Beiträge von MetalPirate im Thema „Yínzi: The Shining Ming Dynasty (2019) - Costa, Rôla bei Spielworxx“

    Dass Eurogames "ein Thema transportieren" sollen, ist ein recht hoher Anspruch für Euros. Ein "für das Thema Interesse wecken" reicht mir normalerweise. Aber der (von Autor und/oder Verlag selbstgewählte!) thematische Rahmen sollte für meinen Geschmack schon ohne allzu große Verrenkungen und Verbiegungen passen, und da finde ich dann das "aus Bambus (oder fünf anderen Basisressourcen) in einer Fabrik Seide (oder drei anderen Exportwaren) machen, aber nur, wenn der Bambus vom richtigen Spieler geerntet und verkauft wurde" etwas unbefriedigend.


    Klar: Das kann man sich sicher irgendwie zurecht biegen. Aber warum sollte man, wenn es genügend andere Spiele zuhause im Spieleregal gibt oder in dem riesigen Neuheiten-Angebot, die ohne solche Verrenkungen auskommen?

    Cyberian : Diese "Black Box" gibt es aber in der Spielmechanik von Yínzi nicht. Du nimmst ein Bambus(-Würfelchen) von Markt weg und legst direkt im Anschluss ein(e) Porzellan(-Scheibe) auf die Fabrik. Das ist ein Zug und da ist ist erstmal wenig Abstraktes dabei. Bambus weg, Porzellan hin. (Anders wäre das mit einem separaten Würfelchen-Feld "Produktionspotenzial" als Zwischenstufe, wie von mir oder Freakgeims skizziert. Das wäre für mich noch okay.)


    Bambus und Porzellan sind im konkreten Falle als Ware benannt, sogar konkret auf dem Plättchen abgebildet. Aber damit diese Transformation logisch noch funktioniert, musst du das Abstraktionsniveau erstmal von gering erhöhen auf riesig zu den "allmächtigen anonymen blauen Ressourcen", die in einem parallel stattfindenden Wirtschaftskreislauf durch Bambus angetrieben werden und gleichzeitig als Porzellan/Seide/etc.-Grundstoff dienen, was auch immer gerade gebraucht wird. Dann wechselst du das Abstraktionsniveau wieder zurück zu gering, wenn du die Scheibe legst, die ganz konkret für das abgebildete Porzellan steht. Und das muss man nicht nur selbst leisten, sondern auch noch ggf. anderen so erklären.


    Mich stören hier auch ganz gewaltig die Sprünge in dem notwendigen Abstraktionsniveau. Das nimmt das sonst so schön vorhandene Thema aus dem Spiel. Das hast du bei #SiderealConfluence nicht. Das findet durchgängig auf einem Abstraktionsniveau statt, wo es niemanden interessiert, für was die gelben oder grünen Würfelchen jetzt eigentlich stehen sollen.

    Ich glaube der springende Punkt für MetalPirate ist, dass der Bambus in gewisser Weise noch Bambus ist, weil er auf dem Markt ein entsprechendes Nachfragefeld blockiert, währenddem er eigentlich schon ein Rohstoff für eine weiterverarbeitende Fabrik darstellt.

    Genau das, in Kombination mit den logisch nicht passenden Weiterverarbeitungsketten. Aus Bambus/Tee/Zuckerrohr/etc kann man auch dann nicht Seide/Porzellan/Zucker/Papier machen, wenn man ersteres kurzerhand mit "anonymen Ressourcen" gleichsetzt. Zumal jeder Spieler hier seine eigene anonyme Ressource hat. Dass die eine Porzellanfabrik (ehemaligen?) Bambus/Tee/Zuckerrohr des blauen Spielers braucht und die nächste Porzellanfabrik stattdessen Bambus/Tee/Zuckerrohr des roten Spielers, ist doch auch wieder thematisch mindestens fragwürdig. Wenn schon, dann sollten "blaue" Würfelchen immer die Porzellanherstellung ankurbeln und "rote" Würfelchen Seide; das wäre für mich noch eher akzeptabel als "6 Rohstoffe, 4 Endprodukte, und pro Spieler eine irgendwie allmächtige Zwischen-Ressource in der Mitte, die beliebigen Input in beliebigen Output verwandelt kann".

    Torlok : Jein. Ja, weil das auf den Markt gelieferte blaue Würfelchen gleichzeitig in der blauen/roten/gelben/grünen Landwirtschaftwelt ohne Anführungsstrichen das Feld blockiert und für die "blauen" Export-Welt als Ressource dient. Aber doch nicht ganz "Schrödinger" im Sinne von Überlagerung von Wahrscheinlichkeitsfunktionen, weil es zwar in beiden Welten lebt, aber es eine klar definierte Richtung gibt: in der blauen Welt entstehen, für einen Moment statisch in beiden Welten existieren, dann in der "blauen" Welt verschwinden.



    Cyberian : Wir brauchen uns da gar nicht streiten. Wenn das für dich in Ordnung geht, dass aus konkret benannten, einem Spieler zugeordneten landwirtschaftlichen Gütern anynome Vielzweck-Ressourcen werden, die dann am Ende des Tages wieder zu konkret benannten und einem Spieler zugeordneten Exportgütern werden, dann ist das völlig okay. Für meinen Geschmack wurden da zwei Welten in einer Weise zusammengetackert, die nicht mehr passt.


    Wie oben schon geschrieben: würde man die Würfel von Markt automatisch mit Verzögerung, etwa am Rundenende, in ein separates Feld "blaues/rotes/grünes Wirtschaftspotenzial" schieben, wäre das noch okay für mich. Dass erst durch die Verwendung der "blauen Ressource" für Seide, Porzellan & Co wieder Nachfrage für Bambus, Tee & Co entsteht, emfinde ich als störend für die von dir skizzierte Abstraktion mit abstrakten Wirtschaftskreisläufen, die durch Marktlieferungen angeschoben werden. Die bei Yínzi umgesetzte Mechanik suggeriert ganz im Gegenteil sehr konkret, dass aus Bambus Porzellan gemacht wird. Für meinen persönlichen Geschmack hätte man das mechanisch anders lösen können, wenn nicht müssen.

    So, Regeln nochmal gründlich durchgelesen. Das meiste davon ist wirklich schön und löst viel Habenwollen aus, aber ein kleiner, jedoch recht zentraler Mechanismus ist leider derartig bescheuert, dass es das Gesamtbild für mich extrem trübt und mich zum Nicht-Kauf bringt.



    Es geht um den zentralen Mechanismus, dass Würfel von einer persönlichen Ressource (Farbe = Spielerfarbe des Besitzers) zur allgemein für alle verfügbaren Ressource (Farbe = unspezifizierter Typ) werden und wieder zurück. Wenn es nur den Zugriff betreffen würde, wäre für mich noch okay. Das Problem ist aber (A) die thematische Bedeutungswandlung in dem, was damit dargestellt wird, und (B) dass die Transformation nicht vollständig geschieht, sondern das transformierte Würfelchen gewissermaßen beides zugleich ist, so wie beim Welle-Teilchen-Dualismus in der Physik. Das killt für mich alles. Das ist thematisch völlig bekloppt.


    Konkretes Beispiel. Ich bin Spieler blau. Wenn etwas Blaues mir gehört, schreibe ich blau. Wenn es allen gehört, schreibe ich "blau". Es gibt zwei Welten: die blaue und die "blaue". Aber von vorne:

    1. Ich produziere einmal Bambus, indem ich ein blaues Würfelchen auf ein Erntefeld, das Bambus zeigt, lege.
    2. Ich verkaufe den Bambus und lege dazu das blaue Würfelchen auf ein Marktfeld, das Bambus zeigt.
    3. Mit diesem blauen Würfelchen, jetzt auf einmal nicht mehr Bambus, sondern nur noch namenlose "blaue Ressource", kann irgendein Spieler eine -- auch fremde -- "blaue Fabrik" füttern, die mit mir als blauem Spieler rein gar nichts zu tun hat. Hier ist "blau" nicht mehr Spielerfarbe. Diverse unterschiedliche Waren können also zur "blauen Ressource" werden, wenn sie von Spieler blau verkauft werden. Bei Spieler rot würden die gleichen Waren zur "roten Ressource", die nur als Input für "rote Fabriken" taugen.
      Verstanden? Nein? Okay, dann bitte nochmal lesen. Zugegeben. Ist schwer; das System ist weder logisch noch thematisch. Aber viel besser kann man es IMHO nicht erklären...
    4. Die Fabrik stellt damit Porzellan, Papier, Seide oder Zucker her -- jeden dieser Fabriktypen gibt es einmal in jeder Farbe. (Fabriken mit Farbcode einer nicht mitspielenden Spielerfarbe werden beim Setup aussortiert.) Die magischen "blauen Ressourcen" können also nicht nur aus sechs verschiedenen Grundstoffen hergestellt werden, sondern auch zu vier ganz unterschiedlichen Exportwaren weiterverarbeitet werden. Toll!
    5. Durch den Verbrauch der "blauen Ressource" vom Bambus-Marktfeld wird wieder ein Platz für einen Bambusverkauf frei, d.h. die "blaue Ressource" transformiert sich im Moment ihrer Verwendung wieder zu einem verschwindenden Bambus zurück.

    Dass man als Euro-Spieler Sachen abstrahieren muss und Thema immer erst im Kopf entsteht, ist dabei völlig klar. Aber das hier geht mir dann doch deutlich zu weit, auch weil das Spiel ansonsten nämlich recht thematisch ist. Insbesondere Punkt 5 finde ich problematisch. Ich könnte noch damit leben, wenn am Rundenende alle Würfelchen vom Markt einer Provinz in ein separates Feld geschoben würden und forthin anonymes "blaues Wirtschaftspotenzial" wären. Dann wäre es nur noch ein kleiner thematischer Bruch zwischen den benannten landwirtschaftlichen Gütern und anynomem "blau", aber das wäre dann wenigstens eine vollständige Transformation. Auf dem Markt wäre es Bambus, danach eben "blau". Aber weil der "blau"-Verbrauch wieder den Bedarf für das abgedeckte Gut weckt, bleibt der Würfel irgendwo beides zugleich. Das ist für mich einfach nur großer Mist.


    Das Spiel will natürlich von mir Folgendes: Ich muss Fabrikbau und -ausbau danach ausrichten, was aktuell oder zukünftig an Märkte geliefert wird bzw. eigentlich eher: von wem geliefert wird. Ich soll sehen, dass als nächstes ein Schiff mit Bedarf für Porzellan im Hafen anlegen wird. Die einzige Porzellan-Fabrik auf dem Spielbrett gehört Spieler rot, will aber "blaue" Ressourcen. Blau ist meine Spielefarbe. Also soll ich meine Lieferungen von Tee, Bambus, etc. auf die Provinzmärkte so timen, dass ich von den sich daraus entwickelnden Handelsketten am meisten profitiere, denn meine zuvor gelieferten Bambus-, Tee-, Zuckerrohr-, usw.-Ressourcen (nicht jedoch die des roten, grünen oder gelben Mitspielers!) lassen sich ab dem Moment, wo sie auf dem Markt liegen, zu Porzellan [Seide, Papier, Zucker] weiterverarbeiten, womit sie wieder Platz machen für eine neue Lieferungen irgendeines Spielers, d.h. ich sollte auch mit bedenken, wer dann nach der Porzellan-aus-Bambus-Produktion wieder den Bambus-Platz im Markt füllen kann.


    Rein als Optimierproblem betracht, finde ich das alles sehr, sehr schön! Das ist denau der Mix von persönlichen und gemeinschaftlichen Elementen, der mir gefällt. Allerdings mit der ganz gewichtigen Einschränkung, dass man es auch wirklich nur als rein mathematisches Optimierungsproblem betrachten darf. Thematisch ist das nämlich so derartig bekloppt, dass es schon körperlich weh tut. Und schwer zu erklären wird das obendrein. Was soll man als Erklärer antworten, wenn der Mitspieler fragt: "Habe ich das jetzt richtig verstanden? Kann ich jetzt deinen Bambus zu meinem Bio-Porzellan verarbeiten oder was?" Soll ich dann "äh, gewissermaßen ja" antworten? Oder soll ich lieber gleich im Brustton der Überzeugzung "ja, das ging so im China der Ming-Dynastie, die waren damals schon High-Tech!" sagen?!



    tl;dr: Der zentrale Mechanismus, dass Warensteine eines Spielers, verwendet in der Art von #LaGranja, #Agra oder anderen Spielen, auf einmal zu anonymen und von allen Spielern vielseitig verwendbaren "blauen [roten, grünen, gelben] Ressourcen" werden, aus denen wiederum benannte Exportgüter werden, ergibt zwar vermutlich schöne Optimierprobleme, aber thematisch ist das derart schlimmer Schwachsinn, dass ich auf eine Vorbestellung verzichten werde. Hier wurde ein Landwirtschaftsteil an einen Exportteil drangetackert in einer Weise, die hinten und vorne nicht passt. Über diesen thematischen Bruch würde ich mich immer wieder ärgern können. Ich habe dutzendweise gute Spiele mit weniger Problemen bereits im Spieleregal und ich glaube nicht, dass Yínzi ein einziges davon verdrängen könnte.

    Der Vergleich mit Arkwright und Nippon kann ich wenig nachvollziehen. Ist halt ein Wirtschafts-Euro. Davon gibt's viele, qualitativ auf der ganzen Bandbreite von gut bis schlecht. Variable Preise -- was für mich ein definierendes Merkmal für einen starken Wirtschaftsaspekt wäre -- gibt es zum Beispiel in Yínzi nicht. Selbst der variable Kupfer-Silber-Tauschkurs wirkt nur beim Bezahlen; man darf nicht einfach so tauschen, um an schwankenden Kursen zu verdienen.


    Die (deutsche) Anleitung ist vom Aufbau her für Spielworxx-Verhältnisse mal echt gut gelungen, aber manchmal sind doch einige Formulierungen rein geraten, die man mehrfach lesen muss, um sie zu verstehen. Eine Rechtschreib-Prüfung scheint auch nicht unbedingt gemacht worden zu sein. Ich möchte z.B. mal wissen, wer beim ersten Lesen Kapitel 4 verstanden hat. Da sind Formulierungen drin, die einfach besser gehen. Musterbeispiel:

    Zitat

    Persönliches Spielmaterial sind die Arbeiter, alle Scheiben, die Siegpunkte,

    den Besitz von Fabriken und Botschaftern kennzeichnen, alle Waren und

    Würfelchen auf Feldern und Ernteplättchen in den vier Provinzen oder Waren

    und Würfelchen, die zu Schiffen oder Infrastrukturplättchen geliefert wurden.

    Wer denkt sich sowas aus?! In Aufzählungen gehören weder Relativsätze noch "und" oder "oder" verbundene Ausdrücke! Niemals nicht!!! Und wenn schon, dann muss (!!) man das so gliedern, dass die Hierarchieebene der Kommas und Konjunktionen klar ist. So etwa:

    Zitat

    Persönliches Spielmaterial sind:

    • die Arbeiter,
    • alle Scheiben, die Siegpunkte, den Besitz von Fabriken und Botschaftern kennzeichnen,
    • alle Waren und Würfelchen auf Feldern und Ernteplättchen in den vier Provinzen oder
    • Waren und Würfelchen, die zu Schiffen oder Infrastrukturplättchen geliefert wurden.


    Aber das Beste ist, dass in der Anleitung bei den ganzen landwirtschaftlichen Gütern unter anderem von "Weizen" und "Korn" die Rede ist. Letzteres kommt, genau wie Kartoffeln, erst durch die Europäer ins Spiel. Weizen? Korn? Gehört Weizen denn nicht zu Korn im Sinne von Getreide? Und warum kommt das erst später ins Spiel? Im China der Ming-Dynastie sollte es doch diverse Kornsorten gegeben haben. Irgendwann gegen Ende der Anleitung kam dann mal die Abbildung vom lokalen Markt. Da ist MAIS abgebildet. Arghhh! Englische Anleitung runtergeladen. Ja. "corn" und "wheat". Alles klar. :mauer:


    Ich glaube, ich muss mir nochmal die englische Anleitung durchlesen...


    Ersteindruck jedenfalls vorsichtig optimistisch. Aber das war ich bei Captains of the Gulf zunächst auch, bis ich gemerkt habe, dass es ein weitgehend interaktionsfreies Pick-Up & Deliver Spiel ist. Hier bei Yínzi sind ein paar schöne Elemente drin, aber bei anderen muss ich noch überlegen, was ich davon halten soll. In erster Linie gilt das natürlich für den Mechanismus mit dem Uminterpretieren der Würfelchen. Erstmal sind meine blauen Würfelchen (ich spiele wenn möglich blau) z.B. mein Rotkohl, den ich erst auf dem Rotkohl-Feld in der Provinz produziere und später durch Nehmen und Hinlegen des Würfelchens auf ein Rotkohl-Bedarfsfeld auf dem Markt ausliefere. So weit, so normal. Aber in dem Moment, wo es an den Markt geliefert wurde und dort auf Marktfeld liegt, wird mein Rotkohl wie durch Geisterhand zur namenlosen und für jeden nutzbaren blauen Ressource für blaue Fabriken, die auch jeder besitzen kann und die dann z.B. Porzellan oder Seide herstellen. Aus Rotkohl. Oder auch nicht. Ähhh jaaaaa... Da klemmt's doch thematisch ganz fürchterlich! Wenn ich sowas erklären soll, lachen mich die Mitspieler doch aus...