Beiträge von Countrysidepop im Thema „SPIEL 2018: Angespielte Neuheiten von Murks bis Messe-Highlight“

    #newton


    Wie schon in den außerordentlichen Spaghetti-Werken MARCO POLO und KONZIL DER VIER wird auch in NEWTON über das Spielbrett gereist. Hier als aufstrebender, wissbegieriger, naturwissenschaftlicher Gelehrter zu Universitäten und Kulturstätten, daher gibt es zum Reisekartenspielbrett noch ein weiteres Spielbrett mit einem Technologiebaum, von dem einst Newtons grüner Granny Smith auf das Spielecover fiel.


    Die Handschrift der Ecke aus der im weiteren Kreis auch die formidablen Erfindungen LORENZO und GRAND AUSTRIA HOTEL stammen, ist unverkennbar: viel wollen, weniger können, mit zu vielen Optionen und schönen Zwängen. Dabei toppt NEWTON noch die Verschraubung seiner italienischen Spielfamilienmitglieder: die einzelnen Elemente sind derart ineinander verzahnt, dass es dem einen (mir) eine wahre Freude ist, den Anderen (andere) möglicherweise zu viel. Der Kartenmechanismus mit den Aktionen, deren Wert man mit ausgespielten Karten des selben Symbols steigern kann, hat seinen eigenen Stil.


    Trotz auch hier themenbefreiter Euroisierung finde ich es auch thematisch gepflegt und kulturbewusst. Vor allem dass Füllen der Bibliothek mit punktebringenden Buchreihen aus schweren Folianten scheint mir doch unerlässlich für die Meisterschaft des Spiels. Und überall warten kleine Goodies auf den Brettern, die die Physik bedeuten. Ansonsten liegen wieder einmal allerlei runde, eckige und längliche Plättchen auf beiden Brettern variabel in der Gegend und in in jedem Spiel an einem anderen Ort. Auch NEWTON macht kaum etwas neu, dies aber professionell gut.


    Von mir aus darf auch im nächsten Spiel der Italos wieder durch die Welt gereist werden.

    #Symphonyno9


    Klassische Musik ist kein klassisches Brettspielthema. Selten verirrt sich der Autorenschöngeist in diese erhabene Welt. OPERA war einer der wenigen Versuche und stürzte mit seiner Arie leider von der Bühne.


    SYMPHONY No9 aus Taiwan bringt die großen europäischen Komponisten von Mozart bis Haydn an den Spieltisch. Das feine Werk in kleiner Schachtel mit Riffelaufdruck ist ein klassisches Bietspiel, indem es darum geht die berühmten Komponisten zu unterstützen, die man fördert, damit deren Werke aufgeführt werden, was zunächst Knete bringt und am Ende dann variable Siegpunktbedingungen, die jedem Komponisten zugeordnet sind.


    Dabei ist No9 ganz schön tricky in seiner Bietverzahnung, weil die Investitionen der Spieler für eine musikalische Aufführung zusammenfließen. Dadurch wird geguckt und spekuliert, was die Anderen an Kohle hineingeben könnten. Zudem lässt sich das Spiel durch die gemeinsame Komponente nur bedingt im Griff haben, was ich ziemlich gut finde.


    No9 spielt sich frisch, launig und es ist gar nicht nicht leicht kontrolliert auf die Endbedingungen hinzustreben, so dass es sich kaum abschätzen lässt, wer die Partie gewinnt. Als Freund von Oper, Operette, Postpunk und Kulturthemen im Eurogame kommt mir No9 genau richtig. Es ist tatsächlich wie ein Stück Musik im inzwischen leicht verstiefmütterlichten Segment der Bietspiele der ausgehenden 90er.


    Nur das Pappmaterial fühlt sich seltsam an: irgendwie wie gepresster Reis oder Basalt-Bambus. So was habe ich noch nie gesehen, Herr Dirigent.

    #valparaiso


    VALPARAISO ist visuell ein freudiges Wiedersehen mit CUBA: das Meer, die Küste, die Atmosphäre, der Menzel. Da Papa Malz und sein Sohn, Louis der Erfinder, mit ROKOKO und EDO zwei gute Steine bei mir im Brett haben, war ich VALPARAISO gegenüber sehr aufgeschlossen - trotz unverschämtem Euro-Preis bei das bißchen Holz, Papier und Pappe. Aber gut, Kleinverlagbonus.


    Auf der Suche nach ungewöhnlichen Spielorten bleibt man bei dlp nach ALTIPLANO bequemlichkeitshalber gleich in Südamerika und landet also vom Hochgebirge an der chilenischen Küste. Dort wird geeurogamed: VALPARAISO hübscht bewährte Ideen neu auf, schüttelt sie gut durch und legt sie geordnet neu aus. Und hat dabei zwei echte Vorteile: das Spiel kann ärgerlich sein, weil einem die Mitspieler etwas wegschnappen, Pläne durchkreuzen oder sich einem mit einem Fuckzollhaus in den Weg stellen.


    Vor allem aber punktet das Werk mit seiner kurzen Spielzeit. Das macht VALPARAISO zu einem ansehnlichen Mittelgewicht für Zwischendurch. Spiel selbst funktioniert einfach: Handkarten mit Aktionen in die gewohnte Auslage legen und der Reihe nach durchführen. Mit Pesos kann man die Reihenfolge auch ändern und so flexibel auf Handlungen der Mitspieler reagieren. Die Interaktion ist gut im VALPARAISO der üblichen Dinge: Waren, Schiffe, neue Aktionskarten, Siegpunkte. Wer 18 Points hat, beendet das relativ schnelle Spiel. Moderne Zeiten. Eine Eieruhr gegen Grübler ist auch dabei.


    VALPARAISO ist jetzt nicht der große, neue Wurf und will es auch gar nicht sein. Doch das, was es seine möchte, das macht es für meinen persönlichen Spielgeschmack gut. VALPARAISO bekommt seinen Stellplatz in meinem Regal neben CUBA.


    PS

    Ich bin Eurogamer von Geburt