Beiträge von danom im Thema „Computerspielententwickler Rebellion gründet Abteilung für Brettspiele“

    Das Grafikdesign (zum Teil zugegebenermaßen grottig) oder die genannte Qualität der Story hat damit ja gar nichts zu tun.

    in den anderen Sachen bin ich schon viel mehr bei dir (auch wenn ich manche Sachen anders sehe) und das Descent nicht das griffigste Spieldesign hatte, da brauchen wir nicht drüber reden. Wobei FFG ja auch keine klassischen Redakteure hat. Aber doch das Grafikdesign und die Story liegen im Aufgabenbereich des Redakteur. Bei letzterem sicher eher einen ordentlichen Autor ranzukarren, bei ersterem: wir sind für alles verantwortlich was du siehst und liest, so erkläre ich unseren Job immer. Natürlich nicht die Illustration selbst, aber wenn da was nicht passt, ist der Redakteur schuld. Der kennt ja sein Spiel und wenn er die Icons nicht selber erdenkt, (oder gar gleich selbst macht, wie Viktor) dann zumindest in Zusammenarbeit mit dem Illustrator.

    Siehst du, das wusste ich tatsächlich nicht. Bei Redaktion denke ich in erster Linie immer an Layout, Rechtschreibung, Grammatik und Formulierung. Wieder was gelernt :) Ikonografie usw. finde ich bei GH auch in Ordnung. Mich stört da eher das uninspirierte Design der Dungeon Tiles. Man wollte hier wohl Geld sparen und mit möglichst wenig Marterial möglichst viel darstellen. Aber sowas sieht man leider bei Verlagsprodukten auch nicht selten. Terraforming Mars wurde dahingehend ja schon angesprochen. Gibt aber noch viel schlimmere Fälle. Ich sag nur Iron Kingdoms: Die Unterstadt.

    Die Anzahl der gestellten Fragen oder die Notwendigkeit einer FAQ ist übrigens nicht alleine abhängig von der Regelqualität eines Spiels sondern wird genau so von dessen Komplexität beeinflusst.

    Das ist zweifelsohne richtig. Und in einem Post in einem Thread werden wir zwnagläufig immer etwas pauschalisieren müssen, sonst schreiben wir einen Essay und keinen Post ... Aber Gloomhaven ist doch nicht komplex? Oder nicht komplexer als die vergleichbaren Titel?

    Ich meinte nicht Komplexität im Sinne von Schwierigkeit, die Spielmechanik gut umzusetzen oder im Sinne von dem Komplexitätsrating, das man bei BGG findet. Was ich mit dem Begriff eher meinte, ist die Anzahl von Interaktionsmöglichkeiten, die ich als Spieler habe. Und derartige Interaktionsmöglichkeiten gibt es durch 17 individuelle und sehr unterschiedliche Klassen mit jeweils 25+ verschiedenen Fähigkeiten, 47 verschiedenen Gegner, einer Vielzahl möglicher Items und möglicher Effekte wie Unsichtbarkeit, Fliegen, Springen, Kartenmanagement, Element Generation, Gegnerduplizierung etc. etc. etc. schon deutlich mehr als zB. bei Descent. Letzteres hat seine Menge an Regelfragen (da kenne ich mich gut aus, da ich Jahrelang Stammgast im deutschen Descent Regelforum war) eben in erster Linie aufgrund schlecht durchdachter und nicht konsistenter Regeln im Bereich Bewegung und Sichtlinie. Wenn die Lähmung dann eben nur verhindert, dass mein Held Bewegungsaktionen durchführt und per Erschöpfung Bewegungspunkte bekommt, aber nicht dass seine Flink-Laufen-Fähigkeit ihm 3 Bewegungspunkte gibt oder seine Charge-Heldentat ihn auf ein anderes Feld teleportiert - dann kann man sich halt nur noch in endlosen Regelerklärpassagen verlieren. Gloomhaven hat solche gravierenden Probleme nicht, weil der Autor seine Spielregeln diesbezüglich klug durchdacht hat. Hier kommt dann im Vergleich zu Descent beispielsweise auch noch die KI hinzu, da kein Overlord vorhanden ist. Auch die braucht wieder extra Spielregeln und sorgt dafür, dass Spezialfälle entstehen, mit denen man in seltenen Fällen konfrontiert wird. Ein weiterer Grund, warum im Gloomhaven-Forum soviele Regelfragen drin stehen, ist einfach auch der Hype des Spiels. Lies dir mal die Fragen durch, die bei BGG so im Schnitt gestellt werden. Da scheitert es dann eher an der grundlegenden Fähigkeit, eine längere Spielanleitung durchzulesen, weil durch den Hype sich auch viele Gelegenheitsspieler, die zum ersten Mal einen Dungeon Crawler in der Hand halten und die gar nicht wissen, was eine FAQ ist und wo sie die finden, an Gloomhaven versuchen. Die Anzahl der Fragen sollte man auf jeden Fall nicht als Maß für redaktionelle Qualität nehmen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Gloomhaven ein hohes Maß an selbiger von Hause aus aufweist. Das Grafikdesign (zum Teil zugegebenermaßen grottig) oder die genannte Qualität der Story hat damit ja gar nichts zu tun.

    Um die Brücke zurück zum Thema zu schlagen: wenn ein Global Player aus dem Computerspielebereich ernsthaft versucht, ein zweites Standbein im Brettspielbereich aufzubauen, dann hat der auch genug Geld, um für die entsprechende redaktionelle Qualität zu sorgen und für alles andere, wo sich Entwicklung, Produktion und Distribution von PC-Spielen gegenüber Brettspielen unterscheiden. Plus, er kann seine eigene nicht unerhebliche Erfahrung aus dem Bereich Spieledesign einbringen. Da halte ich es mit der zuvor von Red_Leader genannten Aussage:

    Naja es könnte aber ganz unabhängig davon bisschen frischen Wind reinbringen, ich bin gespannt und harre der Dinge die da kommen mögen.

    Denn ich empfinde die Philosophien und Strukturen diverser etablierter Verlage für die heutige Zeit als ziemlich angestaubt und nach meiner Meinung bisher als nur eingeschränkt die Wünsche des Marktes abdeckend. Und bevor mir jetzt wieder persönliche Kritik unterstellt wird, nein ich meine damit nicht die kleineren Verlage wie Frosted Games, die sich in erster Linie auf Übersetzungsarbeit und Distribution konzentrieren und nein, ich meine damit auch in keiner Weise die redaktionelle Qualität.

    Ob das jetzt eine Nische bedient oder erfolgreich ist, hat mit der Redaktion per se auch erstmal nichts zu tun. Davon redet hier auch keiner. Ein Spiel kann grottig sein - redaktionell und spielerisch - und trotzdem extrem erfolgreich. Ich könnte jetzt sagen: "leider". Aber das ist eine ganz andere Diskussion. Aber wenn ich zum Beispiel das neue Through the Ages anschaue - 18K Besitzer (im Vergleich zu 30K zu Gloomhaven) - 500 Fragen vs. 5000! Descent? 20K Besitzer, 2700 Fragen.

    Ja, das ist keine super aussagekräftige Metrik - aber aussagekräftig genug, wie gut Effekte und Regeln geschrieben sind - grob zumindest. Ich fand die Terraforming Mars Regeln auch unterirdisch - auch ein Verlag, aber mit wenig Erfahrung, FryxGames. Aber wieder: der Erfolg hat damit erstmal nichts zu tun.

    Ich habe nur schon über Jahre hinweg so viele Spiele gepitched bekommen und so viele Lizenztitel gesehen - Kickstarter und otherwise - ich habe jedenfalls mich schon genug über uneindeutige Ikonografie, schlechte Anleitungen, grafische Katastrophen im Kartendesign und diese ganzen Sachen geärgert, dass ich sehe: so einfach ist das alles nicht. Und ich selbst sehe immer wieder, wie schwierig es ist, wenn man versucht was zu retten. Dawn of the Zeds, was du angemerkt hast? Ist das optimal? Gewiss nicht! Ist es besser als das Original? Find ich schon. Gibt deutlich weniger Fragen. Hätte ich das als eigenes Produkt anders gemacht? Gewiss. Ich habe die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen. Und in JEDEM Redakteursseminar an dem ich teilnehme, lerne ich was neues. Mit jedem Spiel lerne ich was neues.

    Zu Dawn of the Zeds, Descent und Co: das sollte nicht heißen, dass die Regeln schlecht sind, ich halte die für sich genommen schon für gut und hab schon wesentlich Schlechteres gesehen. Als Konsument finde ich nur die Strukturiertheit, Einheitlichkeit und Klarheit der Regeln von Gloomhaven noch einen Ticken besser und dafür wollte ich eine Lanze brechen, weil hier diesbezüglich Kritik kam.

    Die Anzahl der gestellten Fragen oder die Notwendigkeit einer FAQ ist übrigens nicht alleine abhängig von der Regelqualität eines Spiels sondern wird genau so von dessen Komplexität beeinflusst. Wenn es 10 Millionen Kombinationsmöglichkeiten von Effekten gibt, ist die Chance für im Regelheft nicht abgedeckte Spezialfälle nunmal höher, als wenn es nur 100 oder 1000 Kombinationsmöglichkeiten gibt. Und FAQs dienen eben zur Erklärung solcher Spezialfälle, mit denen man nicht ein Regelheft oder eine Spielschachtel vollstopfen muss, kann oder sollte. Man könnte jetzt auch wieder sagen: dann macht halt Spiele, die mehr gestreamlined sind und wo es weniger Spezialfälle gibt, aber das würde leider nicht automatisch das Spiel besser machen sondern eher das Gegenteil erreichen. Gloomhaven ist so erfolgreich weil es ist, wie es ist. Wär das wirklich ein regeltechnisches oder vor allem ein spielmechanisches Desaster, dann wäre es ganz einfach jetzt nicht da, wo es eben ist. Ich will sagen, jeder Redakteur, der gemeint hätte, daran rumdoktorn zu müssen, hätte hier mit hoher Wahrscheinlichkeit eher verschlimmbessert. Das Einzige, was man in dem Spiel wirklich berechtigt kritisieren kann und wo ein Experte sicher gut getan hätte, ist die Story. Und da hätte es schon eher einen vernünftigen Roman-Autor gebraucht.

    Es gibt die krassen Negativbeispiele, die du beschreibst, das ist wahr. Ich selbst habe mich auch schon mit genügend grottigen Regeln rumschlagen müssen. Verallgemeinern kann man die Dinge trotzdem nicht.

    Aber ja, die Wahrscheinlichkeit dass die Arbeit einer beliebigen Person X ohne Vorkenntnis, mit der langjährigen Expertise einer Person vom Fach mithalten kann -- diese Aussage von mir halte ich nicht für arrogant. Ich halte es für weltfremd sich davon beleidigt zu fühlen.

    Ich werde hier nicht oft schnippisch. Aber das triggert mich.

    Hättest du das auch so formuliert wie jetzt eben, dann hätte ich dir zugestimmt. Aber Brettspiele von Fachfremden als generell grottig spielbar und mit schlechten Anleitungen versehen zu bezeichnen ist etwas anderes. Sowas triggert nämlich dann mich ;)

    Bei Isaac Childres hat das Erstlingswerk ähnlich hohe Regelqualität

    Zu Gloomhaven kann ich nichts sagen, aber Founders of Gloomhaven war sowohl regeltechnisch als auch redaktionell eine Vollkatastrophe. Bei eigentlich sehr guter spielerischer Substanz dahinter. Ein fähiger Redakteur hätte aus diesem Wust von schönen Ideen ein tolles Spiel extrahieren und gut umsetzen können. Konjunktiv, weil real leider nicht geschehen.

    Da stimme ich dir zu. Founders war tatsächlich ein sehr nieschiges Spiel und ich war von dem Titel auch enttäuscht. Forge Wars, das Erstlingswerk, kam aber gut an und wo Gloomhaven jetzt ist, brauche ich keinem zu erzählen. Da reicht ein Blick in die BGG Topliste. Für Gloomhaven war auch direkt am ersten Tag nach Release eine umfangreiche FAQ online geschaltet, in der alle Spezialfälle diskutiert wurden und in der Regelunklarheiten zeitnah aufgenommen worden. Das bekommen viele etablierte Verlage gar nicht oder nur mit großer Verzögerung hin.

    Fürs Spielregeln schreiben muss man halt ein gewisses Talent fürs Erklären besitzen und eine klare, strukturierte Denkweise haben. Das lernt man als Brettspiele-Redakteur oder bringt es direkt mit, weil man anders gar nicht in den Beruf reinkommt. Aber davon auszugehen, dass alle anderen das sowieso nicht können, das halte ich für Quatsch.

    Ähm, ich finde die englische Gloomhaven-Anleitung deutlich strukturierter und verständlicher als die von jedem anderen Titel der selben Komplexitätsstufe, die ich bisher gelesen habe, einschließlich zB. Descent, Sword & Sorcery und Dawn of the Zeds. Da haben wir wohl gänzlich verschiedene Ansichten.

    Und natürlich sind die genannten Herren inzwischen Fachkundige. Das waren sie aber eben vor Veröffentlichung ihres jeweils ersten Brettspiels nicht. Bei Isaac Childres hat das Erstlingswerk ähnlich hohe Regelqualität und bei den anderen beiden Beispielen handelt es sich um das Erstlingswerk eines Miniaturendesigners bzw. einer Familie von Fußballverrückten, die gerne mal ein Brettspiel machen wollten.

    Ich will dir auch deine Fachkenntnis und den Wert deiner Erfahrung nicht streitig machen. Deine Statements bezüglich "schlechte Anleitungen und grottige Spielbarkeit" bezogen auf ein mögliches Brettspielresultat von jedem beliebigen Mitarbeiter der Videospielbranche bzw. jedem, der nicht vom Fach kommt, wirken auf mich nur ziemlich arrogant.

    Wenn man also GAR nicht vom Fach ist. Was soll da rauskommen?

    Hmmm, was könnte so rauskommen, wenn Personen verantwortlich sind, die nicht vom Fach sind? Zum Beispiel sowas wie bei Gloomhaven - der Entwickler und Regelschreiber ist meines Wissens nach promovierter Physiker. Oder sowas wie bei Kingdom Death: Monster, Das Fußballspiel und wie bei vielen anderen Beispielen, wo Personen verantwortlich waren, die nicht vom Fach waren und wo trotzdem etwas vernünftiges am Ende rauskam. ;)
    Ist ja nicht so, dass nur ein Brettspieleredakteur die gottgegebene Fähigkeit hätte, z.B. vernünftige Spielregeln zu schreiben.