Beiträge von fjaellraeven im Thema „29.04.-05.05.2019“

    Da sich die Kampagne zu #OnMars in den letzten Zügen befindet, nutze ich mal die Zeit, um abseits des entsprechenden Threads meine Meinung in einen Erfahrungsbericht zu packen. Das Spiel selbst habe ich bisher zweimal gespielt, mir davor die Regeln durchgelesen und auch während dem Spielen die Zeit genommen, um etwaige Regelfragen zu klären. Damit grenzt mein Spielbericht nach YouTube-Maßstäben schon an eine fundierte Rezension. 8o


    Um es vorweg zu nehmen: ich habe mit den bisherigen Lacerda-Titeln keine Erfahrungen sammeln dürfen und kann daher zu diesen keine Vergleiche ziehen.


    "On Mars" spricht mich auf zwei Ebenen an. Für mich stimmt sowohl die Aufmachung des Spiels, als auch im Besonderen die Spielmechanik. Der Preispunkt während des aktuellen Kickstarters mag für ein Eurospiel mit 109$ (inkl. Versand) hoch sein, ob es einem das Wert ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden und in diese Entscheidungen spielen verschiedene Faktoren mit ein.


    Für mich kann ich grundsätzlich sagen, dass es mir das Geld aus spielerischer Sicht wert ist, da ich bereits in meinen zwei Partien viel Spaß hatte. ferion , mit dem ich beide Male gespielt habe, sieht das glaube ich ähnlich, bei ihm spielt aber ein anderer Faktor mit rein: die Hürde es auf den Tisch zu bekommen. Auch das beste Spiel ist im Schrank nur so viel Wert wie das Box Cover schön ist und für ein Box Cover sind 109$ schlichtweg zu viel. "On Mars" ist ein Spiel, für welches man sich explizit treffen sollte und keines, dass man mal ebenso auf den Tisch bringt. Das liegt daran, dass der Einstieg etwas Zeit erfordert und die Komplexität den Wiederspielreiz ausmacht, aber dieser auch gleichzeitig darunter leidet, wenn "On Mars" nur im Quartalen Tageslicht abbekommt.


    Auch wenn der letzte Satz nach Einstiegshürde und Regelkampf klingt, dem ist nicht so. Ich finde die Regeln gut strukturiert und verständlich geschrieben. Beim Lesen hatte ich sogar Spaß, da man, je weiter man im Regelbuch kommt, die vorigen Aktionen besser versteht und sich das Spiel und dessen mögliche Spielzüge so vor dem Auge des Regellesers entfalten. Ein ähnliches Gefühl hatte ich bei "Spirit Island", bei dem ich nach dem Lesen der Regeln das Gefühl hatte, bereits eine Probepartie gespielt zu haben.


    Trotzdem muss gesagt sein, dass es einige Feinheiten zu beachten gibt, diese in den ersten Partien garantiert ein Nachschlagen erfordern, sich aber nach der zweiten oder bereits im Laufe der ersten Partie sehr gut über die Ikonographie vermitteln. Einzelne Detailfragen werden auch weiterhin auftreten, aber das ist bei einem Expertenspiel aus meiner Sicht normal und zum Nachschlagen liegt "On Mars" ein potentes Referenzheft bei, das einzelne Sonderplättchen und die Karten gut und übersichtlich aufschlüsselt.


    Mein Erstkontakt mit "On Mars" war eine Dreierpartie mit MetalPirate und ferion . Während letzterer auch in der zweiten Partie mitspielte, war Matthias gestern leider verhindert. Beide Partien hatten eine Spielzeit von circa drei Stunden, was aber auch daran lag, dass wir uns Zeit für das Spiel nahmen und alle aufkommenden Fragen direkt nachschlugen.


    Der Spielaufbau wird im Zweierspiel insoweit angepasst, als dass weniger Ressourcen ausliegen und die verfügbaren Techtiles nicht aufgefüllt werden. Die Interaktion blieb auch in der zweiten Partie erhalten, auch wenn man sagen muss, dass es mit mehr Spielern ein größerer Kampf um die Felder war und das richtige Timing noch entscheidender. Ich denke, dass es im Viererspiel knallhart ablaufen wird und Neulinge gegenüber Kennern des Spiels wenig Land sehen werden. Das ist ein Aspekt, der mir zusagt, aber die gestrige Partie zu zweit hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Könnte ich meine Freundin für Expertenspiele begeistern, dann wäre "On Mars" ein tolles Pärchenspiel, welches sich mit etwas Erfahrung in 90-120 Minuten spielen lässt.


    Ich steige mit einer Übersicht des Spielbrettes ein, in dem ich kurz die möglichen Aktionen umreißen werde. Bevor man die Aktionen jedoch nutzen kann, ist es wichtig, ob man sich im Orbit oder auf dem Mars befindet. Je nachdem sind nämlich nur die Aktionen 1-5 (Orbit) oder 6-10 (Mars) verfügbar. Ins Orbit oder auf den Mars reist man, indem man entweder mit dem Shuttle fliegt oder eine eigene Rakete, die man vorher jedoch bauen muss, abgibt. Das Shuttle fliegt je nach Stufe der Kolonie entweder jede Runde vom Mars ins Orbit und in der Folgerunde wieder zurück oder es verweilt auf Stufe zwei oder drei der Kolonie die entsprechende Anzahl an Runden auf einer der beiden Seiten. Deshalb sollte man sich überlegen wann man reist, ob man die Aktionen der anderen Seite nutzen kann und auch wie man zurückkommt.


    Das Reisen selbst ist wichtig, da es zwei verschiedene Felder zum Einsetzen von Arbeitern gibt. Blaue Felder kann man mit eigenen Arbeitern verstärken, muss diese dafür aber nicht abgeben, sondern nur für eine Runde erschöpfen. Rote Felder oder das Platzieren von Minen erfordern das Einsetzen von Arbeitern. Diese Arbeiter stoßen erst dann wieder zu einem, wenn man die Spielplanseite verlassen hat und erneut zurückkehrt. Ohne Reisen können einem auf diese Weise mit der Zeit die Arbeiter ausgehen und ohne Reisen verpasst man wichtige Aktionsmöglichkeiten.




    Die Aktionsmöglichkeiten habe ich durchnummeriert:

    1. Durch diese Aktion erhält man eine der verfügbaren Ressourcen. Die Aktion kann durch das Erschöpfen von Arbeitern verstärkt werden, sodass man pro Arbeiter eine Ressource mehr erhält.
    2. Tech weiterentwickeln. Entweder eine Tech zwei Schritte oder zwei Techs jeweils einen Schritt. Auf dem Spielertableau sieht man, dass man durch das Platzieren oder Vorrücken von Techtiles Boni freischalten kann. Das Vorrücken selbst kostet ebenfalls etwas. Von Stufe eins auf zwei eine beliebige Ressource, danach jeweils einen Sauerstoff und von Level fünf auf sechs noch einen Kristall (Marsium) zusätzlich. Minerale (braune Tokens) sind im Spiel schwer zu bekommen, können aber als Joker-Ressource eingesetzt werden, so zum Beispiel als Sauerstoffersatz.

    3. Feld drei ermöglicht den Kauf einer Technologie. Die Technologien werden vor Beginn zufällig ausgelegt. Während die Level 1 Technologien nichts kosten, müssen die Spieler für Technologien höherer Level Batterien und eventuell eine Ressource abgeben. Technologien eines Mitspielers können mitbenutzt werden, dafür erhält dieser dann aber einen Bonus.
    4. Über diese Aktion können Blueprints (4a) gekauft werden. Diese wandern anschließend neben das Tableau eines Spielers (4b) und können mittels Aktion sieben und durch die Abgabe eines Minerals auf einem entsprechenden Planeten in Reichweite eines der Roboter gebaut werden (4c). Diese Blueprints ermöglichen zusätzliche Aktionen und sind am Ende Siegpunkte wert, sofern sie gebaut wurden.
    5. Feld Nummer fünf bietet eine Reiseaktion. Diese ist nützlich, wenn das Shuttle noch auf der Seite verweilen würde, man selbst aber auf die andere Spielplanseite reisen muss und keine Rakete abgeben kann. Ein Äquivalent gibt es auf der Marsseite.
    6. Die Bauaktion ermöglicht das Platzieren von verschiedenen Gebäuden. Je nach Gebäudeart haben diese andere Kosten und steigern ein anderes Parameter. Durch das Platzieren eines Gewächshauses steigert man die entsprechende Leiste der Kolonie, erhält dafür in den Wertungsphasen Siegpunkte und zusätzlich einen sofortigen Bonus für das Platzieren in Form einer entsprechenden Ressource. Baut man einen Komplex, das heißt verbindet man mindestens zwei gleiche Teile, so benötigt man dafür ein passend ausgebautes Techtile, dafür steigt jedoch auch der Sofortbonus um die Anzahl an verbundenen Gebäuden.
    7. Aktion sieben ist genau wie zwei, vier, sechs und acht eine rote Aktion und erfordert damit das Abstellen eines Arbeiters. Je Arbeiter einer anderen Farbe muss zusätzlich ein Kristall bezahlt oder ein eigener Arbeiter erschöpft werden. Die Aktion sieben ermöglicht wie oben erwähnt den Bau eines Blueprints.
    8. Diese Aktion ist ebenfalls rot, jedoch gibt es eine weitere Einschränkung. Auf diese Aktion darf maximal ein eigener Arbeiter platziert werden. Möchte man diese Aktion ein weiteres Mal ausführen, so muss man erst ins Orbit und wieder zurückreisen.
      Ist sie verfügbar und stellt man einen seiner Arbeiter ab, so kann man durch Zahlen der spezifischen Kosten einen Forscher anheuern oder später im Spiel einen globalen Auftrag abgreifen. Dieser steht nur dem Besitzer zur Verfügung.
      Wie bei den Blueprints bringen Forscher oder erfüllte Aufträge Siegpunkte. Forscher haben noch eine zusätzliche Funktion. Sie können in einem passenden Blueprint-Gebäude arbeiten (auch in dem eines anderen Spielers) und reduzieren so die Kosten der zusätzlichen Aktion des Blueprints auf null, während diese ohne Forscher zwei Kristalle kosten würde.
    9. Mithilfe dieser Aktion lassen sich der Rover und der Roboter bewegen. Den Roboter sollte man bewegen, da man nur in dessen direkter Umgebung bauen kann. Beim Bau ist es aber ebenfalls wichtig, dass neue Gebäude entweder direkt angrenzend an ein bestehendes der gleichen Art oder genau zwei Felder davon entfernt gebaut werden. Da man mit nur einem Roboter startet, ist man schnell außer Reichweite von verschiedenen Gebäudearten. Um dieses Problem zu beheben muss man sich entweder bewegen oder einen neuen Roboter bauen.
      Der Rover kann ebenfalls fahren und dient dazu Kristalle oder entdeckte Plättchen auf der Oberfläche des Mars einzusammeln. Plättchen werden von den Spielern entdeckt, wenn sie vom Orbit zurück auf den Mars reisen und anschließend platziert.
    10. Mittels der zehnten Aktion können wir Raketen bauen. Diese dienen nicht nur dem Reisen, sie bringen auch neue Arbeiter oder Roboter in unsere Unterkünfte. Es dürfen aber immer nur so viele Raketen gebaut werden, dass diese den aktuellen Level der Kolonie nicht übersteigen.


    • Zusätzlich zu diesen Aktionen gibt es noch sogenannte Executive-Actions oder einfach Sonderaktionen. Diese befinden sich auf dem Spielertableau neben den Techtiles und können durch Abgabe von Kristallen ausgeführt werden. Zu Anfang gibt es nur drei Sonderaktionen, aber jede gebaute Rakete schaltet eine neue frei. Zudem ermöglichen gebaute Blueprints weitere Executive-Actions, die oftmals Standardaktionen ersetzen und verbessern. Besonders im Zusammenspiel mit dem passenden Wissenschaftler können einem diese Sonderaktionen, die zusätzlich zu einer der Hauptaktionen ausgeführt werden dürfen, einen entscheidenden Vorteil bei der Kolonisierung des Mars verschaffen.


    Das Spiel endet, wenn die Kolonie den dritten Level erreicht. Einen Level steigt sie auf, wenn alle Parameter auf die oder über die aktuelle Kolonie-Stufe gesteigert wurden. Mit jeder Kolonie-Stufe sinkt zudem die erforderliche Anzahl an benötigten Gemeinschaftszielen (ähnlich wie bei Spirit Island die Siegbedingungen). Zu Beginn werden drei Gemeinschaftsziele zufällig ausgewählt und sind für die Beendigung des Spiels zu erfüllen. Zudem bringen sie Boni, wenn man einen Teil zu deren Erfüllung beiträgt. Persönliche Ziele gibt es ebenfalls, diese erfordern aber kein extremes anpassen der Strategie, sondern können ohne großen Aufwand nebenher erfüllt werden. Auch diese persönlichen Ziele versprechen attraktive Boni, die erfüllt und zur richtigen Zeit eingetauscht, den entscheidenden Schub geben können.


    Im Großen und Ganzen war das die Mechanik, die hinter "On Mars" steckt. Die reine Mechanik klingt tröger als es das Spiel selbst ist. "On Mars" ist herrlich verzahnt und vermittelt einem das stete Gefühl von Wachstum. Trotz der begrenzten Anzahl an Aktionsfelder gibt es viele unterschiedliche Wege das Spiel zu gewinnen. Die Aktionen selbst können nicht blockiert werden (bis auf die Startpositionen, die nach jedem Reisen neu gewählt werden können) und werden lediglich teurer. Das reicht aber manchmal bereits aus, um einem anderen Spieler einen bestimmten Weg zu verbauen. Apropos verbauen, durch das Platzieren von Gebäuden kann man Robotern den Weg abschneiden und die Mitspieler so ebenfalls zum Umdenken zwingen. Ich finde "On Mars" hat für ein Eurospiel eine gesunde Portion Interaktion.


    Die Thematik hat MetalPirate dem Spiel ja schon in Teilen abgesprochen und da gebe ich ihm in einigen Punkten Recht. Ob ich am Ende Sauerstoff oder die Pflanzen steigere, dass entscheide ich im letzten Zug nicht auf Grundlage der Bedürfnisse der Kolonie, sondern anhand der Boni, die mir die Aktion verspricht. In solchen Momenten merkt man, dass "On Mars" thematisch sein möchte, seine Herkunft aber nicht verleugnen kann. Das ist für mich kein Problem, da ich das Thema trotzdem ansprechend umgesetzt finde, ganz unabhängig davon, ob jeder Zug für sich genommen thematisch ist oder nicht.


    Ein Workerplacement/Eurospiel muss am Ende des Tages mechanisch zu überzeugen wissen, denn sonst nützt auch das beste Thema nichts. Das tut es für mich und ich habe trotz der Regelfülle und aufgrund der Spieltiefe eine Menge Spaß beim Spielen und Erkunden der verschiedenen Möglichkeiten. In "On Mars" kann man viel durchdenken, es ist definitiv AP anfällig, aber wenn man Freude an solchen Spielen und die richtige Gruppe bei der Hand hat (oder Solospieler ist), dann kann oder sollte man mal einen Blick riskieren.



    Zum Abschluss noch der Blick auf das Spielbrett unserer gestrigen Partie nach dem letzten Zug. Während ich von Anfang an einen Aspekt des Spiels austesten wollte und verfolgte, fehlte ferion diese grobe Ausrichtung. Das spiegelte sich dann am Ende in den Punkten wider. Gewonnen habe ich aber nicht, da meine Strategie die deutlich bessere war, sondern weil ich gezielter auf etwas hinarbeitete und Thorsten erst zum Ende seinen Weg fand. Mit 74 hatte er trotzdem so viel Punkte, dass er damit unsere Erstpartie gewonnen hätte.


    Unabhängig vom Ausgang hatte ich viel Spaß und hätte diesen auch bei einer Niederlage gehabt. Das Spielgefühl ist einfach sehr positiv und belohnend. Zudem gibt es (fast) immer etwas Sinnvolles zu tun, sodass die drei Stunden wirklich wie im Flug vergingen. Wie ich oben bereits angemerkt habe, bin ich davon überzeugt, dass man das Spiel mit etwas Übung auch in der Hälfte der Zeit wird spielen können. Ich bleibe auf alle Fälle bei meinem Pledge (egal ob am Ende nun Deutsch oder Englisch), denn für mich ist mein erstes Lacerda-Spiel auch mein liebstes. Die bisherigen Themen haben mich, bis auf CO2, schlicht nicht wirklich angesprochen. Der Mix aus Spiel und Setting liegt mir bei "On Mars" einfach am ehesten.