Beiträge von LookAtTheBacon im Thema „01.07.-07.07.2019“

    Ich schreibe ja nicht so oft in den Wochenthreads, aber da wir demletzt tatsächlich mal drei recht "aktuelle" Titel direkt hintereinander auf den Tisch gebracht haben, könnte das vielleicht die ein oder andere Kaufentscheidung hier im Forum positiv oder negativ beeinflussen, und daher schreibe ich nun mal was dazu :)


    Los ging der Abend mit dem Titel Die Tavernen im tiefen Thal von Allzweckwaffe Wolfgang Warsch.

    Ab und zu wurde im Forum ja schon über den Titel gesprochen, leider ist mir ein Aspekt dabei aber meistens zu kurz gekommen bisher: und zwar das Würfeldrafting. Hätte ich das Spiel rein vom Forenwissen her gekannt, wüsste ich daher nämlich gar nicht, dass hier etwas anderes gemeint ist, als z.B. bei Solarius Mission. Bei Letzterem haben wir es mit dem Auswählen eines einzelnen Würfels aus einer allgemeinen, offenen Auslage zu tun. So unter anderem auch bei Santa Maria, Seasons oder ähnlichen Vertretern des mir geliebten Genres. Wolfgang Warsch bedient aber gefühlt ein gänzlich neues Genre, legt er das Drafting doch strenger aus, und zwar orientiert an dem Auswahlmechanismus von Notre Dame, Fairy Tale oder dem sicherlich prominentesten Vertreter: 7 Wonders. Wir wählen den Würfel in Tavernen also nicht aus einer gemeinsamen Auslage, sondern jeder aus einer Eigenen, und geben dann unsere jeweilige Auslage weiter. Wow! Das hatte ich noch nirgends so im Forum erklärt gelesen und da bin ich nun ehrlich gesagt froh gewesen, dass ich das Spiel gekauft habe. Also Regeln gelesen, Videos geschaut und siehe da: brilliant. In dieser Form habe ich solch ein Würfeldrafting nämlich noch nie gesehen. Wenn jemand ein anderes, älteres Spiel kennt, dass diesen Mechanismus auf genau diese Art und Weise früher schon mal verwendet hat, würde ich mich über einen Hinweis oder eine PN mehr als freuen.

    Anyway.

    Wie man sich nach dieser einleitenden Vorrede vorstellen kann, hat mir das Spiel gut gefallen. Deckbuilder spiele ich eh sehr gerne, (Card) Drafting ist meine liebste Mechanik überhaupt, die Illustrationen sind toll, thematisch haut es hin (Mitarbeiter heuern nur für Geld an, Gäste werden durch Bier angelockt etc.), das Puzzeln des Boards ist innovativ...uns hat es allen sehr gut gefallen.

    Klar ist es hier und da glückslastig, was aber sehr schön durch die "kostenlos alles neu ziehen"-Plättchen alle paar Runden abgeschwächt wird (der genaue Name ist mir gerade entfallen, Pardon!). Auch die oft angesprochene Downtime finde ich wirklich nicht sehr hoch, da es doch oft klar ist, was man machen sollte oder für einen selbst das Beste ist. Und beim Draften kurz zu warten finde ich persönlich nicht schlimm. Das ist eher cool, weil ich dann noch überlegen kann, was die anderen wohl so nehmen werden bzw. noch brauchen an Zahlen. Wie dem auch sei. Ich habe eigentlich insgesamt nur einen großen Kritikpunkt, und das ist das Setup:

    Wir haben bestimmt 30 Minuten für den Aufbau gebraucht, bis auch ja jeder jedes Puzzleteil an der richtigen Stelle auf der richtigen Seite bei sich auf dem Playerboard angebaut hatte, bis auch ja die Kartenauslage gestimmt hat und die persönlichen Decks korrekt ausgeteilt waren, bis das Board präpariert war mit der richtigen Seite, den Schnäpsen, den Gauklern, den Unterschriften, den Zusatzboards usw usw. Also das war schon ein ganz schönes Pain. Ich denke, dieser Aufwand reduziert sich aber mit Folgepartien deutlich. Wie ich das am besten lagern soll, weiß ich aber immer noch nicht. Ich habe jetzt aktuell einfach alle Puzzleteile in den jeweiligen Slots gelassen und so oben auf das Tiefziehteil+Board draufgelegt, die Konstruktion fühlte sich aber sehr lavede an und das finde ich dauerhaft nicht so schön.

    Alles außeinanderzubauen kommt aber eigentlich auch nicht in Frage, da man dann vor jeder Partie wieder einzeln alles zusammenpuzzelt, was ich gern vermeiden würde. Jemand eine Idee?


    Wie auch immer. Unsere Punkte waren am Ende mit 1 Abstand zum Letzten und 5 Abstand zum Ersten denkbar knapp und das zeichnet für mich brilliante Balance aus. Egal was man macht oder wie es läuft, alle haben gute Gewinnchancen und es blieb spannend bis zum Schluss.

    Kein absoluter Oberknaller, aber ein schönes Kennerspiel, dass ich gern wieder auf den Tisch bringen werde. Bitte auch gleich wieder mit allen Modulen, was super geklappt hat.

    BGG: 7.65-7.75 atm bei mir.



    Danach versuchten wir uns an Dice Settlers (den meisten wohl geläufiger unter der 1:1 Schwerkraftverwurstung "Die Würfelsiedler"), ein Spiel das ich hier im Forum weit vor Release ja schonmal als potentiellen Kennerspiel des Jahres-Kandidaten gehandelt hatte. Tolle Optik von The Mico, super Gameplay (Bag Building mit Würfeln!) und Dávid Turczi of Anachrony-Fame als Autor - was kann da schon schiefgehen? Leider schon ein bisschen was.

    Und zwar das Balancing.

    Genau wie bei den Anachrony Erweiterungsmodulen hat man die Balance hier total vermurkst. Es ist toll, dass es derart viele Möglichkeiten gibt, seine Würfelergebnisse zu manipulieren und einzustellen, wie man letztendlich möchte - absolut - aber wenn die Exploration am Ende derart übermächtig ist, wie es hier in diesem Spiel der Fall ist, dann braucht man eigentlich auch gar nicht spielen. Tut mir Leid.

    Die beste Taktik in Dice Settlers, und das kann ich nach einer Partie und den davor geschauten drei Lets Plays mit großer Sicherheit sagen, ist eindeutig die Entdeckung. Man holt sich so viele Würfel wie möglich mit dem Feuersymbol, holt dadurch immer wieder neue Zelte zum Ausbreiten, und man holt sich so viele Würfel wie möglich mit dem Kompass und erkundet neue Gebiete. Wenn man alle anderen Symbole konsequent ignoriert und neu wirft, kann man sich hier in schnellster Zeit abkapseln und auf der Karte allein in eine Richtung entwickeln. In der Endabrechnung des schwachen(!) Regelbuchs erhält man auch die Hauptpunkte für Hexfelder, über die man nicht alleinige Dominance hat. Somit braucht es weder "3 mehr Zelte als die Gegner", noch notwendigerweise ein eigenes Haus, wenn sich eh keine Gegner mit im Feld befinden. Das heißt man spielt einfach nur seinen Stiefel runter und erkundet, deckt neue Plättchen auf, setzt ein Zelt rein, erkundet, setzt ein Zelt rein, rinse and repeat.

    "Bacon mein Lieber - da muss sich einfach immer jemand mit reinsetzen, und schon ist das kein Problem mehr und es gibt automatisch Competition". Leider stimmt das nicht. Wenn jemand nämlich konsequent diese Strategie fährt, hat er automatisch einen weit größeren Zeltvorrat in seinem "personal supply" und wird sich irgendwann definitiv allein absetzen können. Und dann ist es nur noch Drawluck. Die Siegpunkte der Hexfelder gehen so exorbitant weit auseinander, dass es auch überhaupt nicht mehr feierlich ist. Von 0 Punkten bis hin zu 9 Punkten ist afaik alles dabei. NEUN Punkte Differenz. Das ist geisteskrank. Zieht der Entdecker mit permanenter Doppel/Dreierauswahl immer die hohen Felder und man selbst immer nur die niedrigen, braucht man eigentlich gar nicht mehr mitzuspielen. Denn Trading (aka 3 gleiche Ressourcen für 6 Siegpunkte abgeben) ist weit weniger lukrativ und kostet gleichzeitig auch viel mehr Aufwand, als diese gerade skizzierte Strategie. Ebenfalls bringt mass Forschung nichts (oder nicht genug), weil der Entdecker zu schnell zu viele Plättchen hat und dann einfach easy seine fünf Häuser allein gründet. Game over.

    Tl;dr? Das Spiel hat mir Spaß gemacht. Wirklich. Ich liebe das Bag Building und die Idee ist immer noch geil. Das Artwork auch. Eigentlich alles. Aber die Zahlen stimmen nicht und die Strategien gleich gar nicht. Das Balancing ist grausam und ich schwöre das wird jedem früher oder später auffallen, der das Spiel oft genug spielt. Super schade drum.

    Ich hebe es trotzdem auf, und werde wohl einfach Hausregeln einführen. Keine Siegpunkte ohne richtige Dominance ist sinnvoll (also Haus oder 3+ Zelte), oder wahlweise halbiert man alle Punkte von Gebieten am Ende des Spiels bzw. nimmt alle Plättchen über 6 Punkte raus oder sowas. Mir fällt schon was ein. We'll see.

    BGG: die gnädigste 7.0 die ich aktuell je vergeben habe. Bleibt nur wegen Vorabliebe und Spaßfaktor, trotz der Unausgegorenheit. Never in this life Kennerspiel des Jahres - leider. Somit quasi zurecht nicht nominiert dieses Jahr. Bitter.



    Und zum krönenden Abschluss noch unser "Absacker", das im Vergleich seichteste Spiel des Abends - Hadara. Wir hatten uns im Vorfeld darauf geeinigt, mal einen Abend mit drei Mittelgewichten zu Spielen, was wir bisher noch nie gemacht haben. Meistens kommt in dieser Runde ein seichter Aufwärmer, dann ein Komplexitätshammer, dann ein Mittelgewicht und dann je nach Zeit und Lust noch ein kurzer no brainer-Absacker auf den Tisch. Diesmal wie gesagt nicht. Tavernen und Dice Settlers hatte ich mitgebracht aus der hauseigenen Collection und um auch den aktuellen PoS ein bisschen abzubauen, Hadara hatte sich ein Spieler meiner Stammgruppe aus der Stadtbibliothek ausgeliehen, um es einfach mal mit uns auszuprobieren. Und - oh Lord - was mochte ich dieses Spiel!:love:


    Ich hatte im eigentlichen Thread dazu ja schon vorab verkündet, dass der Titel mein "make or break"-Spiel für den Autor Benjamin Schwer wird, da Yeti+Crown of Emara als subjektive Doppelgurken bei mir direkt davor im Gedächtnis waren. Dennoch konnte mich Hadara vollends überzeugen. Es ist einfach genau meine Art von Spiel. Drafting aus einer zentralen Auslage, Möglichkeiten anderen Karten zu verwähren durch Verkauf (Denyen/Hate Drafting aus 7 Wonders), Engine Building aus Splendor/Century mit dem billiger Werden durch gleiche Farben, "quasi-Ernährung" aus rosenberg'schen Gefilden, aufgesetztes Thema mit dennoch schönem und stimmigem Artwork, moderater Spieldauer, genug kniffligen Entscheidungen...oh ja, Hadara hat mir wirklich großen Spaß gemacht. Am allerbesten gefällt mir an dem Spiel die Phase, wenn die nicht genommenen Karten aus Abschnitt A gewählt werden. Da zeigt sich richtige taktische Finesse, da zählt man jede Karte, man wägt ab, plant, taktiert und betet, dass am Ende alles aufgeht. Oh man, was für ein wunderbarer Kniff! Diese Phase ist ganz ehrlich brilliant und Benjamin Schwer hat dafür locker einen Stein bei mir im Brett.

    45 Euro ist das Spiel vom Material her aber imho nie und nimmer wert, wenn es mit einem Gutschein aber mal auf 20, 25er Gefilde sinkt, kaufe ich es mir ganz bestimmt. Wirklich ein toller Titel, den ich gern besitzen würde.

    Unthematisch, klar, das Thema könnte theoretisch alles sein...aber es funktioniert einfach (mechanisch) und macht großen Spaß.


    Gespielt habe ich übrigens eine von Minute 1 an angepeilte "Reihenstrategie" inklusive beider goldener 7er-Siegel, welche auch komplett aufgegangen ist. Ich hatte am Ende des Spiels exakt vier komplette Reihen in allen Farben voll und somit die gewünschten 56 Punkte vollumfänglich mitgenommen. Zusammen mit drei Kolonien, drei Büsten, einem silbernen Siegel auf Grün und 52 Punkten durch Kartenwerte erreichte ich eine Gesamtpunktzahl von 169, auf die ich in einer Erstpartie ohne jegliche Vorkenntnisse schon ein bisschen stolz bin.

    BGG 7.75 mit starker Tendenz zur 8.0-8.25 aktuell bei mir. Muss perspektivisch erworben werden.


    Ein toller, gelungener Abend mit vielen neuen Erkenntnissen :) Davor hatten wir übrigens Pizza bestellt und zu einem Bierchen die Frauen Fußball-WM geschaut, also das Brettspielen hat es super abgerundet.

    Lg


    #DieTavernenImTiefenThal #DiceSettlers #DieWuerfelsiedler #Hadara