Beiträge von Miyagi im Thema „Santa Maria: online lieferbar trotz Fachhandelsexklusivität“

    Deswegen bin ich der Meinung, dass ein Internetverkaufsverbot (gerade weil es nur temporär ist) bei den Fachhandelsaktionen gegen das Gesetz verstoßen könnte.


    Möglich, dass das so ist, aber nicht zwingend. Der EuGH (C-439/09) hat sich mit einem totalen Internetvertriebsverbot auch schon mal befasst und dieses nicht zwingend als Wettbewerbsbeschränkung angesehen. Dort ging es allerdings um Pharmaprodukte. Zum Tragen kam dabei die Rechtsprechung zur objektiven Rechtfertigung qualitativer Selektionskriterien im Rahmen selektiver Vertreibssysteme. Dabei gibt es wiederum diverse Unterscheidungen. Von einer einfachen Fachhandelsbindung spricht man, wenn der Hersteller seine Abnehmer verpflichtet, nur in bestimmter Weise qualifizierte Fachhandelsgeschäfte unter Ausschluss anderer Formen des Einzelhandels zu beliefern; hinzu tritt häufig die Verpflichtung des Einzelhandels, die gebundene Ware allein an Letztverbraucher weiterzuveräußern. Solche Absatzsysteme werden vom EuGH unter bestimmten Voraussetzungen als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar angesehen, so dass die Notwendigkeit einer Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und damit der Anwendung der Vertikal-GFVO an sich entfällt. Grundsätzlich unbedenklich sind nach dieser Rechtsprechung Vertriebssysteme, wenn die Beschränkung des Händlerkreises nach Art und Eigenschaften des Produkts erforderlich erscheint, um dessen Qualität zu wahren und einen richtigen Gebrauch der Ware zu gewährleisten, sofern das System diskriminierungsfrei gehandhabt wird, also alle Händler, die die erforderliche Qualifikation aufweisen, auch zum Vertrieb zugelassen werden. Nur bei der rein qualitativen Selektion der Vertriebspartner kommt eine fehlende Wettbewerbsbeschränkung in Betracht, nicht aber bei quantitativer Beschränkung des Zugangs zum System. Ist also das Internetvertriebsverbot in Hinblick auf die „Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs“ erforderlich, kann also das Produkt ohne persönlichen Kontakt insbesondere nicht sicher vertrieben werden, stellt das Verbot jedenfalls im Rahmen eines Selektivvertriebs keine Wettbewerbsbeschränkung dar, sofern es einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet wird. (Quelle Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts §2 Art. 101 AEUV – Kartellverbot Rn. 247 und 286)


    Da kann man nun sicherlich in beide Richtungen argumentieren, bereits ausgeurteilte Beispiele, die die Einführung einer einfachen Fachhandelsbindung rechtfertigen, sind außer Kraftfahrzeugen noch Computer, Produkte der Unterhaltungselektronik, hochwertiger Schmuck, Kameras, Uhren sowie sogar Presseerzeugnisse.