Beiträge von EDeL im Thema „Schwerkraft: verbesserungswürdige Informationspolitik?“

    Du bist wohl Periodisierer, stimmts?

    Periodisierer? Kenne ich als Begriff nicht.

    Falls Du die wissenschaftliche, perspektivische, Einteilung in Zeitabschnitte bzw. Zeitalter/Epochen, meinst....ja, natürlich. Das gehört auch zur geschichtswissenschaftlichen Arbeitsweise und wurde und wird so an meinem Historischen Seminar, wie an vielen anderen auch, so gelehrt und noch gelehrt!



    Ja, war wohl zu faktizistisch formuliert. Aber zumindest zwei historische Schulen lassen sich klar gegen die Verwendung von klaren "Epochen" und "Perioden" finden: Zum einen die Annales-Schule nach Marc Bloch, die auch hierzulande sehr einflussreich war und die nicht nur das zu untersuchende Material verändert hat, sondern auch Kontexte zu Nachbardisziplinen wie der Soziologie geöffnet hat. Und die dabei eben nicht mehr von den ursprünglichen festen "Epochen" ausging, sondern stattdessen eher Mikro- und Makroebene ins Spiel brachte, von großen historischen Verläufen wie der "longue durèe" Braudels bis hin zur exakten Studie kleinster Mikrokosmen eines bestimmten Stadtarchivs. Zumindest in meinem Geschichtsstudium wurde immer und immer wieder betont, dass die Zeit der großen Überblicksdarstellungen und -forschungen endgültig vorbei war, und die gesammelte mediävistische Abteilung wehrte sich mit aller Macht gegen die Idee eines starren Zeitraums ohne fließende Übergänge. Mithin wäre dann für mich der wichtigste Gewährsmann Lyotard und seine Darstellung des "postmodernen Wissens" mit seiner Forderung, die "grand recits" der Vergangenheit durch "petit recits", also durch kleinere Unterteilungen, orts- und zeitbezogene Detailstudien abzulösen, die genauer historische Abläufe darzustellen in der Lage sind und die dadurch die sog. Metanarrative wie Kultur-Natur, Fortschritt-Dekadenz, Apokalyptiker-Integrierte etc. unterlaufen können.


    Das es die, noch in früheren Schulen bzw. Forschungsansichten propagierten, "starren Grenzen/Einteilungen" nicht gab und zu Recht nicht mehr gibt, da bin ich bei dir. Das war bei mir im Historischen Seminar ebenfalls Ursus und wird auch heutzutage wohl nirgends mehr in Frage gestellt werden. Stattdessen werden eher die unterschiedlicher Periodisierungsmöglichkeiten gelehrt und benutzt.

    Aber das es keine Periodisierung in der Geschichtswissenshaft, sei es Lehre oder Forschung, mehr geben würde oder man den Begriff gar nicht mehr benutzen würde ist halt einfach nicht haltbar.


    Es wird heute in vielen Einführungsveranstaltungen und Readern sogar z.T. als eigener Punkt explizit darauf eingegangen.

    Beispiel: Bausteine für das Geschichtsstudium. Reader Uni Duisburg (Ab S.15)


    Die "heutige" Periodisierung hat nichts mehr mit der veralteten Einteilung von "früher" gemein sondern ist von ihrer Festlegung viel feingliedriger und perspektivischer.

    Natürlich könnten stets, begründbar, immer auch andere Zeiträume ausgewählt werden und das dabei immer nur bestimmte Teilaspekte der Geschichte in den Vordergrund gerückt und andere dadurch entsprechend halt vernachlässigt werden steckt in der Natur der Sache. Ebenso das International Epochen- und Periodeneinteilungen z.T. anderes definiert und verwendet werden, da europäische Einteilungen und Definitionen sich halt nicht so einfach oder auch gar nicht auf andere Kulturen und deren Geschichte übertragen lassen.


    Hierzu, ein wie ich finde sehr passendes, Zitat von von Prof. Dr. Ernst Walter Zeeden der Uni Tübingen:

    "Geschichtliche Begriffe und Periodisierungen spiegeln das Bemühen der Forschung wider, den Gesamtablauf der Geschichte nach Maßgabe der jeweils erreichten Sachkunde und nach Maßgabe der jeweils für angemessen gehaltenen – von Generation zu Generation sich wandelnden – Perspektiven ordnend zu gliedern und die Zeiträume, die bei einer solchen Gliederung herausspringen, möglichst treffend zu benennen. Es versteht sich daher von selbst, daß geschichtliche Begriffe und Einteilungen in Zeiträume nur Hilfsvorstellungen sind, zu denen man aber notgedrungen greifen muß, weil man ohne sie nicht auskommt."



    Im übrigen sollte man nicht unerwähnt lassen, das die Kritik an Periodisierungen, heutzutage hauptsächlich aus dem Lager Sozial- und Kulturwissenschaftler kommt. Der von Dir als wichtigster Gewährsmann zitierte Jean-Francois Lyontard war z.B. weder Historiker oder Kulturwissenschaftler, sondern Philosoph und Theoretiker der Postmoderne.

    Das diskreditiert natürlich nicht die Meinungen oder Thesen selbiger Personen oder Wissenschaftsrichtungen, sollte aber im gerade im Hinblick auf wissenschaftliche Rivalität, auch im Zusammenhang betrachtet werden.


    Ich kann Dir (und alle die es interessiert) folgende Abhandlung von Prof, Dr. Dr. Jürgen Osterhammel der Uni Konstanz empfehlen. Er hat zur Periodisierung in der neueren Geschichte einen interessanten Vortrag gehalten, in dem er auch auf die Kritiken und Schwierigkeiten eingeht. Zu finden als PDF Download bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften oder in schlechterer Qualität im Browser als PDF-Scan der Uni Konstanz.


    Ob man jetzt Ausbreitungsperiode oder Periode der Ausbreitung als passenden Spielenamen ansieht, muss jeder für sich selbst entscheiden.