Beiträge von MetalPirate im Thema „Spiele von Splotter Spellen, deren Charakteristik und deren Zielgruppe“

    [...] Irgendwie gewöhne ich mich als Dauererklärbär ohnehin an diese Sichtweise. [...]

    Hmm. Allein schon durch die Rolle als regelmäßiger Erklärer achtet man mehr darauf, dass alle am Tisch Spielspaß empfinden können, unabhängig vom Gewinnen? Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen, aber ich glaube, da ist etwas dran. Als Erklärer macht man ja auch immer etwas Werbung für das Spiel, das man erklärt.


    Aber vielleicht ist's auch andersrum? Nach meinen Beobachtungen können die "Gewinnen geht mir über alles"-Leute sich oft nicht so gut in die Lage von anderen herein versetzen und deshalb auch nicht so gut erklären. Zumindest bei unserem Spieletreff ist's auch so, dass einige am Anfang die Entscheidung, was sie mitspielen wollen, auch erkennbar davon abhängig machen, wer es dann erklärt. Ich bin zwar nicht der "Dauererklärbär", aber wenn's darum geht, wem man am besten zutraut, Spielregeln gut zu vermitteln, dann habe ich meist ganz gute Chancen, dass das von mir mitgebrachte Spiel auch tatsächlich gespielt wird. :)


    (Und ja, dass man dann als Erklärer, der seinen Job ernst nimmt und andere ggf. auch vor unsinnigen Spielentscheidungen warnt, dann oft nicht mehr so wirklich um den Sieg mitspielt, weil einem die volle Konzentration auf das eigene Spiel fehlt, das kann ich auch zu 100% unterschreiben.)

    Oder würdest Du wirklich jeden Spieler ein Spiel wie Gaia Project, Arkwright, Lisboa, Vinhos oder Kanban vorsetzen?

    Arkwright kenne ich nicht. Aber die anderen sind für meine Frau oder den Spieletreff geeignet. Splotter nicht (mit Einschränkungen höchstens TGZ).


    Insbesondere Gaia Project hat für meinen Geschmack gemessen an der enthaltenen Spieltiefe eine geradezu wunderbare Einsteigerfreundlichkeit und bietet auch schon dem blutigen Anfänger ein schönes Spielerlebnis (auch wenn er mit dem Sieg definitiv nichts zu tun haben wird).

    Wenn du die Dose FCM öffnest, CFO und Boni als Problem benennst, dabei aber außer acht lässt, dass das Design in dieser Form ohne diese Features wesentlich problematischer wäre

    Das kannst du mir bitte mal zeigen. Ich habe den CFO nicht mal explizit benannt, sondern nur das "+50% Einnahmen" als eines von drei Beispielen für die Meilensteine genannt, die meiner Meinung nach wesentliches Designelement von FCM sind.

    Sternenfahrer : Können wir uns darauf einigen, dass ständig sinkende Einnahmen gegenüber der Fast-Food-Konkurrenz, die immer mehr, besser und billiger produzieren kann, ggf. mit der Folge des erzwungenen Personalabbaus bei der eigenen Kette mit dann noch schlechterer Konkurrenzfähigkeit, nicht gerade den Spielspaß erhöhen? Für die Erkenntnis "ja, da habe ich Mist zusammengespielt!" reicht im Normalfall 5 Minuten. Ich sehe wenig Sinn darin, das zwingend auf 2 Stunden auszuwalzen.

    yzemaze : Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Unter der Prämisse, dass es okay ist, wenn man einen Mitspieler zu 2+ Stunden relativ chancenlosem und zunehmend lustlosem Mitspielen verdammt (und ich meine wirklich chancenlos, nicht nur grundloses Gejammer!), und wenn außerdem jeder am Tisch weiß, auf was er sich einlässt und genau das auch so will, dann sind unter diesen Voraussetzungen Spiele von Splotter vermutlich bei dem besten, was man haben kann. Dass die Splotter-Spiel innerhalb ihrer Richtung sehr gut gemacht sind, will ich überhaupt nicht bestreiten. Nur: Ich halte diese Richtung an sich für etwas problematisch und das sollte man in einem Forum wie diesem nicht verschweigen; sonst führt das nur zu sinnlos versenktem Geld und enttäuschten Erwartungen bei den Lesern.


    Solche Sachen sind eigentlich nur spielbar in festen Runden von Fans genau solcher Sachen und ansonsten, etwa für alles, was irgendwie in Richtung offener Spieletreff geht, KOMPLETT ungeeignet. Auch die hohen BGG-Noten belegen kein bisschen die Güte der Spiele. Die kommen durch zwei Faktoren zustande: erstens werden solche extremeren Sachen ausschließlich von der Kern-Zielgruppe bewertet (das ist in jedem Hobby so) und zweitens wird mit Preisen von 70+ Euros auch sehr effektiv dafür gesorgt, dass nur diese Kernzielgruppe die Sachen auch kauft und anschließend einen guten Grund hat, diese Ausgaben mit einer hohen Note vor sich selbst zu rechtfertigen. Das ist eher eine hohe Note für das Splotter-Geschäftsmodell als für die Güte der Spiele. Mit einem Verweis auf die BGG-Durchschnittsnote diese Spiele weiterzuempfehlen, wäre für mich komplett am Ziel vorbeigeschossen.


    Wer sich für Splotter-Spiele interessiert, der sollte sie meiner Meinung nach auf gar keinen Fall kaufen, bevor er nicht mal eine Probepartie irgendwo mitgespielt hat, und wenn er in seinem Umfeld keine Mitspieler dafür hat, dann lässt er es am besten direkt sein. Alles, was Splotter-Spiele bieten an Notwendigkeit von Vorausplanungen, an "no luck", an strafenden Elementen bei schlechtem Spiel -- all das lässt sich auch anderweitig in "freundlicherer" Form haben. Womöglich nicht ganz so konzentriert, aber dafür mit der zehnfachen Menge an möglichen Mitspielern.

    Sternenfahrer : Huch?! Wo habe ich denn behauptet, dass Agricola einen Catch Up Mechanismus hätte? Ich sehe es vielmehr als Musterbeispiel für ein "hartes", ggf. auch "strafendes" Spiel (wegen des Ernährungszwangs), das es trotzdem schafft, allen am Tisch Spielspaß zu bringen, indem es auch den Hintenliegenden immer noch ein interessantes Spiel ermöglicht. Sowas hin zu kriegen, ist meiner Meinung nach eine Kunst beim Spieldesign, die von vielen guten Spielern viel zu wenig gewürdigt wird.

    Mal zwei Sachen auf einmal:

    Warum hofft der zurück liegende nicht auf Fehler der Führenden?

    Ich lese immer nur "gewinnen". Zählt der Kampf um die Plätze denn gar nichts bei euch?

    Alles normalerweise richtig. Aber in "normalen" Spielen hat auch der Hintenliegende noch interessante Spielentscheidungen zu treffen und kann sich persönliche Ziele setzen, die er erreichen will. Nehmen wir z.B. Agricola: ich will am meisten Gemüse anbauen, ich will alle drei Tierarten haben, ich will noch ein Steinhaus bauen. Schöne, thematische Ziele, die sich auch dann noch umsetzen lassen, wenn man längst nicht mehr um den Sieg mitspielt. Das ist für mich gutes Spieldesign.


    Ausgangspunkt des Threads war Food Chain Magnate. Nehmen wir jetzt zum Vergleich das. Dieses Spiel definiert sich ganz wesentlich durch Meilensteine, die der derjenige bekommt, der irgendwas in einer Runde erreicht. Wer es in der gleichen Runde auch noch schafft, bekommt den Meilenstein ebenfalls. Danach ist er blockiert. Meilensteine geben enorm starke Boni: $5 mehr für jeden Burger, $15 weniger Gehälter zahlen, +50% Einnahmen (ja, wirklich!) und anderes mehr. Wenn ein Spieler bei Anzahl und Wertigkeit der Meilensteine einmal weit vorne liegt, ist das Ding durch. Da ist nix mit aufholen können. Keine Chance mehr. So viele Fehler kann der andere gar nicht machen. Das ist nicht nur kein Catch-Up-Mechanismus, sondern es ist vielmehr das exakte Gegenteil: wer vorne liegt, bekommt noch Sonderboni oben drauf, die den Vorsprung verfestigen.


    Wenn z.B. Spieler A und C jeweils 5-10 Meilensteine mit den entsprechenden Mega-Boni haben und Spieler B hat einen, dann gilt wird Spieler B in der Konsequenz nur noch die Entscheidung verfluchen, an diesem Abend zum Spieletreff gegangen zu sein. Der verkauft keine Pizza mehr, keine Cola mehr und auch sonst nichts mehr. Der ist schlicht draußen. Er wird ggf. noch zuvor eingestellte Leute wieder entlassen müssen, weil sein Umsatz immer mehr Richtung null geht (es sei denn, Kellnerinnen halten ihn knapp vorm Untergehen über Wasser). Das mag den Verdrängungswettbewerb im Fast Food Business realistisch simulieren, aber Spiele, die allen am Tisch Spaß machen, sehen für mich anders aus. Ganz anders.


    Und nochmal: ich habe überhaupt nichts gegen "harte" Spiele. Bei meinen bisherigen FCM-Spiele habe ich mich, denke ich, auch ganz gut geschlagen. Aber ich habe erlebt, wie andere am Tisch gelitten haben, und das muss nicht sein, wenn ich mich mit netten Leuten zum Spielen treffe.

    Ich möchte viel häufiger lesen, dass die Splotter-Spiele nichts für ‚ich spiele es nur einmal, gleich richtig, gleich auf Sieg‘-Spieler sind, als dass immer wieder betont wird, sie seien so unbarmherzig. Da hängt auch viel von den Mitspielern ab.

    Es gibt Spieler, die freuen sich über jede Gelegenheit, mal deutlich anspruchsvollere Spiele auf den Tisch zu bekommen. Da kann man sich die Mitspieler nicht immer aussuchen.


    Und nochmal: Mich stört die Unbarmherzigkeit an sich kein Stückchen. Ich halte sie nur in Kombination mit Zufallsfreiheit und einer Spiellänge von 3+ Stunden für potenziell so problematisch, dass man Splotter-Spiel nur äußerst selektiv weiterempfehlen sollte.



    Woran leitest du ab, dass sie ein Problem haben, sich in die Lage von Mitspielern hineinzuversetzen?

    An der etwas herablassenden und ausgrenzenden Art und Weise, wie von Splotter-Fans manchmal argumentiert wird. Sagen wir's mal so: Die Idee, dass beim Spielen alle am Tisch Spaß an unserem schönen Hobby haben sollten, scheint da keine allzu hohe Priorität zu genießen.

    Das zwingt einen, so-und-soviele Züge im Voraus komplett fehlerfrei durchzurechnen.

    …, wenn man den Anspruch hat, das theoretisch perfekte Ergebnis zu erzielen, schon.

    Leider nein. In der gelebten Splotter-Praxis läuft es doch eher auf dieses hinaus: "Man MUSS einige Züge im vorraus durchrechnen, inklusive möglicher Mitspieleraktionen, wenn man nicht in die beschissene Situation kommen will, völlig abgeschlagen und chancenlos noch 2+ Stunden gute Miene zum bösen Spiel machen zu müssen, so dass man sich nachher wünscht, den Abend lieber mit der Familie als auf dem Spieletreff verbracht zu haben."

    (Disclaimer: Ich gehöre eher zu denen, die dann trotzdem noch um den Sieg mitspielen. Aber wenn ich einem Mitspieler ansehe, dass er erkennbar keine Lust mehr auf das Spiel hat und nur noch aus Anstand, aber eigentlich völlig lustlos irgendwelches halbwegs sinnvolle Zeugs macht, dann habe ich auch keinen Spaß an dem Spiel mehr.)


    Im Vielspielerbereich ist doch eigentlich Konsens, dass "player elimination" kein zeitgemäßes Design mehr ist. Aber 2+ Stunden chancenlos mitspielen zu müssen, das soll auf einmal okay sein? Wieso haben so viele Fans solcher Spiele, insbesondere die extremeren Freaks, anscheinend ein Problem, sich in die Lage von den Mitspielern hereinzuversetzen, die in solche Situationen geraten und die dann für Player Elimination, d.h. für einen gesichtswahrenden Wegs des Abbrechens eines verlorenen Spiels, sogar dankbar wären?


    Bei einem 2er-Spiel wie Schach ist das alles kein Problem, wenn man hoffnungslos hinten liegt. Da gratuliert man dem anderen fair zum Sieg und widmet sich dem nächsten schönen Spiel. Haken dran und weiter. Im Mehrspielerbereich ist das sehr wohl ein Problem, denn da kann man ja nicht abbrechen, weil das den anderen, die noch um den Sieg spielen, das Spiel kaputt machen würde. Ich würde das nicht "schlechtes Spieldesign" nennen, denn für einen bestimmen Spielertypus sind solche langen, unbarmherzigen, zufallsfreien Spiele ja exakt das, was diese Gruppe will; der Ruf von Splotter kommt ja nicht von ungefähr. Seine Berechtigung hat dieser Designansatz schon. Aber in Vielspielerkreis oder Foren wie diesem kommt mir Splotter oft viel zu gut weg, mit der Folge, dass einige sich davon anstecken lassen, diese nicht ganz billigen Sachen kaufen und am Ende dann nicht so viel damit anfangen können. Dieser Designansatz, für den insbesondere Splotter bekannt ist, ist zumindest mal problematisch; das sollte eigentlich jeder soweit anerkennen können.

    Wenn man Splotter auf die "Unbarmherzigkeit" des Designs und das Fehlen von Catch-Up-Mechanismen reduziert, ist das meiner Meinung nach nur die halbe Wahrheit. Damit alleine hätte ich keine Probleme. Die Möglichkeit, sich selbst früh aus dem Spiel zu schießen, bieten andere Spiele auch. Stichwort: #Myrmes. Oder, um ein jüngeres Beispiel zu nennen: #HeavenAndAle; da ist's zwar kein komplettes Abstürzen, aber ein unerfahrener Spieler kommt da, wenn's dumm läuft, das ganze Spiel über auf keinen grünen Zweig und geht am Ende mit knapp über null Punkten aus dem Spiel.


    Für mich mindestens genauso charakteristisch für Splotter ist das komplette Fehlen von Zufallselementen, was dann erst im Kombination mit der Wichtigkeit jeder einzelnen Entscheidung zu einem Design führt, das mit "AP-anfällig" noch sehr freundlich umschrieben ist. Das zwingt einen, so-und-soviele Züge im Voraus komplett fehlerfrei durchzurechnen. Für mich verliert das Ganze dann etwas das spielerische Element und wird zur mehrstündigen Kopfrechenarbeit, und aufgrund der Länge ist's dann erst recht blöd, wenn jemand chancenlos und abgeschlagen hinten liegt. Weil mein Ideal einer Spielerrunde darin besteht, dass jeder am Tisch Spaß an der Sache hat, bin ich deshalb nicht der allergrößte Splotter-Fan. Wobei man sagen muss, dass FCM wohl das zugänglichste (und wohl auch deshalb erfolgreichste) Spiel von denen ist. Wenn Splotter, dann das (oder TGZ, das ist wenigstens halbweg kurz).