Beiträge von SpaceTrucker im Thema „Balancing - was ist das...“

    Letztendlich ist es ja auch eine Abwägung zwischen befriedigendem Spielerlebnis durch langes Offenhalten der Siegchancen aller und andererseits Vermeidung der Belanglosigkeit der Spielzüge, da eh das Spiel am Ende als gleichmacht.

    Das ist in meiner Sicht eine falsche Annahme. Du diskutierst viel oder wenig Catch-Up Mechanismus, bzw. Dämpfung beim Wachstum durch besseres Spielen (Schneeballeffekt). Das hat nichts mit Balancing zu tun. Balancing hieße, dass das Spiel ausgewählten Startbedingungen oder Strategien ähnliche Siegchancen ermöglicht.

    Ein Spiel mit viel Schneeball-Effekt kann komplett gebalanced sein.

    Auf der anderen Seite kann ein Spiel mit ganz wenig Schneeball udn starkem Catchup unbalanciert sein - weil manche Strategien so gut sind, dass man nur diese erfolgreich spielen kann, weil manch einer eine bessere Startposition hat,...

    Dass die Kiste schnell unbalanciert wird, wenn man die Spieler und Vereine einbezieht, ist aus meiner Sicht nur logisch. Ähnlich unbalanciert wird es ja auch im Spielekontext, wenn ich die Spieler selber einbeziehe. Einer kann nun mal sich besser Dinge merken, die andere besser rechnen oder Wahrscheinlichkeiten abwägen. Da wären Merkspiele oder Geschicklichkeitsspiele per se unbalanciert, was sie m.E. nicht sind. Balancing wäre da fehl am Platz - Handicaps ist hier aus meiner Sicht das Mittel der Wahl, da ich damit bewusst und kontrolliert auf Unterschiede in der Spielstärke reagieren kann.

    Für die Betrachtung ist entscheidend, wo du die Grenze deines Systems "Spiel" ziehst. Spielen verschieden gute Spieler das gleiche gebalancte Spiel wird der bessere/glücklichere Spieler öfter gewinnen, beim Fußball die bessere Mannschaft. Betrachtest du ein Spiel , bei dem zwei Fußballtrainer (oder Manager) gegeneinander spielen und einer bekommt die bessere Mannschaft, dann ist das Spiel unbalanciert. Was nicht heißen muss dass der Spieler mit der besseren mannschaft gewnnen muss, vielleicht ist der mit der schlechteren ja so gut, dass er sein durch das Spiel gegebene Handicap kompensieren kann.

    Komplizierte Dinge werden ja gern mit Fußball erklärt:

    • Wenn es beim Fußball nur eine Halbzeit gäbe, und einer einer dürfte mit Anstoss anfangen, gäbe es eine Startspielervorteil. Wenn ein Team gegen die Sonne oder gegen den Wind spielen würde, wäre das auch unbalanced, ein Team hätte durch die Startbedingungen einen Vorteil, der nicht erspielt wurde - durch die zwei Halbzeiten, mit Seitenwechsel und einmal Anstoss für jeden ist Fußball hier gut gebalanced.
    • Trotzdem geht ein Fußballspiel manchmal 10:0 aus. Wer besser spielt gewinnt, im Zweifel entscheidet auch mal Glück. Mit Balancing hat das aber nichts zu tun. Es hat ja jeder die gleichen Chancen - nur manch einer nutzt sie besser. Fußball hat auch einfach nur einen minimalen Catch-Up-Mechanismus - wer ein Tor fängt, bekommt den Ball und darf Anstoß machen. Ein knappes Spiel garantiert das natürlich nicht. Ein heftiger Catchup-Mechanismus wäre dagegen, wenn jedes Team nach einem Gegentor aus dem Spiel nicht Anstoss, sondern einen Elfmeter bekäme. Viele Partien würden wahrscheinlich unentschieden enden. Oder jeder Torschütze das Spielfeld verlassen müsste, damit der Gegner in Überzahl besser aufholen kann, oder,.... "Gebalancter" wäre das Spiel aber nicht, eher weichgespülter und glattgebügelter, mit der Folge dass besseres Spielen seltener erlebbar belohnt wird.
    • Die Regeln eines Spiels sollten so gestaltet sein, dass nicht einzelne Extremstrategien besonders vielversprechend sind, sodass man nur diese spielen würde. Hier hat der Fußball auch im Laufe seiner Geschichte nachgebessert, die Extremstrategie große Stürmer dauerhaft vor das gegenerische Tor zu stellen wurde mit der Abseitsregel unterbunden. Noch extremere Ansätze wie elf Torhüter ins Tor zu stellen unterbinden die Regeln auch. Beim Fußball klingt das trivial, aber auch ein Brettspiel, das ein ganz neues Regelkonstrukt aufsetzt, muss so etwas bedenken, um gutes Design zu bieten.
    • Wenn man jetzt nicht nur auf das Fußballspiel und die Spieler selbst blickt, sondern auf Vereine und das ganze (Profi-)Fußballgeschäft, dann wird Vereins-Fußball schnell sehr unbalanciert. Die eine Mannschaft startet mit mit besseren Spielern oder mehr Geld um gute Spieler zu kaufen - da ist das Spiel dann natürlich unbalanciert. Die "variable player powers" sind hier innerhalb einer Liga nicht die gleichen, es kommt zu Konstellationen, in welchen alles andere als ein Sieg der einen Seite ene große Überraschung ist. Das ist sicher weniger spannend als halbwegs gleiche Siegchancen. In einem Brettspiel würde man es kaum akzeptieren, wenn die rote Fraktion 80% der Partien gewinnt und die grüne nur alle Jubeljahre mal ein Spiel. Wenn jetzt eine Mannschaft mit besserem Stürmer, die andere mit besseren Abwehrspielern, oder mehr Geld um Spieler nachzukaufen, oder besseren Auswechselspielern,.... starten würde, und am Ende wäre die Siegchancen etwa gleich, dann hätten wir interessante und gebalancte "Variable Player Powers"