Beiträge von MetalPirate im Thema „Ein Strategieforum wäre schön“

    Im Brettspielbereich sehe ich -- anders als bei militärischen Kampagnen! -- tatsächlich wenig Veranlassung für eine strikte Trennung zwischen taktischer und strategischer Ebene.


    Für Cosims mag das vielleicht noch gelten, aber wenn wir in den Euro-Bereich schauen, dann gibt es sowohl Übergangsbereiche mit Zwischenzielen auf mittlerem Zeithorizont irgendwo dazwischen wie auch paralleles Auftreten von verschachtelten Zielen mit ganz unterschiedlichem Zeithorizont nebeneinander. Von daher ist der Begriff "Strategie" bei Brettspielen für mich eher ein Überbegriff für alle Arten von gezielten Vorgehensweisen, die die eigenen Siegchancen erhöhen. Auch weil eine klare Zuordnung zu Taktik oder Strategie (verstanden im klassischen militärischen Sinne) in Brettspielen oft gar nicht möglich ist.

    Nun ja. Der Vergleich mit Äpfeln, Birnen, Orangen und Kartoffeln passt hier nicht so ganz. Schon eher passend wäre ein Vergleich mit einem Krokodil-Forum, wo jemand fordern würde, dass nur über Echte Krokodile und nicht über Alligatoren (inklusive Kaimane) oder Gaviale geredet werden dürfte. Das wäre genauso am Ziel vorbei geschossen. Soll heißen: Der Begriff "Strategie" wird im Brettspiel-Kontext sowohl eng als langfristige Planung als auch als Überbegriff für "Strategie, Taktik und Artverwandtes" verstanden. Das mag man als Kenner von Sun Tzu und Clausewitz durchaus schade finden, aber dagegen ankämpfen zu wollen, halte ich für wenig zielführend.

    Du diagnostizierst da gerade einen Chilling effect.

    Ja, den meine ich manchmal zu spüren. Ich habe mir aber bisher nie die Mühe gemacht, Belege zu sammeln, zumal dies auch eher Indizien als Beweise wären und Diskussionen darüber deshalb ziemlich sinnfrei. Widerspruchsfrei belegen könnte man diesen Effekt sowieso nicht, solange nicht sehr, sehr viele Forumsmitglieder über ihre bewusste persönliche Zurückhaltung schreiben und das wird nicht passieren.

    Ich finde das hohe Niveau, das bei Unknowns eingefordert wird, sehr angenehm und gerade gut bei Strategiediskussionen.

    Teils/teils. Ich verzichte gerne auf Beiträge der Sorte: "Spiel X ist broken, Strategie Y ist unschlagbar, das weiß ich nach einem Spiel schon sicher, und die Hausregel Z, die mir gerade eben spontan eingefallen ist und die ich beim nächsten Mal testen will, ist bestimmt die optimale Lösung dafür!!!" Aber wenn man ein Spiel im Spieltreff dreimal gespielt hat und jedes Mal hat die gleiche Strategie gewonnen, man schreibt einen Beitrag, um das anzusprechen, formuliert ihn dann ein paar Mal um, um ihn gegen unknownstypisches "Zitate aus dem Zusammenhang reißen" abzusichern und tritt ihn dann lieber nicht abgeschickt in die Tonne (gerade wenn man ein Szene-Hype-Spiel vielleicht doch nicht so toll findet und einem das Ganze letztendlich doch nicht so wichtig ist), dann geht mir dieses "Einfordern" manchmal schon ein wenig zu weit.


    Nicht alles muss auf dem Niveau einer wissenschaftlichen Ausarbeitung sein. Gut ausgearbeitete Strategieartikel von jemandem, der ein Spiel schon dutzende Male gespielt hat, sind natürlich toll! Keine Frage. Aber wenn man "mindestens 10 mal gespielt" zur zwingenden Grundvoraussetzung macht, um über Strategie zu schreiben, bzw. wenn Autoren von nicht ganz so perfekten Beiträgen sehr schnell in die Defensive gedrückt werden, dann wird in der Praxis vielfach gar nicht mehr über Strategie geredet, und das ist dann IMHO auch nicht mehr im Sinne eines Forums.

    Mehr Strategiediskussionen wären sicher schön, aber erstens ist das saubere Erarbeiten und Dokumentieren von Strategien enorm viel Arbeit und zweitens driften solche Diskussionen leicht auch in Richtung Diskussion um Balance, und da wird's in einem Expertenforum wie Unknowns auch schnell mal "schwierig". Das ist ein Minenfeld. Insbesondere wenn man nicht zu den "Alteingesessenen" hier gehört und/oder nicht extrem defensiv formuliert, hat man dann ganz schnell ein "du hast das Spiel nicht verstanden" bzw. ein "du musst das Spiel erst jeweils zehnmal in allen möglichen Spielerzahlen gespielt haben" bzw. "das ist nur 'group think' in deiner Spielegruppe; hast du Spiel X schon mal mit anderen Leuten gespielt?" an der Backe. Wer tut sich das freiwillig an? Das, was hier manchmal verlangt wird (im Falle eines professionellen Playtestings völlig zurecht!), kann Otto-Normal-Spieler realististischerweise (EDIT:) gar nicht kaum leisten.


    Außerdem: In der Zeit, die man braucht, um einen guten Strategieartikel über Spiel X zu schreiben, kann man X auch mindestens drei weitere Male spielen. Das ist im Normalfall deutlich interessanter. Von daher ist schon klar, warum in einem Forum der unbezahlten Hobbyschreiber viele unverbindliche Ersteindrücke, wenig ausführliche Reviews und nur ganz selten mal Strategieartikel zu lesen sind. Ist einfach zu viel Arbeit.