Beiträge von MetalPirate im Thema „Nicht-seelenlose Eurospiele?“

    Nachtrag zu Haspelknecht. In der Anleitung heißt es ganz am Anfang, am Ende des Abschnitts "Ziel des Spieles":

    Während des Spiels erlangen die Spieler Wissen um ihren Hof zu erweitern und tiefer im Boden Kohle abzubauen. „Haspelknecht“ bietet viele Wege zum Sieg an.

    Mit Kenntnis des Spiel kann man das lesen als: "Baue Kohle ab oder gewinne auf diverse andere Arten (Technologie, Hoferweiterungen/Landwirtschaft, etc.)"

    Ohne Kenntnis des Spiel wird aber jeder erstmal denken, dass man Kohle abbauen müsste bzw. sollte, erst recht nach der vorherigen Schilderung der allerersten Kohlefunde im Sinne von: "Oh, schwarze brennbare Steine, toll! Lasst uns die aus der Erde holen!"


    Die Regeln sind hier nicht falsch, aber sie hätten sicher klarer geschrieben werden können, um falsche Annahmen und Erwartungen zu vermeiden. Dennoch denke ich, dass man auch dann, wenn man hier falschen Erwartungen aufgesessen ist bzw. -- was wahrscheinlicher ist -- das Spiel schlecht erklärt bekommen hat, bereit sein sollte, seine Meinung zu korrigieren. Das Spiel behauptet in der Regel nirgends, dass man Kohle abbauen müsse. Die Spielregel legt im Gegenteil wert auf die unterschiedlichen Technologien für diverse unterschiedliche Entwicklungsrichtungen, also sollte man das "man kann ohne nennenswerten Kohleabbau gewinnen" dem Spiel nicht allzu negativ ankreiden. Wer die Regel gelesen hat, der weiß, dass Kohleabbau nur einer von mehreren Wegen ist.


    Das leichte Thema-Problem wird zugegebenermaßen verschärft durch vom Himmel fallende Bewertungsfunktionen, etwa mit ansteigenden Wertigkeiten für Taler, was dann eine eher abstrakte Strategie wie "sammle jeden Taler, den du irgendwo kriegen kannst und vermeide tunlichst, auch nur einen einzigen davon ausgeben zu müssen" ermöglicht. Aber trotzdem: gewisse Kompromisse sollte man machen können. Wir wollen doch strategisch interessante Spiele mit vielfältigen Spielentscheidungen haben und keine langweiligen eindimensionalen Simulationen, die einem genau sagen, was man tun muss, oder?

    Beim Thema "Haspelknecht gewinnen können ohne nennenswerten Kohlenabbau" bin ich etwas zwiegespalten. Ich sehe das thematische Problem, habe aber beschlosssen, mich davon nicht allzu sehr stören zu lassen. Es ist aber definitiv ein Punkt, auf den ich beim Spieleerklären viel Wert lege, um die Neulinge am Tisch nicht gedanklich in die falsche Richtung zu schicken. (Diese Gefahr besteht immer nur für Neulinge, nicht für Kenner des Spiels!) Also erkläre ich nicht "wir müssen jetzt Kohle abbauen [...]", sondern eher: "Wir sind in einer Zeit des technologischen Umbruchs. Kohle wurde gefunden, auch auf unserem Acker, und das gibt ganz neue Möglichkeiten für uns als einfache Bauern. Wir können die Kohle abbauen, müssen es aber nicht..."

    Was ist denn an reifenden Trauben so schlimm?

    Dass auch die billigsten Trauben im geerntetem Zustand so lange nachreifen (= besser werden), bis man den allerbesten Wein daraus herstellen kann. Nicht ganz so ein superdicker Klops, aber ebenfalls erwähnenswert: Rose-Wein wird bei Viticulture durch 1:1 Mischen von Rot- und Weißweintrauben hergestellt, Sekt durch 2:1 Mischung von roten und weißen Trauben.

    So richtig seelenlos, was das Thema angeht, ist doch [...] und #EinFestFürOdin.

    All diesen Spielen ist gemein, dass ich das Thema relativ einfach austauschen kann...

    Bei EFfO würde ich dir entschieden widersprechen wollen. Das ist zwar teilweise eine sehr hohe Abstraktionsebene, aber wenn man sich mal den Almanach durchliest, dann merkt man schon, wieviel thematische Motivation da drin steckt, z.B. der ganze Tauschhandel, den die Wikinger betrieben haben.

    Ich habe mit mechanismusgetriebenen Spielen ("Euros") an sich überhaupt kein Problem. Thema ist immer mehr oder weniger abstrakt vorhanden. Vielfach wird für mich "Thema" auch überbewertet, denn letztendlich schubsen wir alle nur Pappe, Holz und Plastik über Tische. Brettspiele beinhalten immer eine mehr oder weniger starke Abstraktion.


    Was ich aber haben möchte -- und was für mich auch ganz wesentlich den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Euro ausmacht! -- ist eine gewisse emotionale Bindung zu dem, was ich in dem Spiel tun soll. Vielfach, aber nicht immer, ist das auch gemeint, wenn Spieler über "Thema" in Brettspielen sprechen. Ich möchte z.B. etwas aufbauen, was sich logisch und richtig anfühlt (das Beispiel Agricola passt hier wunderbar). Oder bei Marco Polo rumreisen, handeln und mir Kamele für die Durchquerung der Wüsten besorgen müssen. Oder den Mars terraformen. Alles stark abstrahiert, aber mit einem thematischen Kern, der sich irgendwo "richtig" und "passend" anfühlt. Ein Euro-Spiel ist für mich "seelenlos", wenn genau das nicht der Fall ist.