So, hier nun meine Versprochene Übersicht über "Le Havre" und wie es sich so spielt.
Ich habe den Prototypen bislang 2x jeweils zu viert angespielt und ich muss sagen, dass mir das Spiel bislang gut gefällt.
Le Havre geht über genau 20 Runden und beginnt langsam und mit wenig Aktionsmöglichkeiten. Es gibt eine Leiste mit 7 Aktionsfeldern, zu Beginn einer jeden Runde setzt ein Spieler seine Figur auf das vorderste davon und füllt den Rohstoffmarkt entsprechend der auf diesem Feld angezeigten Rohstoffe wieder auf.
D.h. mit jeder Aktion eines Spielers kommen 2 neue Waren (das kann auch Geld sein) in das Spiel.
Startaufbau:
Diese Aktionsfelder werden dabei am Start verdeckt verteilt, so dass die Spiele sich untereinander unterscheiden. Ausserdem bekommt jeder noch 3 Kohle um eine anfängliche Energielieferung gewährleisten zu können. Und die Gebäude (davon später mehr) werden zufällig gemischt und dann zufällig auf die 3 Gebäudestapel verteilt. Anschliessend werden sie nach ihren Zahlen sortiert, so dass gewährleistet ist, dass gewisse Gebäude spät, andere früh ins Spiel kommen.
Vom Anfang kommen wir nun direkt zum Ziel, welcher es ist möglichst viel Geld zu machen. Geld gibt es mehr oder weniger in 2 Varianten:
[list="1"]
[*]"flüssiges Bargeld" in der eigenen Kasse
[*]Gebäudewert
[/list]
Das ist deswegen zu unterscheiden, weil es Gebäude/Karten gibt (z.B. die Schiffe) deren Gebäudewert sich vom Kaufpreis unterscheidet.
In Le Havre gibt es nämlich für alle Gebäude/Karten zwei Arten, wie sie ins Spiel kommen: sie werden gebaut oder gekauft.
So kann man beispielsweise später ein Holzschiff für 5 Holz bauen oder es schon vorher für 14 Gold kaufen (es ist am Ende nur magere 2 Gold wert).
Nachdem also ein Spieler die Waren wieder aufgestockt hat ist es nun an ihm, seine Aktion zu machen.
Er kann sich entweder alle Ressourcen auf dem Markt eines Typen nehmen oder er führt mit seinem Aktionsstein (man hat das ganze Spiel nur einen!) eine Aktion auf einem Gebäude aus.
Begibt man sich dabei auf ein fremdes Gebäude (auch dass der Stadt), so muss man bei manchen Gebäuden hierfür Eintritt bezahlen.
Das gemeine an der Sache ist, dass der Aktionsstein solange auf dem Gebäude liegenbleibt, bis der Spieler ein anderes Gebäude nutzt
(oder das Gebäude gekauft wird) und dieses Gebäude damit blockiert.
Hier entsteht also durchaus Konfliktpotential und man kann andere teilweise schon argh blockieren.
Sehr wichtige Gebäude gibt es deswegen mehrfach, so dass man in der Regel immer irgendwas zu seinem Vorteil machen kann (insbesondere Gebäude bauen felder gibt es direkt 4x im Spiel - Werften für Schiffe 2x).
Wie kommen Gebäude also ins Spiel?
Ist ein Gebäude auf einem Stapel ganz oben, kann es gebaut oder gekauft werden (meistens ersteres). Damit befindet es sich im Besitz des Spielers, kann aber auch von den anderen Spielern benutzt werden (Eintritt!). Ab und an kauft auch die Stadt ein Gebäude, so werden evtl. Staus wegen vermeintlich unattraktiven Gebäuden beseitigt, was bei uns eigentlich immer recht gut funktioniert hat.
Gebäude kann man in verschiedene Arten unterteilen:
- kaufmännische Gebäude
- Handwerker und
- Industrie
Gegen Ende des Spiels tauchen dann auchmal Gebäude auf, die relativ teuer sind, aber dafür (wer kennt es aus Puerto Rico oder San Juan nicht?) Extrapunkte für gewisse Typen von Gebäuden bringen.
Ausserdem bringen diese Typen auch schon im Spiel Vorteile:
Handwerkliche Betriebe haben meist einen kleinen Hammer auf sich abgebildet und es gibt einige Betriebe, die dies belohnen. So gibt es beispielsweise den Marktplatz, der es einem erlaubt 2 Standardressourcen zu nehmen, sowie eine weitere pro Hammer, den man besitzt.
Ähnlich ist die Angel, die einem in der Fischerei Vorteile verschafft.
Als Besonderheit seien hier auch nochmal die Sondergebäude erwähnt:
Es gibt einen Stapel von Sondergebäuden, die zu fest vorgegebenen Zeitpunkten ins Spiel kommen und die - ähnlich den Ausbildungen bei Agricola - zufällig im Spiel sind.
Diese Gebäude sind vorher nicht bekannt und bringen zusätzliche Möglichkeiten/Abwechslung ins Spiel. Je nach Spielweise von völlig nutzlos bis hochinteressant.
Im Laufe des Spiels kommen immer mehr Gebäude ins Spiel, manche erlauben es einem Spieler, seine Rohstoffe zu veredeln. Damit sind diese in der Regel mehr wert und ermöglichen auch noch mehr (z.B. auch höher entwickelte Gebäude zu kaufen)
An Rohstoffen gibt es:
- Korn (Nahrung) -> Brot
- Fisch (Nahrung) -> Räucherfisch
- Vieh (Nahrung) -> Fleisch und Fell -> Leder
- Holz (Baustoff und früher Energielieferant) -> Holzkohle
- Kohle (Energielieferant) - kommt erst später ins Spiel - -> Koks
- Eisen (Baustoff) -> Stahl
- Lehm (Baustoff) -> Ziegel
Abgesehen von der Kohle werden also jede Runde 2 davon in den Markt getan.
Am Ende der 7 Aktionsfelder ist eine Runde vorbei und die eigenen Arbeiter müssen ernährt werden. Wieviel Nahrung gezahlt werden muss, ist abhängig von der Spielerzahl und der gewählten Variante (Kurzspiel, normales Spiel). Bei uns fing es so bei etwa 2 Nahrung an und ging später bis 11 Nahrung hoch!
Kann man sich nicht ernähren, darf man (wie auch sonst im Spiel) Nahrung durch Geld ersetzen. Da man anfangs mit einem Startkapital beginnt, kommt man also anfangs über die Runden. Ansonsten kann man einen Kredit aufnehmen, der einem aber jede Runde 1 Geld Zinsen (egal wieviel Kredit) abverlangt.
Gegen den explodierenden Nahrungsbedarf helfen eigene Schiffe, die Nahrung heranschaffen. Wieviel, dass ist wieder von der Spielerzahl, als auch vom Typ des Schiffes abhängig. Bei uns brachte ein Holzschiff (welches man früh bauen kann) immer 2 Nahrung am Rundenende mit, ein Eisenschiff dann schon 4 und ein Stahlschiff noch mehr.
Meine zwei Runden haben mich jetzt schon gelehrt: Le Havre hat den Namen nicht umsonst: Man sollte früh versuchen Schiffe zu bekommen. Auch wenn die 2 Nahrung unscheinbar aussehen, investiert man nicht in Schiffe rennt man in späteren Spielphasen (die umso wertvoller sind) nur noch seiner Nahrung hinterher und wird abgeschlagen...
Also, wie bekommt man nun seine Wirtschaft ins Rollen:
Man veredelt seine Rohstoffe. Ich habe mal alle Rohstoffe im Spiel und deren Beziehungen in einer Art Diagramm zusammengefasst:
Wobei ich weder Anspruch auf Vollständigkeit noch darauf setze, dass das so bleibt.
Soweit ich mich erinnern kann, hab ich die wichtigsten Energiekosten draufgesetzt (an den Pfeilen annotiert), sowie den Energiewert der Ressourcen (im Quadrat).
Fell und Leder haben keinen Nutzen, außer zum Verkauf wenn man verschifft, weswegen ich dort die Preise angegeben habe. Es gibt noch andere teure Produkte (jedes hat seinen Preis) z.B. Stahl (8), Koks (5) usw. deren Nutzen ist aber nicht hauptsächlich der Verkauf, scheint mir zumindest so.
Deswegen und weil ich die Grafik nicht überbelasten wollte, sind die Preise dort nicht abgebildet.
Meine Erfahrung hat mir bis jetzt gesagt, dass Holz ein wichtiger Rohstoff ist (einzige Energiequelle anfangs, auch wenn man zu beginn mit einer Kohle startet) sowie Eisen (welches später wichtig wird).
Nahrung braucht man auch immer, welche davon, ist mehr oder minder egal (Korn hat z.B. den Nachteil, dass man es hier roh nicht essen kann).
Es gibt sehr viele Ressourcen und nicht immer sind alle gleich viel wert, das hängt auch davon ab, wie das Spiel läuft.
In unseren beiden Spielen habe ich zum Beispiel keinen Spieler gesehen, der Koks hergestellt hat - mir ist auch zum aktuellen Zeitpunkt nicht klar, wofür (ausser für die Eisenproduktion) man soviel Energie braucht.
So, jetzt habe ich viel vom Spiel häppchenweise erzählt und ihr könnt selber halbwegs beeurteilen, ob es euren Geschmack getroffen hat.
Mir gefällt es ausgesprochen gut, zumal es wieder dieses "ich will das irgendwie optimieren" Spielgefühl gibt.
Es ist ein Balanceakt zwischen guten Ressourcen die auf dem Markt liegen und Gebäudeaktionen, die gerade frei sind. Die Entscheidungen sind dabei allesamt interessant und haben auch spätere Auswirkungen, müssen aber dennoch zeitnah und sehr flexibel getroffen werden. Das erfordert ein wenig Spielerfahrung, macht für mich aber auch den Reiz aus. So ist es denn auch so gewesen, dass Uwe uns gnadenlos abgezockt hat - was für mich wiederum heisst, dass ich mich zwar am anfang etwas verloren habe, zwischen all den Ressourcen, es dort aber doch tatsächlich Raum für wichtige taktische Entscheidungen gibt (es ist nicht so gewesen, dass Uwe knapp gewonnen hätte...).
Das Spiel ist sicherlich schwierig, wenn man einen Spieler hat, der zwingend den besten Zug sucht - auf Kosten der Lebenszeit der Mitspieler. Ich glaube, bei Le Havre kann man sich total tot kalkulieren, was denn der beste Zug ist - ich versuche es da in der Regel lieber spielerisch im Spiel auszuprobieren.
Beherzigen alle Spieler dies und denken bei den Zügen der Gegner nach, spielt es sich gefühlt recht flott, da man ständig wieder am Zug ist.
Die Spieldauer selber lag bei uns jetzt aber eher im gehobenen Bereich, etwa 3 Stunden bei den ersten beiden Partien, ich denke das bekommt man noch etwas runter, aber ein Zweistunden Spiel wird es wohl bleiben.
Diese Zeit habe ich aber bisher keineswegs bereut und die "Downtime" war dabei wirklich gering (einzelne Aussetzer, weil Leute doch mal einen Moment überlegen mussten abgesehen).
Mein Urteil bislang ist also: Ein Spiel für Vielspieler und Leute die Warenwirtschaft und taktische Gelegenheiten suchen und optimieren wollen.
Ich würde es mir kaufen, es hat für mich diesen *Wow* Effekt, vorallem weil ich nicht davon ausgehe, dass es den so schnell verliert.
Was ich in gewisser Weise lustig finde ist, dass es in Vergleich zu Agricola wahrscheinlich einem Wenigspieler leichter beigebracht werden kann - ich denke aber dass die taktischen Überlegungen sogar noch schwieriger sind, als bei Agricola, da Le Havre schneller und flexibler ist und man in seiner Planung dies berücksichtigen sollte.
spielerische Grüße
Tyrfing