Beiträge von MetalPirate im Thema „Will ich Interaktion? Dann gibt's Wartezeiten.“

    Weltherrscher : Ich hätte auch ein paar Bauchschmerzen damit, MÄDN als besonders interaktiv zu bezeichnen. Es ist halt die Frage, wie man "Interaktivität" definiert. Ist es schon interaktiv, wenn ich mit Schlagzwang deine Figur vom Spielfeld nehme, weil der zufällige Würfelwurf das gemäß Regeln so von mir verlangt? Oder braucht es für Interaktion bewusste Spielentscheidungen von mir, die Auswirkungen auf deine Zugoptionen haben? Ich neige zu letzterem, denn erst in dem Moment wird Interaktion interessant anstatt bloß ein Abarbeiten von Regeln zu sein. Dann hat MÄDN deutlich zu wenig eigene Entscheidungen, ob in diesem Sinne interaktiv zu sein.

    #Orleans

    Die Planungsphase machen alle gleichzeitig. Gespielt wird mit offenen Informationen, die die anderen durchaus betreffen. Das wurde nach der Veröffentlichung des Spiels durchaus kritisch betrachtet.

    ...und für die englische Version sowie eine spätere deutsche Auflage (2.? oder 3.?) dann mit "im Zweifelsfalle in Spielerreihenfolge statt simultan" abschließend gelöst.


    Im Prinzip ist das ja eine ganz generelle Lösung. Simultanes bzw. paralleles Spielen setzt normalerweise voraus, dass die so durchgeführten Spielaktionen entweder unabhängig voneinander sind (meine Aktionswahl beeinflusst deine nicht) oder geheim durchgeführt werden, z.B. hinter Sichtschirmen. Sind die Aktionen nur näherungsweise unabhängig, dann lässt sich das immer so lösen wie bei Orleans in den höheren Auflagen: normalerweise gleichzeitig, aber wenn jemand darauf besteht, in Spielerreihenfolge.

    Ist das denn wirklich so schlimm?

    Ich hoffe, meine Schilderung war nicht zu negativ. Ich sage es nochmal: Gugong fand ich wirklich gut. Nicht sehr gut, aber gut. Es waren sich jedoch alle Mitspieler ziemlich einig, dass das Spiel gelegentlich (!) Situationen provoziert, wo der Zug des Vordermannes so viel geändert hat, und zwar eher unplanbar, so dass man mit Beginn des eigenen Zuges quasi neu nachdenken musste. Bei 16+X Zügen erwischt einen das vielleicht zwei- oder dreimal im Spiel. Ist verkraftbar. Aber das haben andere Spiele so nicht.


    (Außerdem sollten alle Gugong-Interessenten sich vorher überlegen, wie gut sie mit Memory-Elementen leben können. Die sind ungewöhnlich stark. Sich merken zu können, welche Karten die anderen aufgenommen haben, bringt einen enorm starken Vorteil.)

    ...und das ist ein Problem des Spielers - nicht des Spiels.

    Es ist für mich beides. Problem des Spieles wie auch des Spielers. Die Änderungen durch den Kartentausch des Vordermanns sind oft so gravierend, dass man den eigenen Zug erst planen kann, wenn man dran ist. Z.B. wenn gerade eine 9 gegen eine 1 getauscht wurde und man mit einer billigen 2 auf einmal zwei Aktionen (Brett+Karte) bekommen kann. Das gilt umso mehr, wenn es vorher nur eine klar beste Zugoption gab und die gerade zerschossen wurde. Das ist kein KO-Kriterium; ich fang Gugong gut. Aber für einen kleinen Minuspunkt halte ich das schon. Potenziell radikale Zustandsveränderungen direkt vor dem eigenen Zug gibt es im Teotihuacan so nicht.

    Allerdings hat mein kurzer Beitrag auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit gehabt.

    Yep. War ja auch im Wochenthread. Hier hast du jetzt die Möglichkeit, das Problem aus Autorensicht zu beleuchten. Zum Beispiel im Falle von La Granja. Ich bin sicher, dass viele hier gerne lesen würden, wie ein Spieleautor an sowas herangeht und worauf er achten muss.

    Kann sein, dass ich Diener/Karten draufzahlen muss, um meine geplanten Aktionen zu verwirklichen.

    Wenn du mit einer 3 einer ausliegende 2 holen wolltest und der Spieler vor dir hat die 2 schon weggeholt, dann reden wir bei Gugong nicht mehr über eine geringfügig Zuzahlung, so wie bei Teotihuacan ein Kakao mehr, wenn der Mitspieler auf das Feld gezogen ist, wo man auch hin will. Das kostet bei Gugong im Extremfall eine von vier Aktionen, die man in der Runde hat, und das bewirkt dann eben oft ein: "Äh, Moment, dann mache ich doch etwas anderes, lass mich mal überlegen, was ich sonst noch machen kann...." Das ist für mich ein Musterbeispiel, wie Interaktion AP bewirken kann.

    ode. : Grundsätzlich gebe ich dir recht, aber ich meine trotzdem, dass du es dir zu einfach machst. Da gibt es doch sehr viele Graustufen, um wie viel die Bedenkzeit durch interaktive Elemente hochgetrieben wird.


    Wenn wir mal postulieren, dass (A) mein Zug sich nach dem Zustand des Spieles richtet und (B) dieser Zustand durch Mitspieleraktionen verändert wird, dann ist völlig offensichtlich, dass Mitspieleraktionen, im Extremfall die des Spieler, der direkt vor mir dran ist, den Zustand des Spiele so verändern können, dass ich am Beginn meines Zug meine Planung mindestens mal anpassen muss. Im Extremfall kann ich erst dann damit beginnen, weil alle vorherigen Überlegungen hinfällig geworden sind (was dann im Endeffekt nur dazu führt, dass niemand mehr groß vorab Pläne macht).


    Wie stark dieser Einfluss ist, kann jedoch sehr unterschiedlich sein. Positiv finde ich folgene Eigenschaften von Spielen:

    • Die Interaktion durch Spielaktionen des Vordermanns wirkt eher mittel- und längerfristig, weniger auf der taktischen Ebene. Etwa auf Endwertungsmultiplikatoren oder Mehrheitswertungen zum Phasenende. Dann sind sie zwar relevant, aber nicht unbedingt für meinen direkten nächsten Zug. Das zerschießt Planungen nicht völlig.
    • Die Mitspieleraktionen haben selten bis nie das Potenzial, meine Vorab-Planungen komplett zu zerschießen (etwa durch blockierende Aktionswahl, Stichwort klassisches Worker Placement). Stattdessen machen sie nur meinen geplanten Zug geringfügig billiger oder teurer. Auch das ist Interaktion, die die Bedenkzeit nicht wesentlich verlängert, weil man im Normalfall den vorab geplanten Zug trotzdem macht.
    • Die Interaktion liegt im Spielerzug selbst, etwa durch "du bekommst 5 Geld, jeder Mitspieler bekommt 1 Geld". Wenn das ein Mitspieler auslöst, ist das ein interaktives Element, das ich längst passend verarbeitet habe, bis ich wieder dran bin.
    • Es gibt immer eine begrenzte Menge mehrerer ähnlicher guter Optionen. Dann bin ich gezwungen, mir 2 oder 3 Sachen näher zu überlegen, während der Spieler vor mir zieht. Notwendige Anpassungen durch den Mitspielerzug fallen dann einfacher, weil der Plan B oder C schon da ist.
      (Gugong ist hier ein schönes Gegenbeispiel: wenn viele hohe Karten liegen, gibt es oft nur einen logisch besten Zug, der Vordermann wählt ihn ziemlich sicher, macht irgendwas, das ich nicht erahnen kann, und meine Planung beginnt dann mehr oder weniger bei null. Ein ähnliches Problem haben für mich auch viele Erweiterung nach dem System "more of the same" mit neuen, superstarken Karten(-combos). Da bewirkt ein Zerschießen der Balance leicht auch deutlich mehr AP.)

    Ich wünsche mir ausdrücklich interaktive Spiele (solange die Interaktion nicht primär die im Spiel aufgebaute Substanz angreift). Multiplayer-Solitär mag ich nicht so. Das Problem, dass Interaktion die Bedenkzeit niemals senkt, sondern nur mehr oder weniger viel erhöht, das sehe ich dabei natürlich auch. Aber es gibt meiner Meinung nach viele Möglichkeiten, die Interaktion so zu gestalten, dass man nur bei einer geringfügiger Erhöhung der Bedenkzeit herauskommt.