ode. : Grundsätzlich gebe ich dir recht, aber ich meine trotzdem, dass du es dir zu einfach machst. Da gibt es doch sehr viele Graustufen, um wie viel die Bedenkzeit durch interaktive Elemente hochgetrieben wird.
Wenn wir mal postulieren, dass (A) mein Zug sich nach dem Zustand des Spieles richtet und (B) dieser Zustand durch Mitspieleraktionen verändert wird, dann ist völlig offensichtlich, dass Mitspieleraktionen, im Extremfall die des Spieler, der direkt vor mir dran ist, den Zustand des Spiele so verändern können, dass ich am Beginn meines Zug meine Planung mindestens mal anpassen muss. Im Extremfall kann ich erst dann damit beginnen, weil alle vorherigen Überlegungen hinfällig geworden sind (was dann im Endeffekt nur dazu führt, dass niemand mehr groß vorab Pläne macht).
Wie stark dieser Einfluss ist, kann jedoch sehr unterschiedlich sein. Positiv finde ich folgene Eigenschaften von Spielen:
- Die Interaktion durch Spielaktionen des Vordermanns wirkt eher mittel- und längerfristig, weniger auf der taktischen Ebene. Etwa auf Endwertungsmultiplikatoren oder Mehrheitswertungen zum Phasenende. Dann sind sie zwar relevant, aber nicht unbedingt für meinen direkten nächsten Zug. Das zerschießt Planungen nicht völlig.
- Die Mitspieleraktionen haben selten bis nie das Potenzial, meine Vorab-Planungen komplett zu zerschießen (etwa durch blockierende Aktionswahl, Stichwort klassisches Worker Placement). Stattdessen machen sie nur meinen geplanten Zug geringfügig billiger oder teurer. Auch das ist Interaktion, die die Bedenkzeit nicht wesentlich verlängert, weil man im Normalfall den vorab geplanten Zug trotzdem macht.
- Die Interaktion liegt im Spielerzug selbst, etwa durch "du bekommst 5 Geld, jeder Mitspieler bekommt 1 Geld". Wenn das ein Mitspieler auslöst, ist das ein interaktives Element, das ich längst passend verarbeitet habe, bis ich wieder dran bin.
- Es gibt immer eine begrenzte Menge mehrerer ähnlicher guter Optionen. Dann bin ich gezwungen, mir 2 oder 3 Sachen näher zu überlegen, während der
Spieler vor mir zieht. Notwendige Anpassungen durch den Mitspielerzug fallen dann
einfacher, weil der Plan B oder C schon da ist.
(Gugong ist hier ein schönes Gegenbeispiel: wenn viele hohe Karten liegen, gibt es oft nur einen
logisch besten Zug, der Vordermann wählt ihn ziemlich sicher, macht
irgendwas, das ich nicht erahnen kann, und meine Planung beginnt dann mehr oder weniger bei
null. Ein ähnliches Problem haben für mich auch viele Erweiterung nach dem System "more of the same" mit neuen, superstarken Karten(-combos). Da bewirkt ein Zerschießen der Balance leicht auch deutlich mehr AP.)
Ich wünsche mir ausdrücklich interaktive Spiele (solange die Interaktion nicht primär die im Spiel aufgebaute Substanz angreift). Multiplayer-Solitär mag ich nicht so. Das Problem, dass Interaktion die Bedenkzeit niemals senkt, sondern nur mehr oder weniger viel erhöht, das sehe ich dabei natürlich auch. Aber es gibt meiner Meinung nach viele Möglichkeiten, die Interaktion so zu gestalten, dass man nur bei einer geringfügiger Erhöhung der Bedenkzeit herauskommt.