Beiträge von Dirtbag im Thema „Schere Stein Papier, Mindgames, Glück“

    Aber: die Spielmechanik - das "erweiterte Mindgame" - hat es für mich gekillt, eben weil es nicht nur Glück ist, sondern das "Lesen" und "Einschätzen" des Gegners eine grosse Rolle spielt.

    Das ist sehr interessant. Irgendwie dachte ich immer, das es genau das ist, was vor allem Freunde von kompetitiven, eher konfliktorientierten Spielen primär wollen: den Gegenüber und seine Aktionen antizipieren und entsprechend darauf reagieren bzw. ihm sogar zuvorkommen, und sich dann im Erfolgsfall freuen, dass nicht nur irgendein Würfelwurf, sondern zu einem bestimmten Anteil auch die eigene Entscheidung diesen Erfolg gebracht hat.


    Als ich den Kampf-Mechanismus (hier im Link aus dem entsprechnden Unknowns Thread erklärt) für mein Spiel entwickelt habe dachte ich, dass ich damit eine Lösung für das Problem habe, was viele Spieler mit dem oftmals exzessiven Würfeln in Konfliktspielen haben: es ist sehr thematisch, hat auf jeden Fall auch eine Glückskomponente, die Ergebnisse sind nicht völlig vorhersehbar (das würde zu AP führen) und es erlaubt ein höheres Maß an Kontrolle. Da mein Spiel zusätzlich eine PC-Spiel Umsetzung ist, brauchte ich auch ein Element, welches die "Reaktions-Skills" die im PC-Spiel eine wichtige Rolle spielen zu repräsentieren - das gleiche gilt wohl so ähnlich auch für das kommende Street Fighter Spiel, für das es schon einen Thread gibt: Street Fighter Thread. Allerdings muss ich feststellen, dass das System in hohem Maße polarisiert (ich hab mir mal ein paar Meinungen zu Yomi angesehen, da ist es ähnlich) und dass es Spieler gibt, die dem extrem viel abgewinnen können und andere die ein solches Mindgame-basiertes System grundlegend ablehnen. Interessanterweise gibt es da gar nicht unbedingt einen Zusammenhang zum Spielertyp (also ob es sich um einen Kenner oder Casual-Spieler handelt bzw. auch welche Art von Spielen bevorzugt werden).

    Grundsätzlich stimmt das schon.

    Aber die Antizipation liegt ja auch bei würfelbasierten Kampfsystemen vor: wie positioniere ich meine Einheiten, wann und wen greife ich an, wo ziehe ich mich zurück, etc. Bei würfelbasierten Kampfsystemen kann durch Antizipation der Einfluss des Würfelglücks auf den Ausgang des Kampfes gesenkt werden. Das Einschliessen des Würfelglücks ist halt einfach nur eine weitere Komponente der Planung. Natürlich kann es vorkommen, dass die Würfel so gar nicht wollen, aber unterm Strich ist Würfelglück allein selten der ausschlaggebende Faktor (ausreichend viele Würfelwürfe vorausgesetzt).


    Der grosse Unterschied von Würfeln zu einem RPS-basierten System (oder allem, was in massgeblicher Form das Einschätzen und Lesen des Gegners beinhaltet) ist halt, dass die Würfel für alle gleich sind. Es macht keinen Unterschied, wer sie würfelt. Im anderen Fall (bei RPS-Systemen) macht es aber einen enormen Unterschied, wie gut jemand im Einschätzen von Menschen ist. Das Kampfsystem ist dann "biased".



    Zitat

    Wenn hier zwei Menschen aufeinandertreffen, die sehr unterschiedlich gut (...) sind

    So formuliert gilt das für alle Spiele... Ich habe aber eine Menge Spiele bei denen nicht immer der beste Spieler gewinnt. :sonne:

    So habe ich es aber nicht formuliert. ;)

    "Unterschiedlich gut" hat per se nichts zu sagen. Vieles ist einfach Erfahrung. Aber es gibt eben Bereiche, die sehr stark von den jeweiligen Talenten abhängen. IMHO ist das Einschätzen von Personen ein solcher Bereich. Ebenso wie beispielsweise Bewegungsintelligenz. Es käme wohl niemand auf die Idee, eine Abfolge von Tanzschritten zur Konfliktresolution heranzuziehen: wer weniger Fehler macht und sie schöner ausführt, gewinnt. Wenn ich mich da an meinen letzten Tanzkurs zurück erinnere (der schon lange her ist...), gibt es eben Leute, die auch nach einer Stunde Üben noch über die eigenen Füsse stolpern, während sich andere schon nach 5 Minuten langweilen, weil die Schrittfolge bereits sitzt.


    Nichts anderes ist für mich ein solches "Mindgame": dem Einen fällt es leicht, sein Gegenüber einzuschätzen und entsprechend zu kontern. Dem Anderen dagegen sehr schwer, und er/sie hat auch nach dem x-ten Spiel noch keinen blassen Schimmer, was das Gegenüber denn nun vermutlich spielen wird. Ich weiss nicht, wo du dich hier einordnest, aber ich bin definitiv auf Seiten "mangelnde emotionale Intelligenz" (auf das läuft es vermutlich raus...). Eine Weile kann man das durchaus als "Challenge" sehen, aber irgendwann fühlt es sich einfach nur noch nach "gespielt werden" und nervt. Was dann zumindest bei mir der Tod des Spiels ist.

    Chordcommander

    Das, was du als "erweitertes Mindgame" beschreibst, erinnert mich - wenn ich es richtig verstanden habe - sehr an War for Edadh.

    Es ist schon eine ganze Weile her dass ich das Spiel gespielt habe, aber das Kampfsystem fühlte sich extrem nach RPS an, modifiziert mit einigen offenen Informationen, die den Wert der verschiedenen Karten beeinflusst haben (Kreatur, Gelände), aber auch mit einigen verdeckten Informationen, die dazu führen konnten, dass eine auf den ersten Blick "schlechte" Wahl tatsächlich zu einer sehr guten Wahl werden konnte. Vorausgesetzt, man hatte den Gegner richtig eingeschätzt.


    Ich persönlich bin nie damit warm geworden, obwohl ich das Spiel wirklich mögen wollte. Es versprach hohen Wiederspielwert und enorme Vielfalt in einem interessanten Setting und mit sehr eigenständiger grafischer Gestaltung. Aber: die Spielmechanik - das "erweiterte Mindgame" - hat es für mich gekillt, eben weil es nicht nur Glück ist, sondern das "Lesen" und "Einschätzen" des Gegners eine grosse Rolle spielt. Wir haben das Spiel damals geschätzt etwa 15-20 mal gespielt (wie gesagt, ich wollte es wirklich mögen), immer in gleicher Besetzung (meine Frau und ich). Mit einer Rate von 100% Niederlagen bei mir. Seitdem liegt es ungespielt in irgendeinem Schrank.


    Ich verstehe zwar durchaus den Reiz solcher Mechaniken gegenüber Würfeln, würde mir aber unter keinen Umständen mehr ein entsprechendes Spiel kaufen. Wenn hier zwei Menschen aufeinandertreffen, die sehr unterschiedlich gut im Einschätzen des Gegenüber sind, kann das für durchaus hohes Frustpotential sorgen.