Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „Das Gefühl der völligen Übersättigung“

    Ich denke, dass bei denen hier, die auch beruflich mit Spielen zu tun haben, für sich privat die Schwelle der Übersättigung niedriger liegt, es sei denn vielleicht, sie haben ihr Hobby zum Beruf gemacht.


    Auch wer schon sehr lange spielt, vieles gesehen und gespielt hat, mag eher ein Gefühl der Übersättigung haben. Erst recht, wenn man immer nach den innovativen, noch nie gesehenen Super-Mechaniken sucht. Je mehr man gespielt hat, um so weniger überrascht einen da noch.


    Bei den gut 2000 Spielen, die habe, hatte und zum sehr großen Teil auch gespielt habe, ist die "mechanische Übersättigung" längst eingetreten. Da gibt es wenig, was einen Reiz des Neuen noch ausüben kann. Um so wichtiger wird, jedenfalls bei mir, die thematische Dichte eines Spiels, vorrangig vor seinen Mechaniken, von denen ich allerdings erwarte, dass sie ihre Existenzberechtigung im Spiel von dessen Thema ableiten.

    Ich bin also noch nicht völlig übersättigt. Ein Spiel sollte mich dazu anregen, mich mit seinem Thema zu beschäftigen, Wissenslücken zu füllen, neugierig auf das zu sein, worum es im Spiel geht. Wenn so etwas kommt, dann mag ich es gerne haben.


    Gestern erst eine 3-er-Partie Auf der Walz gespielt. Das mag jetzt nicht das Super-Spiel schlechthin sein, es hat aber ein interessantes, unverbrauchtes Thema, von dem es recht viel in seinen Mechaniken umsetzt. In dieser Beziehung jedenfalls gelungen, wie ich finde. Und es macht auch Spaß, wenn man mit all den Zufälligkeiten, die das Wandergesellen-Leben nun mal so mit sich brachte, leben kann.

    So etwas von der Art thematischen Spiels gibt es viel zu wenig. Monsterjagden in einer Fantasy-Welt sind ja ganz nett, haben auch etwas Thematisches, dürften aber einfacher zu entwickeln sein, weil man ja z.B. jede Unmöglichkeit als Magie verkaufen kann.

    Ein Thema zu finden und in einem Spiel abzubilden, bei dem man nicht einfach seiner Fantasie freien Lauf lassen kann, sondern thematische Notwendigkeiten aufzufangen hat, halte ich für die weitaus höhere Kunst. Auf der Walz und z.B. Ruhrschifffahrt machen es vor. Mehr davon und ich bin ohne jede Spur von Übersättigung dabei.

    An dieser Stelle ein Hinweis - Scythe liegt eher im Kennerbereich, der Rest ist deutlich komplexer. Ich hatte bei Scythe auch ein Expertenspiel erwartet (mein erstes Kickstarterspiel), ist es aber nicht - den Sweetspot sehe ich übrigens bei 5 Spielern. Was die Erweiterungen bringen kann ich nicht sagen, die besitze und kenne ich nicht... Ps.: der Hype ist übrigens völlig überzogen - Viticulture ist IMO das beste Steigmeier Spiel, aber erwarte auch da kein Expertenspiel ;)

    Ob Viticulture gegenüber Scythe wirklich das bessere Spiel ist, finde ich schwer zu beurteilen. Mir persönlich gefällt Viticulture mit der Tuscany-Erweiterung allerdings besser als Scythe; aber auch das ist nur mit Vorsicht zu sagen. Man mag über die ersten beiden Erweiterungen zu Scythe denken, was man will, aber die Fenris-Erweiterung ist, soweit ich sie bisher schon gespielt habe, schon eine deutliche Steigerung.


    Wenn man die Spiele jedoch Solo spielt, fühlen sie sich dann irgendwie wie Expertenspiele an, gerade bei Teotihuacan oder Lisboa sind die Abläufe des Bots für mich persönlich leider doppelt so schwer zu erlernen, als die eigenen Aktionen. Das wird denke ich bei Scythe nicht anders sein.

    Scythe hat einen Automa, mit dem man u.a. auch solo spielen kann. Er ist zwar von demselben Autor wie der "Ur"Automa von Viticulture, spielt sich aber völlig anders.

    Anders als der Automa in Viticulture, der im Grunde ja nur Aktionsfelder besetzt, wird der Automa in Scythe aktiv, weshalb er auch schwieriger zu spielen ist. Beim Lernen der Automa-Regeln zu Scythe solltest Du Dein Hauptaugenmerk auf dessen Bewegung richten, denn das ist der Knackpunkt, den man wirklich verstanden haben muss.

    Bandida

    Dann gib dem Spiel noch diese 16 Minuten deines Lebens. Du wirst es nicht bereuen :lachwein:



    Danke für den Hinweis. Ich habe kurz hineingehört; der redet mir zu schnell, dann habe ich Verständnisprobleme.


    Davon abgesehen ist Terraforming Mars sicher ein gutes Spiel, das ich bislang sechsmal gespielt habe, obwohl mir nicht wirklich gefällt, dass der Spielplan am Spielende eigentlich nicht sehr terraformt aussieht, was ich besser fände.

    Als Marsspiel gefällt mir Martians-A Story of Civilization (17x gespielt) um Längen besser 7,5/10 : 9,09/10; eine Einschätzung, die bei BGG nicht geteilt wird, wobei allerdings auch vergleichsweise wenige mein TOP2-Spiel zu kennen scheinen.

    Doch :(

    Keine genaue Seitenzahl, aber ob du dich zum Schlage "nach ein zwei Seiten kann ich so ne Regel schon mal wegpacken" zählst oder zu "nach frühestens ein zwei Kapiteln" oder gar zu "ich lese die Regel immer komplett, gehe dann aber nicht zwingend ans Spiel" oooder auch zu "ca die Hälfte geb ich ihr". So was in der Art würde mich interessieren.

    Also denn:


    Normalerweise lese ich eine Regel komplett, auch wenn ich sie schrecklich finde; meistens probiere ich das Spiel dann auch aus, manchmal aber auch nicht.


    Manchmal aber lese ich eine Regel nicht bis zum Ende, so habe ich z.B. bei Arkwright schon nach wenigen Seiten gemerkt, dass mir die Regel zum Lesen zu anstrengend wird; weshalb Arkwright mich auch ungespielt verlassen hat.


    Das hat auch nichts mit komplizierten/komplexen Regeln/Spielen zu tun. Die Spielregel von Feudum beispielsweise ist auch "anstrengend", weil das Spiel halt sehr, sehr viele Details/Handlungsoptionen hat; die Regel liest sich aber für meinen Geschmack richtig gut.


    Unterschied zu dir: Selbst wenn die Regel das nicht bietet gucke ich dann halt nach Hilfen im Netz, Videos, frage rum, wie auch immer. Aber das kann und soll ja jeder handhaben wie er möchte. :)

    Das ist gar kein Unterschied. Mache ich doch auch, das dann aber wirklich nur, wenn ich auf ein Spiel sehr, sehr gespannt bin, weil seine Thematik mich halt interessiert. Eigentlich ist es doch sogar so: Je mehr ein Spiel mich interessiert, um so "leidensfähiger" bin ich beim Lernprozess. Arkwright war da einfach nicht spannend genug.

    Unterschied zu Bandida : Sie will von der Regel unterhalten werden. Sind es zu wenig Bilder, zu sehr "Wall of text", kommen bei ihr Spiel und Regel weg, u. U. noch bevor die Regel fertig gelesen wurde. Dies ist die Stelle, bei der mein Nichtverstehen einsetzt - wegen mangelnder Unterhaltung bei der REGEL auf ein Spiel, von dem man sich eigentlich etwas verspricht, zu verzichten. Ganz wertfreies Unverständnis. (Nur bei TfM mit minimalem Beleidigtsein :mmhh: )

    Ich würde das auch nicht so machen. Das hindert mich aber nicht daran, für Bandida 's Sichtweise Verständnis zu haben

    Ernst Juergen Ridder


    Wie viele Seiten würdest du einer Regel geben bevor du sie inkl. Spiel abschreibst?

    Ich glaube nicht, dass Du diese Frage wirklich ernst meinst, weil man Spielregel und Buch hinsichtlich Seitenzahl für die Frage, ob lesenswert, kaum vergleichen kann.


    Eine Spielregel ist jedenfalls im Kern eine Gebrauchsanweisung, sie muss nicht "unterhaltsam" sein. Ich erwarte aber schon eine ordentliche Sprache und eine saubere Gedankenführung.

    Muss ich immer wieder zum Beispiel Stellen mehrfach lesen, um sprachlich und/oder inhaltlich zu verstehen, was der Verfasser meint, stimmt etwas nicht mit der Spielregel. Auch der Aufbau der Regel, was wird in welcher Abfolge wie genau beschrieben usw., kann Ausschlusskriterium für mich sein.

    Spiel und Spielregel sollten eine Einheit bilden. Ist der Verfasser der Regel, der das Spiel ja wohl kennt, nicht in der Lage, eine in meinem Sinne zumindest ordentliche Regel zu schreiben, taugt für mich das Gesamtprodukt nichts.

    Ich sage das mal so:


    Stößt eine Spielregel mich ab, egal, warum das so ist, werde ich das Spiel nicht spielen. Warum sollte ich auch?


    Habe ich eine Spielregel gerne gelesen und fand sie gut, heißt das natürlich nicht, dass auch das Spiel gut ist, es hat aber seine Chance verdient. Gefällt es mir dann nicht, war es das, auch wenn ich die Regel gut fand.


    Ich spiele ein Spiel nicht wegen seiner Regel. Aber ich spiele durchaus ein Spiel nicht wegen seiner Regel.


    Das hat mit zufrieden oder nicht schlicht nichts zu tun.


    Es ist bei mir, ich sagte es wiederholt, bei Büchern ja nicht anders. Wenn mich die ersten 50 Seiten nicht fangen, lese ich nicht weiter; das Buch hat seine Chance gehabt, bei mir dann aber verspielt. Wie andere das Buch finden, ist mir vollkommen egal, sobald ich meine eigene Erfahrung damit gemacht habe.


    In beiden Fällen ist es für mich in der Tat durchaus eine Frage der Zeitverschwendung. Zeit ist eine begrenzte Ressource, auch die mit einem Hobby verbrachte Zeit ist kostbar und viel zu schade, sie mit ungeliebten Dingen zu vergeuden.

    Auch Deine Sicht verstehe ich. Das schöne am Altern ist ja auch, dass man vieles verstehen kann, auch wenn man selbst Dinge anders sieht.


    Durch ätzende Regeln habe ich mich auch schon durchgekämpft, weil ich ein Spiel halt spielen wollte. Ich verstehe durchaus, warum man so etwas tut. Heutzutage täte ich es aber nicht mehr. Ist eine Spielregel langweilig geschrieben und uninspiriert im Layout, kann das durchaus so abstoßen, dass man schon keine Lust mehr auf das Spiel hat.

    Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die Art und Weise und die könnte ich bei keinem Spiel verstehen, an dem man prinzipiell Interesse hat und von dem man glaubt, man könne es super finden. Diese Art und Weise war in dem Fall:

    Du hattest es bereits käuflich erworben.

    Du hattest bereits begonnen, die Regel zu lesen.

    Du hast alles wieder eingepackt und es ungespielt verkauft, weil dir die Regel nicht gefällt.

    Merke; nicht weil sie unverständlich oder konfus war, sondern langweilig und zu wenig Bilder hatte. Das ist alles und das könnte ich bei keinem Spiel verstehen :D

    Doch, das kann ich verstehen, so etwas habe ich auch schon gemacht.


    Je älter ich werde, um so kostbarer erscheint mir Zeit. Warum soll man sie vertun mit etwas, das nicht gefällt, warum auch immer es nicht gefällt?

    Da ist schon etwas dran, auch für mich.


    Je länger ich das Hobby betreibe, um so weniger finde ich Spiele, die mich wirklich richtig ansprechen.


    18xx war mein mein absoluter Liebling. Nie wieder (mmh, sag' niemals nie?) fasse ich so etwas an. Mir inzwischen viel zu trocken.


    Reine Euros à la Stefan Feld? Kann man mich mittlerweile mit jagen. Warum habe ich dann Trajan noch? Reine Nostalgie, meine erste Berührung mit seinen Spielen.


    Kampforientierte Spiele, nein danke; aber so ein bisschen wie in Scythe geht schon.


    Komplex, um der Komplexität willen, brauche ich nicht (z.B. Vinhos).


    Ein bisschen Ameritrash, ein bisschen Euro und ganz viel Thema, das fände ich noch gut.


    Und sonst? Etwas Neues wäre schön. Etwa App-gesteuerte Brettspiele, eine richtige Kombi, nicht bloß Verwaltung, sondern auch Überraschung, die von der App kommt. Das ganze am liebsten ohne (nicht frei wählbaren) Zeitdruck, für eine 70+-Truppe ist Zeitdruck beim Spielen nicht sonderlich motivierend. Übermäßiges Grübeln Müssen ist aber auch nichts. Es müssen aber nicht fünf schnell mal durchgespielte Spiele an einem Abend sein, ein oder zwei mit Genuss ist viel besser.


    Womit man mich immer fangen kann, sind thematisch orientierte Spiele, bei denen das Thema die Mechaniken bestimmt, nicht zu komplex, es soll ja Spaß machen, am liebsten historische Themen, gerne auch mal Fantasy oder SF.


    Das für mich ideale Spiel habe ich noch nicht gefunden, da brennt immer noch etwas auf der Suche nach noch Geeigneterem. Aber immerhin gibt es ja Spiele, denen ich Noten von 9.01 bis 9.1 bei BGG gegeben habe. Höhere Noten gäbe ich nur, wenn wirklich etwas käme, das mich vom Stuhl haut. Herr der Ringe - Reise durch Mittelerde demnächst vielleicht? Schauen wir mal.


    Aktuell jedenfalls bereite ich mich auf Feudum solo vor.