Beiträge von Bierbart im Thema „Ist "klug, aber faul" eine Zielgruppe?“

    Ich hatte auf dem Cliquenabend Mallorca Treffen eine interessante Diskussion mit Sophia Wagner (und ein paar anderen Beteiligten, aber wir waren einer Meinung, also nenne ich nur sie).


    Gibt es eine echte Zielgruppe an Leuten, die prinzipiell in der Lage sind, sich in komplex-komplizierte Spiele reinzufuchsen, aber schlicht keine Lust drauf haben?

    ...die auf ein Spiel wie #EinFestfürOdin oder #Coimbra draufkucken, und dann sagen: "Ja, ist bestimmt interessant, da könnte ich jetzt voll viel Gehirnschmalz drauf verwenden, aber ich mach das jetzt halt einfach mal nicht, sondern ich geh halt weg und spiele was anderes"?

    ...die sagen, ein Spiel muss auch einfach mal einen gewissen Grad an "Zurücklehnen und Dinge tun, oder der Zufall regelt das" beinhalten?

    ...die bewusst unter ihren geistigen Möglichkeiten bleiben, weil Spielen halt auch Entspannung sein soll und nicht nur Herausforderung?

    Puh... Ich war ja nicht dabei, aber wenn es in den Köpfen mancher Vertreter der deutschsprachigen Brettspielelite scheinbar noch immer nicht angekommen ist, dass auch sogenannte "Vielspieler" nicht zwangsläufig die maximale geistige Herausforderung im Spielen suchen, dann ist das in meinen Augen ein echtes Armutszeugnis. Würde mich echt mal interessieren, wer in so einem Kreis aus, sagen wir ruhig "Elitevertretern" der deutschsprachigen Brettspielszene, um Himmelswillen so erschreckend wenig Verständnis für die Feinheiten der Szene mitbringt, dass er sich Desinteresse an Rosenberg-Langeweilern wie "Ein Fest für Odin" nur mit Faulheit oder unterentwickelten geistigen Fähigkeiten erklären kann?


    Da weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll mit der Aufklärungsarbeit. Fangen wir besser mit der fundamentalen Aussage an, dass neben dem Genre der schweren Euros noch ein paar andere Genres existieren (und die eben nicht zum Ziel haben, die Spieler vor eine angemessene geistige Herausforderung zu stellen). Nun lehnen manche Leuten das Konzept von Genres ja leider schon grundsätzlich ab -- und das ist echtes ein Problem, wenn wir solche Diskussionen führen. Warum? Weil man jedes mal wieder bei Adam und Eva beginnen muss. Es tut mir leid, wenn ich den einen oder anderen Mitforisten damit nerven sollte, weil ich da jedes mal drauf hinweise, aber jeder, der sich mit der Frage von Spielerpräferenzen befasst, sollte sich meiner Meinung nach unbedingt genau durchlesen, was Oliver Kiley in seinem auf BGG oft zitierten Blogbeitrag Schools of Design and their Core Priorities so analytisch und stimmig wie kein Zweiter zur Niederschrift gebracht hat.


    Also kurz gesagt: Ich bin natürlich voll Deiner Ansicht. Selbstverständlich existieren unterschiedliche Erwartungshaltungen an ein Brettspiel. Welche davon einen Spieler ansprechen oder nicht, hat nur bedingt mit dem Spaß am Lösen geistiger Herausforderungen zu tun. Es geht beispielsweise oft auch um die Metaebene, welche bei interaktionsarmen, komplexen Euros oft nicht vorhanden ist, was in Konfliktarmut resultiert, die von Liebhabern des Genres ja aber gerade gewollt ist. Das Gesellschaftsspiel wird damit aber reduziert auf das Lösen einer Arithmetik. Das macht es insofern geistig weniger herausfordert als das gleichzeitige Agieren auf der Metaebene. Das wiederum überfordert nämlich nach meiner Beobachtung so manches guten Kopfrechner. Bei so manchen harten Eurospielern von öffentlichen Spieletreffs hat man ja, überspitzt gesagt, bisweilen den Eindruck, dass da eine Asperger-Symptomantik oder etwas in der Art vorliegt. Krass gut im Rechnen, aber auffallend unterentwickelte Kommunikationsfähigkeiten. Insofern relativiert sich das mit der geistigen Herausforderung, wenn es um andere Ansprüche als das Lösen von Rechenaufgaben geht.