Beiträge von Joker im Thema „Dune Reprint von Gale Force 9 angekündigt“

    In der Tat eine spannende Frage.

    Als professioneller Übersetzer versuche ich mal darauf zu antworten:

    In Diskussionen wie diesen werden Eigennamen oft als absolut unverrückbar wahrgenommen. Das wundert mich – gerade wenn es um Fantasiewelten geht. Ich würde mich mal zu der Vermutung versteigen, dass von den Verfechtern des „Spice in der deutschen Fassung stehenlassen, weil es ein Eigenname ist“ niemand ein Problem mit Bilbo Beutlin, Grima Schlangenzunge oder Kankra hat.

    Einen Leser der deutschen Übersetzung, der das Original nicht kennt, reißen stehengelassene Namen und Begriffe eher aus der erdachten Welt (und auch aus dem Lesefluss), denn sie verweisen – während er in die Fantasiewelt einzutauchen versucht – immer wieder auf eine fremde Sprache unserer Welt, was der Immersion eher Abbruch tut als dient. Dieses Herausreißen wird verstärkt durch die immer wieder wechselnde Laut-Schrift-Zuordnung.

    Es ist lediglich der deutsche Leser, der das englische Original kennt, der sich an den geänderten Bezeichnungen stört, weil sie ihm das Wiedererkennen der Personen/Dinge usw. erschweren, aber für diesen Leser werden Übersetzungen in der Regel nicht angefertigt.

    Dem Argument, Spice stehen zu lassen, weil es fremdartiger und "cooler" klingt, würde ich das Argument der Wirkungsäquivalenz entgegenhalten. Für das englischsprachige Primärpublikum hat "Spice" nichts Fremdartiges oder Cooles. Die deutsche Bezeichnung sollte für den deutschen Leser also auch nichts derartiges haben – meine ich.

    Meine hier beschriebene Position ist in der modernen Übersetzungswissenschaft recht weit verbreitet.
    Das soll jetzt nicht heißen, dass die andere Position veraltet oder hinfällig wäre.

    Im Grunde genommen wird hier eine 200 Jahre alte Frage aufgegriffen. Vermutlich noch älter, aber in diesem Kontext wird in der Regel der Aufsatz „Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens“ von 1813 zitiert, in dem Friedrich Schleiermacher diskutiert, ob der Leser zum Original hin bewegt werden soll oder das Original hin zum Leser. Soll die fremde Sprache in der Übersetzung durchscheinen? Oder soll der Leser der Übersetzung sich in der Übersetzung genauso zu Hause fühlen wie der Leser des Originals im Original?

    Eine, je nach Textsorte und Zweck der Übersetzung, immer wieder spannende und neu zu treffende Entscheidung.