Beiträge von ravn im Thema „[2019] Crystal Palace von Carsten Lauber, Feuerland Spiele“

    Das Spiel polarisiert extrem. Kenne mehr Mitspieler, die vor oder bei oder nach einer Erstpartie abgewunken haben, weil das Spiel als langweilig bis langatmiges abarbeiten erlebt wurde und das selbst bei Eurogamern. Mehr Mitspieler als jene, denen das Spiel gefällt. Ich persönlich finde den Würfel-Plannungs-Einsatz-Mechanismus hingegen wirklich gut. Anscheinend fehlt dem Spiel etwas, so dass es in der Masse zündet. Freue mich trotzdem auf eine kommende Partie, sofern es jemand mitspielen mag.

    Heute mal nach Erstsichtung am Donnerstag das Spielmaterial ausgepöppelt und sortiert. Schön schwere Pappe und keinerlei Probleme, die aus den Stanzbögen zu bekommen. Grafik wirkt im finalen Druck nochmals besser wie das Handmuster auf dem Spielewahnsinn in Herne. Einiges davon habe ich zwar auf Anhieb und ohne Blick in die Anleitung nicht zuordnen können, aber die Anleitung wirkt schön ausführlich. Karton ist danach auch gut 3/4 gefüllt und das ohne Inlay, aber mit beiliegenden Zipptüten.


    Die erste eigene Partie kann dann bald kommen ... bin gespannt, wie sich dann für mich der Bogen von einer ewig zurückliegenden ersten Prototyppartie bis dann heutzutage schliesst. Crystal Palace war und ist mein einziger Eurogame-Neukauf auf der SPIEL gewesen. Spricht für sich.

    Crystal Palace hat leider das Potential, zerdacht zu werden - wie eigentlich fast alle Spiele dieser Komplexität:


    Einmal wenn man sich nicht entscheiden kann, welche Würfel man einstellt. In der Phase hat man aber nur begrenzte Informationen. Man sollte den Überblick haben, was und wie dringend die Mitspieler einzelne Aktionen wollen, die man selbst besetzen möchte. Man sollte selber wissen, welche Aktionen man dringend machen muss für seine Strategie und ob man ausreichend Möglichkeiten hat, um auf andere Aktionen auszuweichen. In der Phase kann man auch gut auf Erfahrungswerte setzen, ob einzelne Mitspieler eher hoch einsteigen oder vorsichtiger mit dem Geldausgeben sind für die Würfel. Für Spieler, die alles durchplanen wollen, sicher ein Albtraum.


    Dann kann man bei der eigenen Aktionswahl auf den einzelnen Spielbrettern seinen Fokus verlieren. Mal hier und mal dort schauen und hin und her überlegen und in eine Denkstarre geraten, weil man so viel machen könnte, sich aber für eine Sache entscheiden muss. Es geht ja nicht nur um die Aktion selbst, sondern auch wo man sich da einsetzt, um welche Sonderfunktion nutzen zu können. Ein Albtraum für entscheidungsschwache Mitspieler, die sich leicht durch sich selbst ablenken lassen.


    Ich habe zum Glück bisher zwei recht flott gespielte Prototyppartien erlebt und die hatten kaum Downtime. Im Zweifel die passenden Mitspieler suchen oder vorab sich auf eine Spielgeschwindigkeit einpendeln und verständigen oder sich ausreichend Zeit nehmen oder sich nicht daran stören. An Newton hat es mich im Rückblick auch ein wenig erinnert. Nicht von den Mechanismen, sondern weil es gradlinig erklärt ist und die eigenen Aktionen eher kurz sind, die eigentliche Komplexität sich aber aus der Summe der vielen Teilaspekte ergibt.

    Wenn die lieben Mitspieler sich neben dem Spiel noch mit allem anderen nebenbei befassen verpassen sie leider Ihren Einsatz gerne mal...

    Was dann definitiv ein Problem der Mitspieler ist und weniger dem Spiel geschuldet. Aber das ist eh klar.


    Hab da mal eine fast schon verdrängte Viticulture-Partie erlebt, bei der drei Mitspieler die ganz Partie über sich selbst ablenkend oder desinteressiert keinen Plan hatten, wann die bei der ständig wechselnder Spielreihenfolge dran waren. Während der Rest gedacht hatte dass die schon längst mitten in ihren Planungen waren. Am Ende hatte jeder auf jeden gewartet, bis der aktive Spieler irgendwann mal fragte, wer denn dran sei. "DUUUUU!!!!!1" Und das nicht nur einmal und nicht nur bei einem Mitspieler. -sic-


    Auf Crystal Palace bezogen würde ich nach der Erstpartie diese komplett variable Spielerreihenfolge anhand der Würfelsumme einfach mal ausprobieren. In passender Runde. Pappstreifen mit fünf durchnummerierten Feldern ausdrucken, Marker in Spielerfarbe nutzen und fertig.

    Auf dem Spielplan, besser gesagt den Spielplänen, ist schon einiges los. Es gilt zu überschauen, welche Aktionen noch möglich sind, wo ein Einsetzen lohnt und welche Würfel die Mitspieler noch übrig haben und einen damit verdrängen könnten in der Aktionsausführung. In der Erstpartie kann das sicher zu einer Denkstarre führen, wenn man den eigenen Anspruch hat, wirklich optimal zu spielen, obwohl man die Zusammenhänge noch nicht recht überblickt. Eben ein weiteres Spiel, das gewinnt, wenn man es intuitiv spielt und nicht zergrübelt und die Zeit dann für eine Revanche nutzt.

    Hiermit kann man sich einen ganz guten Überblick verschaffen:


    Crystal Palace | Board Game | BoardGameGeek


    Für mich ist Crystal Palace eine sichere Vorbestellung nach meiner Prototyppartie vor drei Jahren und dieses Jahr eine weitere Kurzpartie mit dem Handmuster in Herne aufm Spielewahnsinn. Schönes mittelkomplexes und thematisches Eurogame, das ausreichend Raum für eigene Spielstrategien lässt. Ob es langfristig was taugt oder bisher unerkannte Details den Spielspass für einen persönlich vermiesen, wird sich schlicht zeigen müssen. Das Potential eines Marco Polo im Genrevergleich der Würfeleinsetz-Spiele könnte es aber durchaus haben.

    Kurze Anmerkung: Da ich die Anleitung nie gelesen habe und mir das Spiel nur vor drei Jahre und letztes Wochenende erklärt wurde, kann es gut sein, dass ich da Details und besonders Begrifflichkeiten durcheinander werfe oder nicht genau treffe. Deshalb betrachtet den Ersteindruck als Ganzes und weniger einzelne Worte - wie Helfer-Pöppel und Megafone-Leiste - für sich. Deshalb bitte korrigieren und ergänzen ...

    Auf dem SpieleWahnsinn 2019 in Herne hatte ich die Möglichkeit, den finalen Prototyp von Crystal Palace als Handmuster erneut kennenzulernen. Eine Wiederbegegnung, denn mein Erstkontakt mit dem Spiel fand schon vor drei Jahren auf der gleichen Veranstaltung statt. Damals hieß der frühe Prototyp von Carsten Lauber noch London 1851. Das Thema war die erste Weltausstellung. Allerdings habe ich das Spiel eher in einem alternativen Steampunk-Universum angesiedelt gesehen. Denn schon damals konnten wir recht merkwürdige Erfindungen finanzieren und bauen lassen. Wer meinen damaligen Ersteindruck nachlesen will, muss allerdings im Internet-Cache von TricTrac Deutschland suchen. Mein Leserartikel zu den Neuheiten des Spielewahnsinn 2016 ist längst offline - wie auch die TricTrac Deutschland Webseite mitsamt Cheffe Guido.


    Drei Jahre später nun ein neues Lebenszeichen. Aus London 1851 wurde Crystal Palace. Schlicht, um nicht mit den unzähligen 18xx-Eisenbahnspielen verwechselt zu werden. Es geht weiter um die Weltausstellung in London. Der mehrteilige Spielplan wirkt nun aber aufgeräumter und weniger düster, wenn ich mich recht erinnere. Zurück zum Thema. Wir sind als teilnehmende Nation inmitten der Vorbereitungen auf die "Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations". Nur haben wir noch so gar nichts zu präsentieren und sind mit nur sehr bescheidenden Geldmitteln ausgestattet. Und unsere Arbeitskräfte wollen ebenso wie anzuwerbende Persönlichkeiten entlohnt werden. Wer dann, am Ende von fünf Runden im Jahr 1851 angekommen, die meisten Siegpunkte vorweisen kann, dessen Nation gewinnt. Bis dahin sollen gut 90 bis 150 Minuten vergangen sein.


    Zwar können bis zu fünf Spieler antreten, aber Carsten Lauber empfiehlt für eine Erstpartie eher maximal vier Spieler. Ansonsten könnte es zu konfrontativ und auch langatmig werden, wenn wir noch mitten dabei sind, die ganzen Spielmechanismen zu erkunden, noch nicht so recht wissen, was wir hier überhaupt machen und uns schon maximal gegenseitig behindern. Denn lieb und nett ging es auch vor mehr als 170 Jahren nicht zu. Schließlich sind wir konkurrierende Nationen und die Aktionsmöglichkeiten wie auch potenzielle Erfindungen und unterstützende Persönlichkeiten sind begrenzt - wie unsere Geldmittel. Geldmittel, die wir durch gutes Spiel vermehren können oder durch Kredite aufstocken. Wer viel vorhat, der muss eben viel investieren. Auch wenn Kredite erst einmal Siegpunkte kostet. Die holen wir später wieder rein. Soweit der Plan.


    Da jede Nation eine Besonderheit auf ihrer persönlichen Ablage hat und diese Ablagen zudem doppelseitig und unterschiedlich sind, haben wir mit dieser ersten Wahl eine Art Leitlinie an die Hand bekommen, auf was wir uns in unserer Partie konzentrieren, aber zumindest nicht komplett missachten, sollten. Wer Bonussiegpunkte für mehr Arbeiter bekommt, sollte eben irgendwann sehen, diese Bonuspunkte auch einzustreichen. Somit haben wir schon mal ein erstes Zwischenziel. Es gibt aber noch so viel mehr und im Erstkontakt kann man sich aufgrund der vielen Möglichkeiten fast verloren fühlen. Dabei spielt sich Crystal Palace vom Grundregelwerk recht gradlinig. Zumal die sechs Phasen einer Spielrunde auch auf der persönlichen Ablage aufgedruckt sind. So konnten wir uns nach der Erklärung daran gut entlang hangeln.


    In der ersten Phase planen und bezahlen wir unsere Arbeiten in Form von sechsseitigen Würfeln in Spielerfarbe. Marco Polo lässt angenehm grüßen. Allerdings würfeln wir nicht, sondern bestimmen selbst, welche Augenzahlen diese Arbeiter zeigen sollen. Also vier Mal die 6 eingestellt und gut ist? Blöd nur, dass wir unsere Arbeiter direkt bezahlen müssen und wer will schon direkt 24 Geld ausgeben? Geplant wird verdeckt und zeitgleich hinter einem Sichtschirm. So stellt sich die Frage, ob eine 5 oder doch 4 ausreichen wird. Aber eine 6 sollte zur Sicherheit schon dabei sein. Und schon hat man eben in Summe 15 Geld verbraten und in eine ungewisse Zukunft investiert. Ob sich diese Ausgaben auszahlen werden, dass wird sich noch zeigen.


    Wer das meiste Geld ausgibt, der wird Startspieler. Und Startspieler zu sein, das ist gut, weil damit kann man als Erster eine Aktion besetzen. Im Zweifelsfall mit einer 6, weil dann ist man garantiert auch der erste Spieler, der diese Aktion ausführen darf. Nur eventuell haben die Mitspieler ganz andere Pläne und diese frühe 6 wäre an dieser Stelle verschwendet? Das alles sind Überlegungen, die man in dieser ersten Phase anstellt. So sitzt man hinter seinem Sichtschirm. Dreht seine Arbeiterwürfel und beäugt die Mitspieler und versucht diese einzuschätzen.


    Wer das wenigste Geld ausgibt, der bekommt als Belohnung eine Zeitung. Auch das ist gut, denn Zeitungen sind Universalzahlungsmittel und können gegen Geld, Zahnräder, Siegpunkte und Glühbirnen eingetauscht werden und das zu einem festen Wechselkurs. Mit Zeitungen ist man also flexibel und Flexibilität zahlt sich aus, wenn Plan A und B und auch C dank der vielen lieben Mitspieler nicht mehr funktionieren wollen. Deshalb wird für die Erstpartie auch nicht die maximale Mitspielerzahl empfohlen.


    Hier muss ich mit meiner ersten Kritik ansetzen. Da nur der Startspieler bestimmt wird und die Spielreihenfolge der Sitzreihenfolge folgt, ist der Spieler, der direkt links vom neuen Startspieler sitzt ohne eigenes Zutun bevorteilt. Zumindest fühlte es sich so an. Und wer zufällig rechts neben dem Mitspieler sitzt, der Geld nur so rauskloppt und das Runde um Runde, der fühlt sich eventuell benachteiligt und wünscht sich, einen anderen Sitzplatz gewählt zu haben. Hier würde mir eine Spielreihenfolge nach dem für Arbeiter investierten Geld besser gefallen. Einfach per Pappaufsteller realisiert. Da sich das Crystal Palace sowieso an Experten richtet und kein Familienspiel sein will, sollte diese Zielgruppe damit zurechtkommen. Eventuell ist es ja sogar eine Profivariante, die längst so eingeplant ist?


    In der zweiten Phase setzen wir nun unsere Arbeiter auf freie Einsetzfelder ein. Die sind auf acht Spielbretter thematisch aufgeteilt: Patent Office, Reform Club, London Times, Port of London, Waterloo Station, British Museum, Bank of England und Westminster. Anfangs hat jeder dazu vier Arbeiter, im Spielverlauf kann man aber zwei weitere Arbeiter anwerben oder auch bis zum Spielende festsetzen. Mit diesen Arbeitern in Würfelform beanspruchen wir allerdings nur die Absicht einer Aktion. Ob wir die auch ausführen können, wissen wir nur begrenzt. Je höher die Augenzahl zeigt, desto eher können wir in der folgenden Phase 3 eine der dort verfügbaren Aktionen wählen. Wer zu wenige Augenzahlen vorweisen kann, nicht auf den Würfelvorrat der Mitspieler schaut und deren Pläne falsch interpretiert, kann dabei auch leer ausgehen. Einige Felder brauchen zudem eine vorgegebene Mindestaugenzahl, andere Felder geben direkt einen Bonus in Form von Zeitungen oder Helfer oder kosten Geld.


    Hier gilt es, Prioritäten zu setzen. Eigentlich möchte man so viel mehr machen, hat aber nur eine begrenzte Zahl von Arbeiter und diese zeigen auch nur eine begrenzte Anzahl an Augen auf dem Würfel. Da einige Einsetzbereiche mehr Felder als eigentliche Aktionsmöglichkeiten zeigen, weiß man schon vorab, wo es starke Konkurrenz geben werden kann und wo man sicher eine Aktion, wenn auch nicht zwingend die Wunschaktion, abbekommen kann. Aber eventuell interessiert auch der Bonus in Form eines Helfers mehr als die eigentliche Aktion. Weil diese Helfer - keine Ahnung, wie die wirklich heißen, es sind kleine Holzpöppel - ermöglichen es, die individuellen Bonussiegpunkte jeder Nation zu aktivieren, oder auch den Schwarzmarkt zu besuchen.


    Der Schwarzmarkt ist ein eigenes Spielbrett. Dort kann man sich gegen Geld einkaufen und bekommt mehr Geld oder auch Zahnräder und Glühbirnen. Allerdings nicht sofort, sondern erst in der allerletzten Phase eine Spielrunde. Bis dahin kann der Schwarzmarkt aber auch gesprengt werden, wenn zu viele Spieler dort unterwegs sein wollen und alle gehen leer aus. Somit zockt man auf dem Schwarzmarkt um potenzielle Gewinne, darf diesen aber nicht überreizen. Oder macht eben genau das, weil es einem kurzfristig etwas nützt und zudem die Gier der Mitspieler ausbremsen kann. Diese Konfrontationsaspekt muss man in Eurogames mögen. Mir gefällt der. Zumal man selbst entscheidet, ob man das Schwarzmarktrisiko eingeht und gut abschätzen kann, wann es dort zur Zerschlagung kommt.


    In der dritten Phase handeln wir die Einsetzfelder-Spielbretter 1 bis 8 der Reihe nach ab. Wer dort den höchsten Arbeiterwürfel eingesetzt hat, darf zuerst eine der Aktionen wählen. Wer zu niedrig oder bei Augenzahlgleichstand zu spät eingesetzt hat, der geht hingegen leer aus. So können wir uns - ganz grob beschrieben - neue Patente besorgen, die wir später in funktionierende Erfindungen realisieren und dadurch Siegpunkte und Spielvorteile bekommen. Wir besorgen uns Zahnräder und Glühbirnen, die wir für Erfindungen und für das Anwerben von prominenten Persönlichkeiten benötigen. Können ebensolche Persönlichkeiten anwerben. Verbessern unser Ansehen und verändern damit den Unterhalt, den die von uns angeworbenen Persönlichkeiten jede Spielrunde neu verlangen. Oder wir erhöhen unser Einkommen, da wir ständig neue Geldmittel brauchen. Und vieles mehr, denn die Möglichkeiten sind vielfältig.


    Die ganzen Begleittexte auf den Karten der Erfindungen und der historischen Persönlichkeiten sind hingegen einfach grandios - ich sag nur "Spaßbremse". Zwar für die reine Spielmechanik völlig unnötig, aber genau diese kleinen feinhumorigen Details lassen für mich gute Spiele besonders werden.


    In der vierten Phase bezahlen wir schließlich den angesprochenen Unterhalt für die von uns angeworbene Persönlichkeiten, um dann in der fünften Phase aus den erworbenen Patenten funktionierende Erfindungen zu bauen. Hier unterscheiden sich dann auch Persönlichkeiten von Erfindungen. Denn Persönlichkeiten wollen direkt bei der Anwerbung mit Zahnrädern und Glühbirnen entlohnt werden, während wir Patente auch erst einmal vor uns auslegen können, bis wir die dann später irgendwann ebenfalls mit Zahnrädern und Glühbirnen bauen. In beiden Fällen drehen wir die jeweilige Karte um und es werden nur noch die Informationen angezeigt, die ab jetzt für den Spielablauf relevant sind.


    Abschließend bekommen in der sechsten und letzten Phase einer Spielrunde unser neues Geld anhand der Einkommensleiste. Dieses Einkommen sollten wir ständig vermehren, weil es jede Runde sinkt und damit droht, am unteren Rand der Einkommensleiste uns Siegpunkte und Geld aufzufressen. Als Notnagel gibt es ja immer noch Kredite, aber die kosten am Ende Siegpunkte. Jetzt ist dann auch der Zeitpunkt gekommen, den Schwarzmarkt auszuwerten und der kann eine angenehme Summe an Geld und mehr bringen, auf die man ungerne verzichten möchte. Deshalb ist der Schwarzmarkt auch so beliebt.


    Soweit der Spielablauf. Bisher überhaupt nicht erwähnt habe ich die Megafone-Leiste. Dort wandern wir mit unserem Marker voran, getrieben durch Arbeiteraktionen oder profitierend von Erfindungen oder angeworbene Persönlichkeiten und dem Schwarzmarkt. An bestimmten Positionen können wir maximal zwei Boni bekommen. Wer da zu früh einsetzt, muss spätere und bessere Boni auslassen. Also jetzt wenig bekommen oder später mehr, das ist hier die Frage. Und diese ganzen Fragen an die eigene Spieltaktik ergeben in der Gesamtsumme ein Spiel, das für mich das Experten-Highlight auf dem SpieleWahnsinn 2019 in Herne war.


    Allerdings mit kleiner Abwertung. Die Zeitungen tragen wir auf einer Leiste ab. Solche Rohstoffleisten mag ich nicht. Ich hätte da lieber kleine Zeitungcounter anstatt eine Zeitungsleiste gehabt. Denn ich mag es halt, haptisch mit Spielmaterial zu planen, anstatt das nur im Geiste durchzurechnen und abzutragen. Wenn das Spiel eine Deluxe-Ausgabe bekommt, was es durchaus verdient hätte, dann bitte mit Zeitungscounter.


    Was hat mir nun an Crystal Palace gefallen:


    Die Planungsphase, in der ich selbst bestimme, wie stark meine Arbeiterwürfel für diese Spielrunde sein sollen, empfand ich erfrischend neu als Mechanismus. Den hatte ich vor drei Jahren so in der Art noch nicht gesehen und auch Coimbra fühlte sich da anders an. Hier zeigt sich, dass das Spiel fast völlig auf Zufallskomponenten verzichtet und die eigenen Planungen in den Mittelpunkt stellt.


    Während die Planungsphase zeitgleich mit den Mitspielern abläuft und damit keine Downtime verursacht, bin ich während der Arbeiter-Einsetzphase die ganze Zeit daran interessiert, was meine Mitspieler machen. Einmal um zu beobachten, welche Augenzahlen die sich noch aufsparen und wo sich deshalb Konkurrenzsituationen ergeben und welche Würfel ich selbst aufsparen oder auch im Einsetzen vorziehen sollte, um geplante Aktionen auch durchführen zu können. Zudem habe ich den Schwarzmarkt im Blick, um für mich abzuschätzen, ob sich dort eine Beteiligung noch lohnt oder ich den selbst überfluten sollte. Meine Probepartie über drei von fünf Runden war keine Sekunde langweilig.


    Dazu gefällt mir die durchgehend verwendete Symbolsprache. Viele Mechansimen sind miteinander verknüpft, aber diese Verknüpfung wird durch die verwendeten Symbole direkt deutlich. Ich brauchte mir hier keine undurchsichtigen Regeldetails merken, weil mich die Symbolsprache daran erinnert, was wo und in welcher Phase ausgelöst wird und Folgeeffekte hat. Damit konnte ich mich selbst in meiner Erstpartie voll aufs eigentliche Spiel konzentrieren. Hier merkt man die Reifung des Spiels über unzählige Testpartien. Ein angenehmer Kontrast zu so manchen Kickstarter-Herzblutspiel, das nur im Autorenhirn gekreist hat. Crystal Palace spielt sich hingegen einfach rund, ohne redaktionell zu abgeschliffen zu sein. Es gibt noch genug zu tun und genug zu optimieren und das in so vielen unterschiedlichen Bereichen. Es fühlt sich vielfältig von dem Möglichkeiten an.


    Zudem ist es eine Eurogame, das mich auch vom Thema abholt. Wir sind der Strippenzieher einer Nation und kaufen Patente ein und werben Persönlichkeiten an. Manche Gerätschaften sind skurril wie die "Spaßbremse", manche wie die Glocke von Big Ben hingegen historisch - und alle haben einen lesenswerten Begleittext auf ihren Karten, der die Rahmenbedingungen dieser Erfindungen erklärt. Gefällt mir in der Verbindung mit der leichten Steampunk-Optik, die noch etwas durchscheint und dem Spiel eine gewisse humoristische Leichtigkeit gibt, auch weil das Spielgeschehen untereinander knallhart sein kann und keine Freunde - sondern nur Konkurrenten - kennt.


    So oder so merkt Euch Crystal Palace für ESSEN 2019 vor. Wenn der Verlag es nicht auf der Zielgeraden verspielt, dann ein ganz heißer Anwärter auf diverse Expertenspielpreise und in guter Feuerland-Tradition der Terra Mystica Güteklasse. Und das meine ich wirklich so und nicht dadurch verklärt, weil ich den Autor als seltenen Mitspieler von diversen offenen Spieletreffs kenne.


    Mehr Infos: Crystal Palace | Board Game | BoardGameGeek