Die Anzahl der gestellten Fragen oder die Notwendigkeit einer FAQ ist übrigens nicht alleine abhängig von der Regelqualität eines Spiels sondern wird genau so von dessen Komplexität beeinflusst.
Das ist zweifelsohne richtig. Und in einem Post in einem Thread werden wir zwnagläufig immer etwas pauschalisieren müssen, sonst schreiben wir einen Essay und keinen Post ... Aber Gloomhaven ist doch nicht komplex? Oder nicht komplexer als die vergleichbaren Titel?
Ich meinte nicht Komplexität im Sinne von Schwierigkeit, die Spielmechanik gut umzusetzen oder im Sinne von dem Komplexitätsrating, das man bei BGG findet. Was ich mit dem Begriff eher meinte, ist die Anzahl von Interaktionsmöglichkeiten, die ich als Spieler habe. Und derartige Interaktionsmöglichkeiten gibt es durch 17 individuelle und sehr unterschiedliche Klassen mit jeweils 25+ verschiedenen Fähigkeiten, 47 verschiedenen Gegner, einer Vielzahl möglicher Items und möglicher Effekte wie Unsichtbarkeit, Fliegen, Springen, Kartenmanagement, Element Generation, Gegnerduplizierung etc. etc. etc. schon deutlich mehr als zB. bei Descent. Letzteres hat seine Menge an Regelfragen (da kenne ich mich gut aus, da ich Jahrelang Stammgast im deutschen Descent Regelforum war) eben in erster Linie aufgrund schlecht durchdachter und nicht konsistenter Regeln im Bereich Bewegung und Sichtlinie. Wenn die Lähmung dann eben nur verhindert, dass mein Held Bewegungsaktionen durchführt und per Erschöpfung Bewegungspunkte bekommt, aber nicht dass seine Flink-Laufen-Fähigkeit ihm 3 Bewegungspunkte gibt oder seine Charge-Heldentat ihn auf ein anderes Feld teleportiert - dann kann man sich halt nur noch in endlosen Regelerklärpassagen verlieren. Gloomhaven hat solche gravierenden Probleme nicht, weil der Autor seine Spielregeln diesbezüglich klug durchdacht hat. Hier kommt dann im Vergleich zu Descent beispielsweise auch noch die KI hinzu, da kein Overlord vorhanden ist. Auch die braucht wieder extra Spielregeln und sorgt dafür, dass Spezialfälle entstehen, mit denen man in seltenen Fällen konfrontiert wird. Ein weiterer Grund, warum im Gloomhaven-Forum soviele Regelfragen drin stehen, ist einfach auch der Hype des Spiels. Lies dir mal die Fragen durch, die bei BGG so im Schnitt gestellt werden. Da scheitert es dann eher an der grundlegenden Fähigkeit, eine längere Spielanleitung durchzulesen, weil durch den Hype sich auch viele Gelegenheitsspieler, die zum ersten Mal einen Dungeon Crawler in der Hand halten und die gar nicht wissen, was eine FAQ ist und wo sie die finden, an Gloomhaven versuchen. Die Anzahl der Fragen sollte man auf jeden Fall nicht als Maß für redaktionelle Qualität nehmen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Gloomhaven ein hohes Maß an selbiger von Hause aus aufweist. Das Grafikdesign (zum Teil zugegebenermaßen grottig) oder die genannte Qualität der Story hat damit ja gar nichts zu tun.
Um die Brücke zurück zum Thema zu schlagen: wenn ein Global Player aus dem Computerspielebereich ernsthaft versucht, ein zweites Standbein im Brettspielbereich aufzubauen, dann hat der auch genug Geld, um für die entsprechende redaktionelle Qualität zu sorgen und für alles andere, wo sich Entwicklung, Produktion und Distribution von PC-Spielen gegenüber Brettspielen unterscheiden. Plus, er kann seine eigene nicht unerhebliche Erfahrung aus dem Bereich Spieledesign einbringen. Da halte ich es mit der zuvor von Red_Leader genannten Aussage:
Naja es könnte aber ganz unabhängig davon bisschen frischen Wind reinbringen, ich bin gespannt und harre der Dinge die da kommen mögen.
Denn ich empfinde die Philosophien und Strukturen diverser etablierter Verlage für die heutige Zeit als ziemlich angestaubt und nach meiner Meinung bisher als nur eingeschränkt die Wünsche des Marktes abdeckend. Und bevor mir jetzt wieder persönliche Kritik unterstellt wird, nein ich meine damit nicht die kleineren Verlage wie Frosted Games, die sich in erster Linie auf Übersetzungsarbeit und Distribution konzentrieren und nein, ich meine damit auch in keiner Weise die redaktionelle Qualität.