Wieder einmal ist die Woche rum.
Spielerisch gab es
Tapestry (2x zu zweit)
Ich habe schon im Tapestry-Thread darüber berichtet.
Ein Spiel, das hier im Forum schon einigermaßen gegensätzlich gesehen wird. Es sei doch gar kein Civ-Spiel, viel zu viele Zufallselemente, hässliche, überflüssige Sondergebäude usw. usf..
Auch als bekennender Fan von Jameys eigenen Spielen bin ich ja nicht betriebsblind. Die Punkte, an denen die Kritik ansetzt, sehe ich durchaus, bewerte sie für mich allerdings anders.
Erfreulicherweise ist Tapestry kein klassisches Civ-Spiel, deren Spieldauer ist mir einfach zu lang. Aber allen Unkenrufen zum Trotz ist es dennoch ein Civ-Spiel, man muss nur die Begriffsschublade weniger eng sehen.
Man hat eine "Zivilisation", die man aufbaut. Diese Zivilisationen sind schon sehr, sehr unterschiedlich. Man zieht 2 aus 16 und wählt eine. Ich habe in erst drei Partien nicht herausgefunden, ob man die Zivilisationsfähigkeiten, soweit sie nicht schon den Spielaufbau beeinflussen, einfach ignorieren könnte; mir fehlte allerdings auch der Antrieb, das zu versuchen. Es ginge mir thematisch betrachtet auch gegen den Strich.
Der Aufbau der Zivilisationen ist fern von dem, was "klassische" Civ-Spiele so haben; es gibt nämlich z.B. nur einen Anflug von Technologiebaum, die Technologien folgen putzmunter verquirlt aufeinander, scheinbar ohne innere Logik, im Widerspruch zur realen Entwicklung der Menschheit. Aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht, denn völlig voraussetzungslos ist keine der Technologien. Die meisten erfordern einen Mindestfortschritt auf einer der Fortschrittsleisten, manche setzen bestimmte Errungenschaften voraus, z.B. die Technologie "Bäckerei" die Entwicklung der Landwirtschaft.
Man breitet sich auf der Landkarte aus, indem man neues Land entdeckt. Ist ein benachbartes Gebiet menschenleer, kann man es einfach "erobern", es leistet ja keinen Widerstand. Wird es von einem Mitspieler beherrscht, kann es zu einer Anhauchung von Kampf kommen. Dazu braucht man keine Armeen, man geht einfach rein. Kann der Angegriffene sich verteidigen, spielmechanisch also eine Fallenkarte spielen, hat er gewonnen, sonst gewinnt der Angreifer. So eine Karte hat der Verteidiger, oder er hat sie halt nicht. Kampfbetont ist Tapestry genauso wenig wie Scythe. Etwas anderes hätte bei Jameys Design-Philosophie auch eher überrascht.
Eine große Rolle beim Thema Zufall spielen die Gobelinkarten, die man blind vom verdeckten Stapel zieht. Die Effekte dieser Karten können schon sehr unterschiedlich sein und mehr oder weniger gut zu den Zivilisationsfähigkeiten passen. Man kann allerdings an deutlich mehr dieser Karten kommen, als man tatsächlich braucht, was den Zufallsfaktor doch spürbar einschränkt.
Und ja, es wird sogar gewürfelt. Im Verlauf einer Eroberungsaktion z.B. würfelt der Angreifer, bevor der Kampf entschieden ist, mit zwei Bonuswürfeln und bekommt etwas, eben einen Bonus, egal, ob er gewinnt oder verliert. Man bekommt etwas, allerdings im Zweifel weder das, was man gerne bekommen hätte, noch Gerechtigkeit im Sinne von Gleichheit. Während der eine vielleicht mit einem sparsamen Punkt zufrieden sein muss, kann ein anderer in einem anderen "Kampf" vielleicht 7 Punkte oder einen Rohstoff bekommen; so ganz zuverlässig sind sozusagen die Berichte der eigenen Spione nicht über das, was es in dem Land zu holen gibt.
Auf der Wissenschaftsleiste würfelt man auf vielen Feldern darum, auf welcher Fortschrittsleiste man voranschreiten darf und ob man dort dann den Ertrag bekommt, oder nicht. Da kann es schon passieren, dass man auf einer Leiste auf ein Feld vorrücken kann, dessen Ertrag man wirklich gerne bekommen hätte, aber eben nicht bekommt. Wenn das ein wirklich wichtiger Punkt ist, zieht man halt die Notbremse, denn auf die Ausführung des Würfelergebnisses darf man verzichten. (Einen sog. Benefit muss man immer nehmen, man muss also Würfeln; man darf dann dem Würfelergebnis entsprechend voranschreiten, muss das aber nicht.)
Es gibt viel zu sagen zu Tapestry. Nach bisher erst 3 Partien, kann ich auch für mich selbst nicht sagen, wie ich es finde. Ich habe kein klassisches Civ-Spiel erwartet, kannte ja auch beim Kauf schon die Regel. Ich habe ein Jamey-Spiel erwartet, das habe ich auch bekommen. Euphorisch bin ich trotzdem nicht, eher noch in der Findungsphase. Die bisherigen Erfahrungen mit Tapestry haben wohlwollendes Interesse an weiterer Erkundung geweckt; Faszination wie bei Viticulture und Scythe hat sich bei mir bislang aber nicht eingestellt. Auch Charterstone und Euphoria haben noch ihren Rang vor Tapestry.
Meine bisher drei Partien waren so verschieden in ihrer Ausgangslage und ihrem Verlauf, dass das jedenfalls einen Reiz ausübt, mehr vom Spiel erfahren zu wollen.