Beiträge von velvre im Thema „Spieleseminar Bad Holzhausen 2019“

    [BHH 2019]

    Auch im für mich vierten Jahr in Folge hat sich die Reise nach Bad Holzhausen mal wieder sehr gelohnt. Dieses „Spieleseminar“ fühlt sich sehr familiär an und ist geprägt von einer entspannten Atmosphäre und lauter sympathischen Spielerinnen und Spielern und das nicht ausschließlich aus den Reihen von unknowns. Wie gewohnt setzte sich mein Jahreshighlight aus 4 Tagen zusammen bei dem ich folgendes spielen konnte:


    [MI]

    Los ging es mit Blackout Hong Kong bei dem jemand auf der Landkarte alle Lichter ausgeknipst hat, weshalb das Spielmaterial sehr dunkel gehalten ist. Auch wenn das Thema wenig bis gar nicht trägt, gefällt mir das Design sehr gut, weil es teils gewagt und erfrischend anders ist als manche farbenfrohen und quietschgrellen anderen Vertreter seiner Art.

    Um das Licht wieder anzuschalten sammeln wir in feinster deckbuildermanier Spezialisten und Helfer mit denen wir Ressourcen generieren und die dunklen Gebiete erkunden und umschließen wollen.

    Auch wenn unsere Erstpartie recht lange dauerte, würde ich BHK gern wieder spielen. Sollte es den Weg in meinen Spielebestand finden wäre ich auch nicht traurig.


    Während es Draußen schon dunkel wurde und ein kleiner regnerischer Sturm tobte nahm ich an einer illustren Partie Just One teil. Partyspiele sind ja tendenziell nicht so mein Ding, aber seit einigen Monaten machen mir zumindest manche Vertreter dieser Art mit den richtigen Leuten Spaß. Just One reiht sich für mich nahtlos zu diesen Spielen ein.

    Als aktiver Spieler zieht man eine Karte mit 5 Begriffen, die man sich nicht ansehen darf und allen anderen zeigen muss. Man nennt eine Zahl von 1-5 womit der Ratebegriff zufällig ausgewählt wird. Nun schreiben alle Mitspieler verdeckt zu diesem Begriff ein passendes Wort auf. Als Clou erweist sich hier, dass nun der aktive Spieler wegschaut und die Mitspielenden ihre Begriffe vergleichen, wobei doppelte Wörter herausfallen. Erst dann darf geraten werden.

    Bei mir wuchs ein wenig der Druck nachdem einige vor mir dran waren und bis auf einen alle ihre Begriffe erraten hatten. Ich war dann auch stolz wie Bolle, dass ich „meinen“ Begriff „Zyklus“ richtig erraten konnte. J


    Auch wenn Just One eher Absackerqualitäten hat, sprang ich im Anschluss darauf noch einmal schnell auf den Zug Richtung Süden auf, weil es dort eine Zusammenkunft aller Architekten des Westfrankenreichs gab. Ich muss schon sagen, dass mich die relativ kleine und kompakte Spielschachtel positiv überraschte. Die Grafik ist genial und gefällig und auch das optionale Metallgeld sammelte einige Sympathiepunkte. Kurzum hat mir das Spiel so gut gefallen, dass es früher oder später den Weg zu mir finden wird. Es ist ein recht simples aber durchaus geniales Arbeitereinsatzspiel; für Freunde von Anglizismen auch besser als Workerplacement bekannt.


    [DO]

    Nach dem Frühstück überzeugten mich Begriffe à la „Dungeoncrawler ohne Figuren und Dungeon“ sowie „Skilltree und Enginebuilding“ um an einer ausgiebigen Runde Too Many Bones Mitstreiter Nummer 4 zu sein, was auch ganz hervorragend ins Konzept passte. Mit Boomer als Fernkampfgnomin sammelte ich Teile um Bomben zu bauen und Gegner mit Area of Effect Damage den Gar auszumachen. Interessant bei TMB ist ganz klar, dass sich jeder Gnomencharakter (Gearlock) als sehr komplex und unterschiedlich erweist. Das liegt an einen Haufen individueller Fähigkeiten, die nach und nach und freigeschaltet werden können. Weiterhin finden Kämpfe auf einem 4x4 Raster statt. Hierzu warteten in unserer Anfängerpartie auf Pokerchips bedruckte Monster in den Stärken 1, 5 und 20 wobei wir es bei Stufe 20 mit 2 Drachen zu tun bekamen. Das war auf jeden Fall ein super Spielerlebnis, auch wenn meine Bomben durch etwas Würfelpech nicht nur den Gegnern Schaden zufügten aber dafür gab es 2x einen ordentlichen Einschlagkrater und für friendly Fire (und andere Verletzungen) hat man schließlich einen Heiler dabei. Stark fand ich übrigens auch, dass es neben normaler Beute auch noch Schatztruhen gab, die man erst im Laufe des Spiels öffnen musste um an bessere Gegenstände zu kommen. Überhaupt zeichnet sich TMB durch so manch kleine Spielerei neben üblichem Hack & Slay Dungeoncrawlern ab. Schade, dass es wohl nie in Deutsch lokalisiert werden wird. Wer mit der Sprache kein Problem hat, dürfte jede Menge Freude und vielleicht sogar neue Freunde mit TMB finden.


    Ich weiß gar nicht ob es an der Rauchentwicklung meiner Bomben, an zu wenig Schlaf oder einem durch Regelerklärung gesättigten Schädel lag (wahrscheinlich an einer Mischung aus allem zuvor genannten), doch als auf TMB nun Cerebria The inside World folgte, fühlte ich mich an mancher Stelle regeltechnisch wahrlich erschlagen!!! Eigentlich mag ich Area Control Spiele mit schönem, wenn nicht sogar genialem Artwork, aber CTiW hat mich nicht richtig abgeholt, obwohl es vom Thema her erfrischend anders ist als viele Vertreter seiner Art. Wir spielten jeweils 2 gegen 2 und zwar die gute Seite gegen die dunkle Gramseite, die uns von Anfang an überlegen gewesen ist. Dennoch konnten wir einige durchaus nette Aktionen fahren, aber den Sieg der sich alles anders als grämenden dunklen Seite nicht verhindern. Cerebria bietet einem zahlreiche Möglichkeiten auf dem eigenen Tableau, die auch noch verbessert werden können, aber auch dem Spielplan selbst. Das alles in einer Erstpartie zu durchblicken ist wahrlich eine schier unmögliche Kunst, bei der englisches Fachvokabular auch ein wenig hinderlich und gewöhnungsbedürftig ist. Mir hat eine Übersicht aller ausliegenden Ziele gefehlt, denn darauf sollte man stets hinarbeiten. Zu Beginn des Spiels wird eine zufällige Auslage von Zielen aufgedeckt, so dass man sich gut darauf vorbereiten sollte. Neben offenen Zielkarten hat jede Seite auch noch ein geheimes Ziel pro Wertung. Abhängig davon wie gut eine Seite Ziele erfüllen kann, wird in der Mitte des Spiels ein Obelisk ähnlicher Turm aus kleinen und großen Fragmenten errichtet bis das letzte Ziel erfüllt ist.


    Irgendwann zu fortgeschrittener Stunde lockte ein quietschbuntes Cupcake Empires nicht nur zum Hineinbeißen sondern auch zu einer formidablen Partie. „I am the King of Cupcakes“ rief eine Stimme in meinem Kopf, die sich mit meinem Magen kurzschloss aber leider gab es keinen Kuchen in der Nähe. Egal, das Spiel sieht auch so lecker aus. Die bunten Würfel erinnern an Candies, aber ich konnte mich gerade noch so beherrschen. Immerhin wollen ein ganzer Haufen von Kunden mit Cupcakes beliefert werden. An den Farben der Kundenmeeple sieht man, wer einem welche Lieferung abkaufen wird. Doch bis man Kundenwünsche erfüllen kann, muss man zunächst Rezepte herstellen. Cupcakes bestehen aus einem hellen oder dunklen Boden und einem von 4 Toppings: Erdbeere, Schokolade, Zitrone und Minze. Yammi!!! Neben dem Erwerb von Rezepten (Böden + Toppings) kann ich weitere Bäckereien und Shops erreichten, um auch weiter entfernte Kunden zu erreichen. Aus meiner Sicht ist CE ein Spiel, dass ich mal wieder mitspielen würde. Vor der Partie dachte ich an ein familientauglicher Spiel, aber ich denke hier steckt doch mehr drin, so dass man es nur mit größeren Kindern spielen könnte.


    [FR]

    Hatte ich nicht 29 Spiele auf meinem Zettel stehen, die ich spielen wollte? DO nur 3 geschafft, aber immerhin waren ja 2 ordentliche Brocken dabei. Heute sollten es auf jeden Fall mehr als 3 Spiele werden. Los ging es nach dem Frühstück mit Teotihuacan von dem ich hier im Forum bereits sehr viel gelesen hatte und ich muss sagen, es hat mir richtig gut gefallen! Am Ende hatten wir sogar den Mayatempel vollständig errichtet. Geilomat! Muss ich mir unbedingt anschaffen! (Hat jemand ein Exemplar übrig?)


    Weiter ging es mit einem Spiel dass nicht auf meiner Liste stand, weil mich weder Grafik noch Thema angesprochen hatten. Am Ende konnte mich Smartphone Inc. durchaus positiv überraschen! Mein indischer Konzern lieferte sich 4 Runden lang ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bis sich in Runde 5 das Risiko nicht auszahlte und ich fast auf den letzten Platz rutschte. Geniales Spiel, bei dem man durch Technikvorsprung doch noch einige Schrotthandys aufwerten und verkaufen kann, bevor man diese entsorgen und umsonst produziert hat. Für mich ein kleiner Überraschungshit und Geheimtipp.


    Zu fünft ging es weiter mit Welcome To, von dem ich auch schon viel gehört hatte. Sehr angenehm finde ich, dass WT gänzlich ohne Würfel auskommt, kartengesteuert ist und jeder seinen Zug simultan durchführt. Dadurch sollte es in jeder Besetzung gleichlang dauern. Die Karten lassen uns Hausnummern wählen, die wir auf unserem Block eintragen. Neben den Hausnummern wählen wir eines von drei Aktionssymbolen aus, durch die u. a. Zäune gezogen, Swimmingpools errichtet und die Endwertung verbessert werden kann. Weiterhin gibt es 3 Zielkarten die uns sofort Siegpunkte geben. Wer diese als erstes erreicht kassiert mehr als andere, die jedoch folgen dürfen.


    Als kleinen Filler durfte ich Bloxx kennenlernen, eine von vielen Tetrisversionen auf dem Spielemarkt. Tetristeile finden wir hier nur auf 2 Würfeln wieder und tragen eine davon jede Runde auf unserem Block ein. Anders als bei Tetris, fallen die Teile imaginär nur stumpf von oben nach unten und dürfen leider nicht in tetrismanier verschoben werden, um die eine oder andere Lücke zu füllen. Da sollte man schon gut überlegen, ob Lücken einem Minuspunkte wert sind. Auf dem Block versucht man die Teile so einzuzeichnen, dass Punkte mitgenommen werden. Nach einer flotten Runde muss ich sagen, dass es deutlich bessere Versionen von Tetris gibt und Bloxx für mich persönlich ziemlich belanglos ist.


    Meine erste Totalniederlage in Bad Holzhausen, also den letzten Platz, brachte mir ein hübsches Kartenspiel im asiatischen Design bei. Die Rede ist von Ohanami in dem wir bis zu drei Kartenreihen legen und diese nach oben und unten ergänzen dürfen. Wenn ich mich recht entsinne werden 4 Runden mit festen Wertungen am Ende gespielt. Mir gefällt der aisiatische Charme der Karten sehr gut und auch das Spiel an sich hat mir deutlich besser als Bloxx gefallen.


    Nur noch zu dritt war ich dennoch sehr dankbar Pulsar 2849 kennenlernen zu dürfen. Ähnlich wie bei Teotihuacan, hatte ich schon viel über Pulsar gelesen, aber in meinen Spielerunden hat es leider niemand. Pulsar 2849 erlaubt einen variablen Spielaufbau, so dass jede Partie etwas anders verlaufen dürfte. Auch wenn einem viele Spielelemente vertraut sind, wie Technik ausbauen, Reisen und dabei möglichst viele Steine verteilen, würfelgesteuerte Aktionen, Wertungen, usw. konnte mich Pulsar 2849 abholen und mit zu einer Reise durch eine weit, weit entfernte Galaxie nehmen. Lange lag ich in Führung, wurde aber in der Endwertung doch noch überholt. Wir lagen am Ende zu dritt trotz unterschiedlicher Strategien punktetechnisch eng beieinander. Das spricht durchaus für das Spiel.


    Zu weit fortgeschrittener Stunde brachen wir mit Ganymede zu viert in eine nicht mehr ganz so weit entfernte Galaxie auf. Ganymede besticht nicht nur durch ein außergewöhnlich interessantes Artwork, das zumindest aus der breiten Masse heraussticht, sondern auch mit einfachen aber nicht uninteressanten Mechanismen und einer angenehmen Spieldauer. Wir generieren Meeple in verschiedenen Farben auf der Erde, die auf dem Mars einen Zwischenstopp machen möchten und von dort aus in 2 verschiedenen Raumschiffen weiterdüsen möchten. Sind 4 Raumschiffe gefüllt endet auch schon das Spiel. Das Material ist sprachneutral, daher stört es auch nicht, dass die Spielregel zwar in 3 Sprachen aber nicht auf Deutsch übersetzt wurde.


    [SA]

    Am Tag meiner Abreise reichte es zwischen Frühstück und Mittag immerhin für 2 Spiele. Etwas unentschlossen und nicht recht überzeugt nahm ich am Plündern, Rauben und Brandschatzen bei Raids teil. Das war ein hartes Leben in der Wikingerzeit, wo ein Clan dem anderen zuweilen im Weg ist und der Stärkere gewinnt, was sich spieltechnisch im Verdrängen von Orten und ggf. dem Verlust von Wikingerbesatzung unserer Langschiffe darstellt. Von der grafischen Aufmachung her ist Raids wirklich mehr als hübsch und gelungen. Eine gewisse Spieltiefe dagegen kommt nicht auf und so manche Strategie muss Glück und Willkür der lieben Mitspieler weichen. Ich fand Raids dennoch gar nicht mal so schlecht, da man es flott spielen kann. Man muss es jedoch mögen, dass man nicht alles kontrollieren kann.


    Mit The River kam ein flottes familientaugliches Spiel auf den Tisch von dem ich, halb in Aufbruchstimmung, gar kein Foto gemacht hatte. Jeder bekommt ein identisches Tableau, auf dem sich ein Fluss windet. Am Ufer sind bereits Lager und Landschaften zu sehen, die im Spielverlauf mit besseren Plättchen aufgewertet und überbaut werden können. In meinen Augen war das eine relativ seichte Kost bei der ein Aha-Erlebnis ausblieb. The River hat mir weder etwas Neus noch einen erkennbaren Spannungsbogen gegeben und hinterlässt einen eher neutralen Gesamteindruck zurück. Es ist okay und funktioniert, mehr aber auch nicht.


    Das war mein 4-tägiges Bad Holzhausen „Spieleseminar“. Wie in den Jahren zuvor fand ich super Mitspieler/innen vor, fühlte mich echt gut aufgenommen und hatte ganz ganz viel Spaß! Man kommt immer wieder in eine tolle Truppe. Bestes Beispiel: Als ich am Donnerstag sagte, ich gehe mal in den anderen Raum und schaue mir Too Many Bones an, kam nach gewisser Zeit jemand sehr fürsorglich herüber und wollte schauen ob ich mich dem Spiel angeschlossen hatte. Er wollte nicht, dass ich im Zweifelsfalls ohne Spiel dastehe. Das ist eine von vielen Situationen, die die Menschen beschreibt, die sich in Bad Holzhausen zum Spielen treffen. Es ist unbeschreiblich, herrlich, großartig, fair und sehr menschlich zugleich und deshalb alle Jahre wieder einer meiner persönlichen Jahreshighlights, auf die ich mich schon sehr im Vorfeld freue. Ganz lieben Dank an alle die zu dieser besonderen Atmosphäre beitragen!


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