Beiträge von MetalPirate im Thema „Santa Maria: historische Themen und der Umgang damit“

    Aber natürlich hätte Baumwolle etc. viel besser gepasst. Das hätte man meiner Ansicht nach eher nicht ändern sollen.

    Thematisch bin ich ganz bei dir. Aber dem Verlag dürfte halt irgendwann klar geworden sein, dass das Südstaaten-Setting unweigerlich die Frage aufgeworfen hätte, wer denn zur Zeit der Mississippi-Raddampfer Baumwolle, Zuckerrohr & Co angepflanzt hat. Antwort: die Sklaven... Probleme vorprogrammiert...

    Yakosh-Dej : Da bin ich deiner Meinung. Manchmal werden ja auch ernstere Themen umgesetzt. Ein Beispiel aus dem Euro-Bereich wäre z.B. #London, wo man gegen Armut kämpfen muss, um Minuspunkte zu vermeiden.


    Warum sowas nicht öfter passiert, ist mir in der heutigen Zeit allerdings auch klar: Ganz egal wie man solche Themen anfasst, kommen die selbsternannten Weltverbesserer aus ihren Löchern und werfen einem unangemessenen Umgang mit dem Thema vor. In null-komma-nichts ist man in die Defensive gedrängt und kommt aus den Rechtfertigungen gar nicht mehr raus. Von daher ist für mich absolut verständlich, dass Verlage solche Probleme lieber umschiffen wollen.


    Jüngstes Beispiel dafür ist Riverboat. Thematisch werden landwirtschaftliche Produkte über den Mississippi nach New Orleans geliefert. Das ist so geblieben. Im Prototyp wurde Tabak, Baumwolle, Zuckerrohr, etc. angebaut. Klassisches Südstaaten-Setting, passt eigentlich wunderbar. In der veröffentlichten Version wurde das Ganze dann an den nördlichen Mississippi verlegt, d.h. in die Nordstaaten, und jetzt werden -- thematisch eher langweilige -- Kartoffeln, Kürbisse und Rüben angebaut. Problemvermeidung sogar auf Kosten des Themas, und den Alles-Problematisierern wird mit einem Extra-Absatz in der Anleitung Rechnung getragen. Nun ja. Ich glaube, manchmal wäre ein etwas ehrlicherer Umgang mit solchen Themen sinnvoller. Aber das würde dann bedeuten, dass man den Alles-Problematisierern auch mal sagen muss, wo sie durch ihre dauernden Übertreibungen im Endeffekt nur Probleme verdrängen anstatt sie einer Lösung näher zu bringen.

    Viele interessante, spannende Themen mit durchaus kritischer Reflektion werden aber auch in Spielen für Jugendliche/ Erwachsene nicht oder nur mit spitzen Fingern angefasst, und die meisten Verlage scheuen soetwas mehr als der Teufel das Weihwasser. Warum gibt es gefühlt tausend Wirtschafts-Spiele um Aufstieg und Erfolg, aber keine ernste Umsetzung zum Thema Obdachlosigkeit? Wäre doch ein spannendes Konzept, oder nicht?

    Weil Verlage, die Geld verdienen wollen, sehr gut wissen, dass Spielen primär der Unterhaltung dient und nicht der politischen Indoktrination. In meiner Jugendzeit gab es haufenweise mittelmäßige bis schlechte Spiele von allen möglichen Herausgebern, in denen nicht das Spielen im Vordergrund stand, sondern Spiel als Medium der politischen Meinungsbildung verstanden wurde. Gegen Atomkraft, für den Kommunismus, für eine ökologische Wende, gegen die bösen Kapitalisten, gegen die bösen Amis, etc. Das war links-grüne Indoktrination, auch selbst erlebt sogar im Konfirmandenunterricht, wo wir sowas spielen mussten/sollten.


    Ich finde es gut und richtig, wenn Spiele über ihr Thema auch zum Nachdenken über gesellschaftskritische Dinge anregen. Aber bitte immer nur optional und nicht mit dem Holzhammer. Ich möchte nicht in die in den 80ern selbst erlebten Zeiten zurück.

    Smuntz : Passt schon. Ich möchte auch nicht Kermeur unterstellen, hier ein ernstes Thema lächerlich machen zu wollen. Meinen Beitrag kann man so lesen, aber so war's nicht gedacht. Sorry wenn's so ankam. Ich wollte bloß darauf hinaus, dass in einem Thread wie diesem ein Roland Kaiser Link hier ganz schnell als völlig überflüssiges "Öl ins Feuer gießen" wirkt.


    Das Auslagern des Mods hätte eventuell etwas gezielter erfolgen können. Da wurde vielleicht auch zuviel in den Auslagerungsthread gekickt. Aber grundsätzlich fand ich das Rüberschubsen nachvollziehbar, um einer weiteren Eskalation vorzubeugen.

    Wenn ich historisch schwierige Dinge diskutieren will mache ich das sicherlich nicht in einem Brettspielforum.

    Sowas in einem Brettspielforum diskutieren zu wollen, ist sicher nur eingeschränkt (bis gar nicht) sinnvoll. Da bin ich ganz bei dir. Fragt sich trotzdem, ob es guter Stil ist, die Leute, die bei irgendwelchen Themen aus welchen Gründen auch immer etwas empfindlicher sind, direkt mit "mimimi, heul doch nicht so rum!" überfahren zu wollen. Oder konkreter: was wäre, wenn hier ein Nachfahre der Inkas oder Azteken oder sonstiger Ureinwohner Amerikas schreiben würde, dass ihn die Darstellung, als ob die Conquistadores das Gold auf der Straße gefunden hätten, etwas stören würde, würdest du dem auch ein "ich kann dich jetzt nicht voll nehmen" entgegen schleudern? Meiner Meinung nach hätte er zumindest das Recht auf seine persönlichen Empfindungen, unabhängig davon, ob ich sie teile.


    Meiner Erfahrung nach lässt man deshalb eine solche Provokation besser sein, denn damit lässt sich in einer Diskussion wie dieser exakt gar nichts erreichen. Gut, okay, vielleicht ein paar "Daumen hoch" von Leuten, die auch gerne mal provozieren, aber die Diskussion bringt man damit bestenfalls zum Entgleisen Richtung Auslagerungsthread.


    Im Übrigen volle Zustimmung dazu, dass man in seinem direkten Umfeld heute tun sollte, was man tun kann, und dass das allemal wichtiger ist, als die großen Probleme der Welt mit irgendwelchen vermeintlich historischen Ungerechtigkeiten lösen zu wollen. An der Ausplünderung Amerikas durch europäische Conquistadoren ändern wir heute nichts mehr.

    der Link zur Schnulze gleichen Namens war doch ein humorvoller Versuch, einen versöhnlichen Schlussstrich ziehen zu wollen

    Tut mir leid, aber das sehe ich nicht so. Bei Diskussionen über historisch belastete Themen in Spielen, von Puerto Rico über Five Tribes bis Santa Maria, kann ich sehr viel akzeptieren, auch wenn es nicht exakt meiner Meinung entspricht. Ein paar Problemchen habe ich nur mit zwei Positionen:

    • Mit den Leuten, die -- und sei es auch nur andeutungsweise zwischen den Zeilen -- den Machern gerne mal (Nähe zu) Rassismus, Sexismus, Nazismus oder was auch immer unterstellen, auch wenn es dafür keine konkreten Hinweise gibt. Das gilt umso mehr, wenn die ganze Argumentation mit dem "Weltverbesserer"-Duktus der moralischen Überlegenheit geführt wird.
    • Mit den Leuten, die andersrum sofort "alles nur Mimimi!" schreien und jegliches Problembewusstsein für historisch schwierige und belastete Themen komplett vermissen lassen. Das gilt umso mehr, wenn deren Argumentation sofort daraus besteht, alles ins Lächerliche ziehen zu wollen.

    Mag sein, dass ich damit regelmäßig ein bisschen zwischen den Stühlen sitze. Aber ich finde es eigentlich ganz praktisch und im Sinne einer Diskussion insgesamt sinnvoll, wenn man sich bloß vor den Extremen auf allen Seiten etwas in Acht nimmt und ansonsten viele Meinungen nebeneinander gelten lässt.


    Der Link zur Roland-Kaiser-Schnulze war aus meiner Perspektive Kategorie 2. Mit "ins Lächerliche ziehen" wird man diesem Thema nicht gerecht, und der von dir selbst oben gepostete Link (danke dafür!) zu einem Statement vom Autor höchstpersönlich zeigt doch recht deutlich, dass dem Autor daran gerade nicht gelegen ist.

    Aber ist denn nicht die Mehrheit des westlichen Publikums weiß?

    Ja. Aber hier ging es um den Vorwurf, dass das Spiel auf ein "weißes Publikum zugeschnitten" wäre, und da schwingt dann schon der Vorwurf der bewussten Diskriminierung mit, den auch ich hier völlig unpassend finde. Bei allem Verständnis für die berechtigten Hinweise der "Weltverbesserer", dass man die Verfehlungen der Kolonialzeit nicht unterschlagen sollte: an der Stelle geht's zu weit.