Beiträge von ode. im Thema „Mechanische/Mathematische Siegpunktmulitplikatoren in Eurospielen“

    Allerdings würde ich das "wenn" am Anfang betonen. Wenn ein Spiel nicht gut balanciert ist und/oder nicht für alle Spielezahlen und Setup-Variationen ausgereichend getestet wurde, dann erhöhen multiplikative Wertungen (oder genauer: multiplikative Teilwertungen bzw. Produkte in Wertungsummen) signifikant die Chancen, dass irgendeine spezielle Strategie unter gewissen Umständen dominant wird.

    Jein. Denn auch ein Ungleichgewicht kann gewollt sein. In dem Fall tippe ich auf eine Art indirekte Interaktion. Nach dem Motto: Ich muss verhindern, dass mein Gegenspieler diese Sache nach hinten ausfährt, denn sonst verlieren ich. Funktioniert oft nur in 2er-Spielen, da bei zu vielen Spielern zu viele Unwägbarkeiten mit rein spielen - auf der anderen Seite gibt es bei mehr Spielern mehr Chancen den Extremisten auszubremsen... In dem Fall gibt es dann aber oft zu verwaschene Spielerbezüge. Nach dem Motto: Warum sollte es mein Fehler sein den Gegenspieler zu stoppen? Die anderen können das doch auch machen!!! Tendenziell verliert dann der Spieler, der den Extremisten allein versucht zu stoppen -> schlechtes Spielgefühl.

    Da hat der Autor dann "eigentlich" nichts falsch gemacht, aber trotzdem ist das "die multiplikative Wertung stört mich!" der Eindruck, der Leuten wie dem Threadstarter hängenbleibt..

    Absolut richtig. Mein Beitrag zielt darauf hin, das Verständnis dieser Zusammenhänge zu erhöhen, da es hier eben auch schon falsch beleuchtet wurde.

    Ich würde hier gern ein paar Punkte zu bedenken geben:


    Thematisch oder nicht - das ist erstmal ein subjektiver Eindruck. Das kann und will ich auch gar nicht bewerten.


    Allerdings gibt es bei der mechanischen Bewertung von diesen Multiplikatoren einiges zu bedenken. Natürlich ist es Rechnerei, aber meiner Ansicht nach ist es nicht mehr Rechnerei als in vergleichbaren Rechenweisen. Besonders Mac bekommt es aus meiner Sicht immer wieder hin seine Spiele sehr simpel und elegant zu halten. Ich bin kein großer Freund der Tatsache, dass da bei Concordia die Multiplikatoren auf den Aktionskarten stehen - ich mag es lieber, wenn er die Sachen trennt, wie bsw. sehr schön in Navegador. Aber betrachtet die Sache mal mechanisch - und dann wird vermutlich klar, warum die Multiplikatoren in Concordia auf den Karten stehen:


    Welchen Wert hat so eine Karte für den Spieler? Hierbei muss man immer den Wert einer Sache im Verlauf einer Partie sehen: Hat sie einen Wert zu Beginn? Zwischendurch? Am Ende der Partie?


    Wenn jetzt auf den Karten kein Wert im Sinne von SP wäre, warum sollte ich am Ende des Spiels noch Aktionskarten kaufen? Sie hätten keinerlei Wert für mich. Dadurch, dass die Karten sowohl Wert im Laufe des Spiels für mich haben (verbesserte Aktionen, Aktionen mehrfach innerhalb eines Kartenlegezyklus, mehr Karten ablegen für höheren Geldwert beim wieder aufnehmen) und ebenfalls einen SP-Wert (totes Kapital im Verlauf der Partie, dafür ein hoher Wert am Ende), bleibt das Spielelement im Verlauf einer Partie immer gleichwertig. Das Spielende über einen leeren Kartenstapel auszulösen ist nur deshalb möglich, weil es immer einen Grund gibt, Karten zu kaufen.

    Alternativen gibt es in Concordia übrigens: Man kann das Spiel auch über schnelles Verbauen seiner Häuschen beenden, bevor ein breit aufgestellter Multiplikator-Spieler, der früh in Karten investiert, überhaupt dazu kommt, seine Multiplikatoren auszufahren.


    Kleiner Exkurs:

    In Transatlantic haben die Karten keine Multiplikatoren. Aber es funktioniert komplett anders, wie man Karten bekommt. Dort bekommt man sie nämlich geschenkt, wenn man eine bestimmte Sache macht. Und, wenn ich mich recht erinnere, beenden sie auch nicht das Spiel...


    Denn, und jetzt kommen wir zum wichtigsten Punkt, der bei der Betrachtung der Rechenweise von Multiplikatoren scheinbar nicht bedacht wurde:

    Multiplikatoren sind nur eine Art seine Punkte zum Schluss zu berechnen. Es ist eine Möglichkeit. Ja. Es ist eben ein Rechenschlüssel. Mehr aber auch nicht. Kein Spiel kommt aus dem Gleichgewicht oder unterstützt Extremstrategien, wenn es vernünftig ausbalanciert ist. Wenn also Extreme über Multiplikatoren möglich sind, dann wird es, wenn das Spiel vernünftig gebalanced ist, auch andere Wege geben, die vielleicht anders errechnet werden, aber auch funktionieren. Das hab ich versucht klar zu machen, indem ich den anderen Weg bei Concordia aufgezeigt habe.


    Ja, man kann mit Multiplikatoren so ein Spiel rocken. Aber auch auf die Fresse fallen. Daher ist Peters Beispiel oben sehr schön und toll erklärt, wie Multiplikatoren gewertet werden und wie sie Extreme unterstützen können. Ein Punkt wie man bsw. Strategien designen kann. Aber die Schlussfolgerung, dass solche Multiplikatoren den Allrounder bestrafen, ist irreführend. Es gibt ja meist noch mehr Spiel als nur Multiplikatoren.


    Ich nehme mal ein Beispiel aus einem Spiel, welches wir alle kennen: 7 Wonders. Dort gibt es die grünen Karten. Gleiche Symbole sammeln bedeutet sich auf einen Wert zu fokussieren und einen Multiplikator zu haben. Grüne Karten eines Symbols werden mit sich selber multipliziert. Habe ich also 3 grüne Karten mit dem gleichen Symbol, sind es 3x3=9 Punkte. Dem gegenüber steht aber der Allrounder, der von jedem Symbol eines hat. Für ein Set aus 3 unterschiedlichen Symbolen gibt es fix 7 Punkte. Dazu hat er noch 3 weitere Punkte, denn er hat ja auch 3x 1x1. Macht unter dem Strich also 10 Punkte für den Allrounder. Beide Spieler haben 3 Karten. Der Allrounder hat aber 1 Punkt mehr... Das ganze ändert sich, wenn der Extremist seine 4te Karte oder gar 5te Karte des gleichen Symbols bekommt. Aber auch hier können wir schön weiter rechnen: Hat der Extremist 6 Karten des gleichen Symbols, dann sind es 6x6=36 Punkte. Hat er Allrounder ebenfalls 6 Karten und aber je zwei des gleichen Symbols, dann bekommt er für 2 Sets 14 Punkte plus noch 3x 2x2 Punkte. Unter dem Strich also 26 Punkte. Das sind jetzt "nur" 10 Punkte weniger als der Extremist. Sicher keine megamäßige Siegstrategie, wenn gleich nach hinten raus sehr lohnenswert. Ein schlauer Designer kriegt es so hin, dass das Spiel schneller zu Ende ist, als ein Extremist es schafft die Multiplikatoren kaputt zu spielen. Irgendwann kippt so was nämlich total. Man muss sich ja nur ausrechnen wie die Sache aussähe, wenn beide Spieler 9 Karten hätten... Das wäre dann 81 : 42 für den Extremist. Ist jetzt die Frage (und ich hab 7 Wonders schon seit Jahren nicht mehr gespielt), ob es überhaupt 9 Karten eines Symboles im Spiel gibt? Ohne nachzuschauen vermute ich, dass es 7 pro Symbol gibt...


    Man kann jetzt Multiplikatoren mögen oder nicht. Aber am Ende des Tages sind sie einfach eine Rechenweise. Wie bekomme ich SP? Wenn die Autoren in der Lage sind ein Spiel ausgewogen zu designen, denn wird durch Multiplikatoren einfach nur ein Wert berechnet. Mehr nicht. Ich nenne mal eine andere Art der Punkteberechnung, die euch sicher auch aus vielen Spielen geläufig ist, das sind die Dreieckszahlen: 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28... Stefan Feld verwendet diese Zahlenreihe sehr gern. Bekanntes Beispiel: Die Wertung der Gebietsgrößen in Burgund oder die Wertung der Buchstaben auf den Laborplättchen in Aquasphere. Der Vorteil der Dreieckszahlen ist, dass sie sich langsamer steigern als Quatdratzahlen. Beispiel: Wenn ich 5 Sachen "X" habe, dann bekomme ich bei Quadratzahlen 5*5=25 Punkte. Bei Dreieckszahlen aber nur 15 (1+2+3+4+5=15). Die Sache ist immer noch lohnenswert in vielen Fällen, denn ich bekomme für das 5te X immer noch 5 Punkte - was auch einfacher zu rechnen ist, denn man muss nur addieren. Bei Quadratzahlen sind es für das 5te X eben schon 9 Punkte (von 16 auf 25) und man muss es eben durch Multiplikation errechnen. Sicher sind das alles keine komplizierten Rechenwerte. Aber im Rahmen eines komplexen Spiels will man die Werte eigentlich klein halten und man will sie einfach errechnen müssen/können.


    Zudem, kann man ein Spiel besser "im Zaum" halten mit Dreieckszahlen, da es selbst für viel X kleinere Werte gibt. Und trotzdem kann man es hinbekommen, dass ein Fokus auf eine Sache sehr lohnenswert und immer rentabler wird und auch so kann man Strategien designen.