Beiträge von MetalPirate im Thema „07.10.-13.10.2019“

    [Mod] Es gab den Wunsch, alles ab Beitrag 98 ("Bin ich mit dem Verriss vielleicht ein bisschen mit Schuld an der Verkaufswelle von AdW?") auszulagern. Dazu möchte ich sagen, dass dieser Beitrag erstens in sehr direktem Zusammenhang zu diesem Thread steht und zweitens ein typisches Beispiel für die Art von "Stammtischdiskussion" ist, die hier im Wochenthread in gewissem Rahmen normal und erwünscht ist. Als eigenen Thread hätte ich das sicher so nicht gestartet. Die Antworten darauf rechtfertigen auch nicht unbedingt das Begründen eines eigenen Thread; wirklich allgemein diskutieren will das vermutlich niemand. Also lösen wir das am besten ohne irgendwelches Herausreißen so: Kommt bitte wieder zurück on-topic oder eröffnet selbst einen eigenen Thread, wenn ihr Rezensionen und deren Einfluss auf Verkaufspreise separat diskutieren möchtet. Danke & weiter! -- MP

    Oder du nutzt die neue Erkenntnis. Schreib doch mal bitte, wie broken du German Railroads Erweiterung findest

    Es gibt keinen Grund für mich, den Preis nach unten zu drücken. Erstens würde ich meine Glaubwürdigkeit beschädigen, wenn ich wider besseres Wissen behaupten würde, German Railroads wäre schlecht. Und zweitens habe ich diese Erweiterung bereits, d.h. das Preisniveau kann mir egal sein... 8o:evil:


    Ich drücke dir aber die Daumen, dass du es entweder mal für einen guten Preis findest oder es irgendwann eine Russian Railroads Big Box oder Jubiläumsausgabe mit dem Kram geben wird. Ganz ehrlich: das zweite ist wahrscheinlicher...

    Hmmm... In den letzten Tagen ist gleich ein ganzer Haufen von #ArchitektenDesWestfrankenreichs im Marktplatz aufgetaucht. Bin ich da vielleicht mit meinem Verriss oben ein bisschen mit schuld daran? :/


    Wenn ich bereits offen stehende Türen eingerannt habe: okay, weg damit, Haken dran. Aber ansonsten kann ich nur immer wieder sagen: jeder soll sich selbst ein Bild machen. Also in diesem Falle z.B. selbst testen, ob die Strategie "Niemals verhaften, das immer nur die anderen machen lassen, erstmal nur einen riesigen Haufen Ressourcen sammeln, dann alles in einem Rutsch für Gebäude verbauen (und nur unter günstigen Umständen mit Boni auch mal Kathedrale" wirklich wie von mir behauptet übermächtig ist. Glaubt niemanden etwas blind, auch mir nicht, prüft alles idealerweise selbst! Es gibt genügend Leute, denen Architekten des Westfrankenreichs gefällt und das ist nicht mehr oder weniger berechtigt als meine Meinung, dass es in einem zentralen Spielelement broken wäre.

    Dass eine Aktion ab der Mitte des Spiels nicht mehr zielführend ist, heißt doch nicht, dass sie in der Aufbauphase nicht äußerst lohnend sein kann. Mitspieler gefangen zu nehmen und zu verkaufen kann im richtigen Moment ziemlich lukrativ sein.

    Dann erkläre mir mal, wann man bei #ArchitectsOfTheWestKingdom andere einfangen sollte. Ich habe schon bewusst verschiedene Sachen ausprobiert, früh oder spät, und bin zum Ergebnis gekommen, dass die Opportunitätskosten (Tempoverlust) immer größer sind als der Nutzen. (EDIT: Ausnahme: 2er-Spiel. Da kann man dem einzigen Gegner ausreichend schaden, dass sich der Einsatz in der Gesamtbetrachtung rechnet.)


    Das Grundproblem ist doch: Warum sollte man zwei (!) Aktionen opfern (fangen/einliefern) und außerdem erstemal noch Geld bezahlen (!), nur um Mitspieler zu stoppen, wenn man stattdessen auch etwas für das eigene Vorankommen tun könnte. Das stimmt doch etwas in der Grundstruktur des Designs nicht.

    Ernst Juergen Ridder : Sorry, aber ich sehe den Gegensatz, den du hier konstruierst, einfach nicht. Thematisch richtiges Spielen und erfolgreiches Spielen (Siegpunkte) fallen im Idealfall doch zusammen. Auch wenn du "entschleunigt" und "ohne Siegpunkthatz" spielst, muss es dich doch stören, wenn du bei Architekten des Westfrankenreichs gegen Mitte des Spiels dich erstmal freust, auf einen Schlag 10+ böse Verbrecher gefangen und für den gleichen Betrag an Geld eingeliefert zu haben, nur um dann festzustellen, dass du mit dem ganzen Geld überhaupt nichts mehr anfangen kannst, weil du schon alle notwendigen Gehilfen eingestellt hast und als gottesfürchtiger Kathedralenbauer nicht mehr auf den Schwarzmarkt gehen darfst.

    Im Sinne von MetalPirate bin ich vermutlich ein grottenschlechter Spieler, ganz sicher nicht ein in seinem Sinne "guter", weil ich ganz einfach keine Lust habe, zielorientiert auf Punkte und Sieg zu spielen.

    Ich halte es da ganz mit Reiner Knizia: Wenn man ein Spiel spielt, dann ist es das Ziel zu gewinnen, aber es ist das Ziel, das wichtig ist, nicht das Gewinnen an sich.


    Soll heißen: ein Spiel funktioniert dadurch, dass jeder dieses Ziel verfolgt, also z.B. sich nicht hängen lässt, wenn er hinten liegt, oder nicht anderen den Sieg mit unnötigen Vorlagen schenkt. Was am Ende als Spielergebnis dabei herauskommt, d.h. wer gewinnt, ist eigentlich völlig sekundär. Hauptsache, alle in der Runde haben Spaß gehabt. (Das sehen gerade unter denen, die auch gerne medium-heavy-Sachen spielen, sicher viele anders; da findet man auch viele "gewinnen ist alles, was zählt"-Mitspieler.)


    Ich persönlich habe nur das Glück, dass ich als analytisch denkender Mensch Zusammenhänge relativ schnell intuitiv verstehe und oft auch dann noch halbwegs gute Ergebnisse erziele, wenn ich ganz bewusst mal eher exotischere Sachen ausprobiere oder als Erklärer im ersten Spieldrittel irgendwelchen Blödsinn zusammenspiele, bevor alle die Grundstruktur verstanden haben und ich mich aufs eigene Spiel konzentrieren kann.

    Warum nicht Anfängern etwas empfehlen, das beides liefert? Den Anfängern einen leichten Einstieg, aber auch Fortgeschrittene spielen es noch mit. Es ist doch nicht so, dass man sich zwingend für eines der Ziele entscheiden müsste.


    Die konkrete Wahl hängt natürlich auch immer von der Zielperson bzw. Zielgruppe ab, aber wenn wir mal im Worker Placement Bereich bleiben, Spielzeit und Komplexitätsniveau ähnlich wie AdW, dann werfe ich mal #RajasOfTheGanges in dem Raum. Das wird zumindest nicht schlagartig langweilig, wenn man -- ob zufällig oder gezielt -- die einzige gewinnbringende Siegstrategie entdeckt hat.

    Ist halt eine Frage der Philosophie - nicht jeder Spieler - und auch nicht jeder Designer - spielt wie MetalPirate auf Idealstrategie zur Sieggarantie.

    Ähem. Ich habe oben in dem Spielbericht geschrieben, dass ich das gestern gerade NICHT gemacht habe, sondern mal bewusst etwas anderes probiert habe, wohlwissend, dass ich damit eher nicht gewinnen würde.


    Wenn ein Spiel durch das Ausprobieren von unterschiedlichsten Strategien Spaß macht: super! Finde ich toll! Gewinnen ist unwichtig, Spaß haben zählt. Unterschreibe ich sofort. Ich würde jedoch trotzdem von jedem guten Spiel erwarten, dass es nicht sofort daran kaputt geht, dass die Spieler auf Sieg spielen wollen.


    Für mich zeichnet sich ein gutes Spiel dadurch aus, dass das, was sich thematisch richtig anfühlt, auch gleichzeitig gut ist im Sinne des Spielziels, also des Gewinnens. Das muss ein Autor schaffen. Also im Falle von AdW: dass sich das Verhaften ab einem bestimmten Punkt lohnt, wenn es immer mehr Leute zu verhaften gibt. Wenn das nicht der Fall ist, weil das Verhaften grundsätzlich mehr Tempo kostet als es an Ertrag bringt, dann ist das handwerklich schlecht gemacht. Wenn das wie hier auch noch einen zentralen Balance-Mechanismus betrifft, dann wird das gesamte Spiel damit schlecht.

    #AdW

    Es ist ja auch noch eine Erweiterung im Anflug.

    Vielleicht gibt es neue Impulse für das Balancing.

    Das hat bei Räuber der Nordsee auch nur bedingt funktioniert. Probleme teilweise gelöst, teilweise neue geschaffen, und das ganze Design dabei noch entsetzlich aufgebläht...


    Shem Philipps ist meiner Meinung nach einfach kein guter Spieleautor. Nach meinem Eindruck fehlt ihm das Verständnis für das Zusammenwirken von Untersystemen. Haufenweise labile Gleichgewichte oder Sachen, die einfach nicht oder nur unter bestimmten Randbedingungen klappen können. Beispiel AdW: beim kontinuierlichen Ressourcenholen steigt mein Gesamtertrag gemäß 1, 3, 6, 10, 15,.. an. Dreieckszahlen, n*(n+1)/2. Polynom mit quadratischem Term als höchstem Glied. Wenn ich das durch eine Verhaftungsaktion begrenzen möchte, dann MUSS ich dagegen etwas setzen, dessen Nutzen stärker als quadratisch ansteigt, um ein stabiles Gleichgewicht zu schaffen und das Balancing stellt dann ein, wo dieses liegt. (Bzw. über-linear, wenn man dafür nur die n-te Aktion nutzt und die vorherigen n-1 völlig frei nutzen kann.)


    Eine Verhaftungsaktion, die erstmal relativ viel kostet (Geld / Opportunitätskosten) und dann linearen Ertrag bringt (nämlich beim Abliefern aller Gefangenen 1 Geld pro Gefangenem) und deren Effizienz mit steigender Gefangenenzahl sogar noch abnimmt (!), weil es immer attraktiver für Mitspieler wird, die Spieler für konstante Fixkosten direkt vom persönlichen Tableau zu befreien, kann das gar nicht leisten. Zumal die Kompensation durch Geld im Spielverlauf immer uninteressanter wird (höchstens mit Schwarzmarkt-Engine). Ob ein Spieleautor das mit Nachrechnen oder ausreichendem Testen rauskriegt, ist mir im Endeffekt egal, aber sowas darf einfach nicht im veröffentlichten Spiel landen.


    Shem Philipps Spiele sind irgendwie immer nach Schema F konstruiert: man schmeiße eine Handvoll Mechanismen zusammen, ermögliche irgendwo den Kauf von Karten, und ein Teil dieser Karten hat Dauereffekte, die im einen oder anderen Untersystem einen kleinen Bonus bringen und Kombos erlauben. Das ist auch schon der gesamte strategische Kern. Dazu noch ein paar direkte oder indirekte Tauschgeschichten (z.B. "um X erhöhter Kartenkaufpreis und dafür Soforteffekt Y") sowie Endwertungskarten für dieses und jenes ("2 SP für am meisten X", "1 SP pro alle 3 Y"), dazu eine "The Mico"- Grafik -- und fertig ist das Shem Philipps Spiel.


    Von einem wirklich guten Autor würde ich dagegen erwarten, dass er sich Gedanken macht, dass und wie man irgenwelche Ressourcen unter welchen Bedingungen wie nutzen kann. Wenn man bei Räuber der Nordsee am Ende nicht mehr an Eisen kommt und die entsprechenden Häuptlingsaufträge mit Eisen einen Weg der Siegpunktausschüttung komplett blockieren, weil sie niemand mehr erfüllt, oder wenn die Walkürenbepunktung schlecht auf die Spielerzahl skaliert oder wenn bei AdW gegen Spielende Geld überhaupt nicht mehr nutzbringen einzusetzen ist (nicht mal zum Genre-typischen Siegpunktkauf für Geld!), dann fühlt sich das für mich einfach falsch an. Warum merkt das keiner beim Playtesting? Nun ja... Jetzt könnte man natürlich sagen: "Es ist ein Kickstarter-Spiel im Eigenverlag; bei einem renommierten Verlag wäre das so nie erschienen." Und vermutlich wäre das auch gar nicht so falsch...

    Häh Spaß 8|8|8|. Es geht ums gewinnen8o8o8o

    Schön ist, wenn beides zusammen geht. Ich erinnere mich z.B. an ein Spiel Lorenzo. Als Personenkarte hatte ich Martin Luther (kommt, glaube ich, aus der Erweiterung). Also einfach mal mit der selbstgewählten Einschränkung gespielt: "ich schei*e auf Vatikan und Vatikanstrafen!" Während des Spiels auch noch ein bisschen abgelästert über diejenigen, die immer schön ihre katholischen Pflichten erfüllt haben, und am Ende dann trotzdem gewonnen. ;)

    Dann versuche ich einfach "anders" zu spielen und sehe zu was passiert.

    Also so wie ich gestern: so gut, wie es halt geht, eine Strategie spielen, die man selbst für suboptimal hält. Hmmmm. Meine Erfahrung: macht nicht unbedingt Spaß, wenn am Ende dann doch wieder jemand gewonnen hat, der im ganzen Spiel kein einziges Mal verhaftet hat.


    Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass verschiedene strategische Wege schlecht ausbalanciert sind. Hier kommt ja noch dazu, dass ausgerechnet Schmarotzertum der Sorte "sollen sich doch die anderen um das Verhaften kümmern" belohnt wird. Das kann man doch auch Wenigspielern nicht mehr guten Gewissens empfehlen, wenn man deutlich bessere Spiele zuhause im Regal stehen hat.

    Gestern auf dem Spieletreff: #ArchitektenDesWestfrankenreichs (AdW) als 5er. Das Spiel steht bei mir auf der Abschussliste, also habe ich mich bei der Auswahl dafür ausgesprochen, um es nochmal probezuspielen. Nach irgendwas zwischen 8 und 10 Spielen (fast alle gewonnen) bin ich jetzt mit dem Spiel endgültig durch.


    AdW ist recht leicht zu erklären, spielt sich sehr flott (sowohl von den einzelnen Zügen her wie auch von der Gesamtdauer), geht sogar zu fünft (eine Seltenheit mittlerweile!) und hat dazu einen verdammt hohen Aufforderungscharakter. Aber wie alle Shem Philipps Spiele, die mir begegnet sind, ist es spielerisch einfach schlecht. Ich finde es nämlich ziemlich unbalanciert. Ich habe gestern mal wieder bewusst etwas ausprobiert, weil ich keine Lust hatte, meine Standard-Gewinnstrategie herunter zu zocken. Ich bin auf Gehilfen-Karten gegangen, insbesondere auf solche mit Funktion im königlichen Lager. Meine 5 Gehilfen waren: +1 Holz im Wald, +1 Stein im Steinbruch, 3x gute Tauschgeschichten im Königlichen Lager, u.a. 2 Holz zu Marmor oder Stein zu Tugend. Also eigentlich eine auf dem Papier gut aussehende Kombo. Ergebnis: Dritter Platz von 5. Damit kann man nicht gewinnen.


    Um zu gewinnen, gibt es bei AdW meiner Überzeugung nach genau eine einzige Strategie: in der ersten Spielhälfte einen Riesenhaufen Ressourcen ansammeln und in der zweiten Spielhälfte das ganze Zeugs in einem Rutsch verbauen, idealerweise in Gebäude, nicht bei der Kathedrale. Und man sollte auf keinen Fall den Sheriff spielen und andere verhaften. Das muss man unbedingt den anderen überlassen.


    Wer andere verhaftet, verliert dabei nur Tempo und letztendlich das Spiel. Lohnt sich kein bisschen, zumal Geld gegen Spielende auch quasi nichts mehr wert ist. Auch gestern hat wieder mal derjenige gewonnen, der im ganzen Spiel nicht einmal verhaftet hat. Genauso gilt auch beim Bauen: Kathedrale sollte man komplett ignorieren, es sei denn, man hat einen Bonus auf Kathedralenbau (Karte wie Acolyth oder entsprechende B-Seite bei den variable player powers). Sonst sind Gebäude überlegen. Wer auf die Kathedrale geht und nicht das höchste Feld erreicht, bekommt einen schlechteren Ertrag pro eingesetzte Ressource als beim Gebäudebau. Also lieber Gebäude, zumal da die Konkurrenz um begrenzte Plätze wegfällt und man sich Gebäude nach den passenden Boni selbst aussuchen kann. Wie bei Räuber der Nordsee stimmt die Balance einfach nicht.


    Alles in allem lässt sich AdW strategisch herunterbrechen auf die Entscheidung, wann man hart von 100% Ressourcensammeln auf 100% Ressourcenverbauen umschwenkt. Dieser eine radikale Schwenk lohnt sich: durch Bauverzicht in der ersten Spielhälfte verliert man keine Worker dauerhaft und in der zweiten Hälfte, wenn die Worker langsam knapp(er) werden, braucht man keine mehr in den Ressourcenfeldern. Die sind irgendwann heimgeholt, entweder selbst oder - wahrscheinlicher - über den Umweg der Verhaftung durch einen Mitspieler.


    Dazu kommt ein bisschen taktisches Nachsteuern mit Personen oder Schwarzmarkt oder wann man wie Gefangene befreit, da sind schon ein paar interessante Spielentscheidungen drin, aber das Grundprinzip von AdW ist leider völlig öde: Berge von Ressourcen anhäufen - hart umswitchen - Bauen wie blöde - Spiel auf einmal ganz schnell zuende. Wer wenigsten verhaftet und dafür am meisten gebaut hat, hat dann gewonnen. Der eigentlich vorgesehene Balancing-Mechanismus des Verhaftens funktioniert nicht. Kann weg. Grafikblender, kein gutes Spiel.