewiesen. Literatur-, Film- oder Theaterkritiker müssen hingegen niemals Rücksicht auf andere nehmen. Selbst wenn die Hälfte des Publikums schon zur Pause buhend den Saal verlassen hat, darf der Feuilletonredakteur nach der Premiere eine Hymne auf die Aufführung schreiben. Oder umgekehrt.

    (Anm. d. Lektorin: Überdenken. Kein Theaterkritiker sollte in der Pause den Saal verlassen und kein Spielekritiker sollte diese Möglichkeit als legitim darstellen)


    Wer in unserem Metier etwas kritisch bewerten möchte, könnte die anderen in der Runde ruhig ausblenden. Er muss sich nicht daran orientieren, wie es ihnen gefallen hat – eine Rezension ist schließlich keine demokratische Veranstaltung – , und er muss auch nicht darauf achten, was ein Spiel mit den Teilnehmern macht. Denn dies führt zu einer Beeinflussung der tatsächlichen eigenen Meinung, ohne die eine Rezension sehr gut auskommen sollte. Sie beruht deshalb idealerweise auf der ungefilterten, eigenen Meinung.


    Bei leider immer noch viel zu wenigen Spielen sorgen Automa genannte Varianten dafür, dass immer jemand da ist, an dem man sich messen kann: als analoge KI sozusagen. (Anm. d. Lektorin: der Drang, „sich messen zu können“, ist ja gerade im Mehrspielerspiel vorhanden – bitte Horizont erweitern und nicht eigene psychologische Zwänge externalisieren. Besser: "sorgen Automa genannte Varianten dafür, das Spiel auch solo spielfähig zu machen.")

    Wer trainieren will oder keine personelle Alternative hat, mag das mögen (Anm. d. Lektorin: Stil, bitte überdenken) ebenso gibt es wahrscheinlich genau so viele weitere Gründe, gerne Solo zu spielen, wie es Solospielende gibt.


    Mechaniken, strategische Möglichkeiten oder die Selbstbestätigung durch einen gut geplanten Sieg sind für meine Motivation zweitrangig. Brettspiele sind so grandios, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen Beschäftigungen für ein Erlebnis sorgen, für das ich sonst niemanden benötige. Bin ich allein, stellt nichts anderes eine ernsthafte Konkurrenz zu ihnen dar: weder die, wie ich finde, angemessen umfangreiche Wochenzeitung, noch Netflix oder die ebenfalls fantastischen Erlebnisse in Videospielen. In meinen Augen kann nichts davon mit einer schönen Solospielpartie mithalten.


    Gelegentlich wird die These vertreten, explizite "Gesellschafts"spieler können nicht mit sich alleine sein und retten sich in ständige Ablenkung durch andere Menschen, weil sie verlernt haben, sich selbst zu genügen. Das längere „Hausen im eigenen Kopf“, die Phantasie, eine eigene, von außen unbeeinflusste Geschichte zu erspielen, sind sie in unserer ständig auf Kontakt getrimmten Zeit nicht mehr gewöhnt. Der permanente Leistungsdruck, der Beste/Schlauste/Tollste sein zu müssen, führe zur Gewinnsucht bei Mehrspielerspielen. 2erspiele könnten ein Schritt in die richtige Richtung sein, um die Gier zu bekämpfen, eine ganze Gruppe an Mitmenschen am Ende triumphierend durch Sieg zu dominieren und so seine intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren. Sozusagen als Resozialisierungsmaßnahme. Dies mag im Einzelfall sogar helfen, rechtfertigt aber kaum den Aufwand, der betrieben wird, um diesen Zwischenschritt anzubieten, anstatt einfach gleich alle Spiele solofähig zu designen.


    Ich mag das Wort Solospiele; es beschreibt, worum es heute mehr denn je geht. Viele von uns haben durch die Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche das Gefühl ständiger sozialer Vernetzung. Nichts wird mehr alleine und in Ruhe vollständig er- und gelebt und vor allem, in Ruhe genossen. Das analoge Solospiel boomt wegen der vielen kleinen Rettungsmöglichkeiten aus diesem realen Berieselungsmodus, nicht wegen der Mechaniken, mögen sie auch noch so ausgefeilt sein. Es boomt, weil es Menschen lehrt, sich selbst über längere Zeit wieder zu ertragen und vielleicht mögen zu lernen, und für Erlebnisse sorgt, wie es weder ein Chat noch eine Liveschalte vermag. Spielen fängt für mich eben schon an, wenn ich mich mit einem Spiel befasse.