Den Tatort Podcast finde ich euch irgendwie interessant.
Gibt es da auch oft einen hintergründigen, erhobenen Zeigefinger / viel Gesellschaftskritik oder sind es auch mal einfache Kriminalgeschichten zum abschalten ala Tatort Münster?
Allgemein: Da wird teilweise schon gerne gesellschaftlich herummoralisiert, meist mit den üblichen Aufregerthemen unserer Zeit, beispielsweise neuerdings beim MDR. Oder anders gesagt: Mit moralischen Fragestellungen allgemeingültiger Art setzt sich da niemand philosophisch auseinander, dazu ist der Radiotatort schlicht und einfach zu seicht. Es kommt in puncto erhobener Zeigefinger meinem Eindruck nach ein bisschen darauf an, welche Anstalt die jeweilige Folge produziert (oder welcher Autor die Folge schreibt, keine Ahnung). Bei den Reihen, die ich mag, ist das aber nicht der Fall, sonst würden sie mir vermutlich bzw. ziemlich sicher sogar nicht gefallen, und da gibt's schon einige.
Die Radio-Tatorte der ARD habe ich im Laufe der vergangenen Jahre jedenfalls fast alle angehört. Insgesamt: Viele dieser Produktionen sind so typisch deutsche Krimi-Standardkost, die in meinen Augen bzw. Ohren die Aufmerksamkeit kaum wert ist. Es ist überwiegend halt genau der selbe einfallslose Käse wie die Fernseh-Tatorte. Ich höre den Kram mehr so nebenher, denn es kostet ja nichts (abgesehen von den Rundfunkbeiträgen, die wir ja eh bezahlen).
Echt gelungen ist allen voran die von jorl bereits genannte, noch laufende Reihe vom WDR, also die "Task Force Hamm". In letzter Zeit baut sie zwar leider etwas ab, aber einige der ersten Stücke sind der Knaller! Ich habe die teilweise auch schon -zigmal angehört und finde sie immer noch gut. Die Figuren dieser Chaotentruppe sind einfach sowas von schräg, da haut's jedes mal mich weg! Aber alle auf ihre Art total sympathisch, der versoffene Rechtsaußen Lenz, der spielsüchtige Scholz, der dauerprozessierende Querulant Vorderbäumen, der gutmütige Vollprolet Latozke. "Calibra" und "Currykill" sind spitzenmäßig. Auch "Baginski" ist super, ebenso "Noch nicht mal Mord". Aber höre Dir die Dinger ruhig in der Reihenfolge an, in der sie produziert wurden. Findet man ja alles auf Du-weißt-schon-welcher Videoplattform. Schlecht ist jedenfalls keine dieser Folgen.
Was mir auch noch richtig gefällt, ist die zweite Reihe vom Hessischen Rundfunk, mit dem Ermittler Neeb (Autor: Friedemann Schulz). Die Besonderheit ist, dass diese Folgen aus der Ich-Perspektive erzählt werden. Neeb ist einzelgängerischer, desillusionierter Melancholiker. Die Geschichten haben eine ganz eigene Stimmung, die total untypisch für die hiesige Krimilandschaft ist. Alle Folgen mit Neeb sind gut.
Das bereits erwähnte Dorfpolizisten-Team in Bruck am Inn (BR) ist auch hörenswert. Es war aber jetzt doch wirklich an der Zeit, einen Strich drunter zu machen. Das Szenario hatteb sich schon abgenutzt.
Richtig schlecht -- und damit meine ich richtig, richtig, RICHTIG schlecht -- war die Reihe von Radio Bremen (Autor: John von Düffel). Nicht anhören, lohnt sich nicht. Glaubt's mir ruhig. Die Geschichten sollen irgendwie lustig sein, die Figuren sind aber NUR nervtötend und unauthentisch (bis auch die Mutter der Kommissarin), zumindest aus meiner Sicht. Teilweise gibt's sogar ein offenes Ende -- und das bei einem Krimi?! Es gab allerdings einen Ausreißer nach oben, nämlich "Die Toten ruhen". Das ist ein Kammerspiel, sehr hörenwert.
Dann gibt's noch die Reihe vom SWR, an der unterschiedliche Autoren schreiben. Es erscheinen regelmäßig zwei Stück pro Jahr -- leider, denn das ist viel zu viel. Die ganze Serie ist ein Paradebeispiel für Banalität. Ich höre mir die inzwischen auch nicht mehr an, ist einfach langweilig.
Dann sollte man noch die alte WDR-Reihe erwähnen, denn die hatte zumidnest auch eine eigene Note, obwohl mir persönlichd as gar nicht mal sonderlich gefiel. Da ging es immer nur um richtige Schwerkriminalität, Terrorismus, Clans usw. Völlig humorbefreit, aber war durchaus beachtlich. Wer die Radiotatorte von Folge 1 an hören will, wird mit "Der Emir" anfangen, einer Produktion dieser Reihe.